Die längste Eisenbahnstrecke der Welt
9.288 km lang ist die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau über Kasan, Jekaterinburg und den Baikalsee bis nach Wladiwostok ganz im Osten Russlands. Am Rande der Verkehrsachse liegen beeindruckende Naturlandschaften, Städte mit jahrhundertealter Geschichte und mehrere der Spielorte der Fußball-Weltmeisterschaft 2018. Schon heute kann man auf Entdeckungsreise gehen und sich als Tourist ein eigenes Bild von Geschichte und Gegenwart des russischen Riesenreiches machen.
Ein guter Ausgangspunkt für jede Russlandreise ist St. Petersburg. Die Stadt ist Anlaufhafen für Kreuzfahrtschiffe und schon seit Jahrzehnten gut besuchtes Touristenziel. Sehenswert ist die Peter-und-Paul-Festung aus dem frühen 18. Jahrhundert. Die Festungsanlage auf einer Insel im Fluss Newa gilt als historisches Zentrum der von Peter dem Großen gegründeten Stadt. In der Festung steht die Peter-Pauls-Kathdrale mit ihrem 122 Meter hohen Turm. Sehenswert im Stadtzentrum sind zum Beispiel die orthodoxe Auferstehungskirche mit ihrer prachtvollen Ikonenwand und der weitläufige Schlossplatz. An diesem liegen das barocke Winterpalais mit der Kunstsammlung Eremitage und das Generalstabsgebäude mit einem in das Gebäude integrierten Triumphbogen. Fußballfans können im Norden der wie auf dem Reißbrett geplanten Stadt das Krestowki-Stadion besuchen, in dem die deutsche Nationalmannschaft im Juli 2017 gegen Chile das Finale des Confed-Cups gewann.
Auf dem Weg zum Bernstein-Zimmer
Größte Sehenswürdigkeit im Umland ist der barocke Katharinenpalast in Puschkin 25 km südlich von St. Petersburg. Im Palast sind nicht nur Möbel, Gemälde und Porzellan aus alter Zeit zu sehen, sondern auch eine Nachbildung des legendären Bernsteinzimmers. Die Tafeln aus Bernstein wurden einst im Auftrag des Preußenkönigs Friedrich I. gefertigt und dem russischen Zaren übergeben. Anhalt alter Fotos wurde eine originalgetreue Nachbildung erstellt, die Gäste aus aller Welt bei der Besichtigung des Palastes sehen können. Eindrucksvoll ist auch der mit Gold und Spiegeln verzierte Ballsaal, der einst von rund 700 Kerzen erleuchtet wurde. Am Abend lohnt sich eine Bootsfahrt in St. Petersburg. Spät in der Nacht werden die Brücken über den Fluss geöffnet, um großen Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Am Ufer sieht man die hell erleuchteten Fassaden der historischen Stadt. Von St. Petersburg gelangt man in rund vier Stunden mit dem in Deutschland gebauten Hochgeschwindigkeitszug „Sabsan“ nach Moskau.
Baustellen am roten Platz
Moskau ist eine Baustelle. Im Vorfeld der Weltmeisterschaft hat die Stadt mit umfangreichen Baumaßnahmen begonnen, die jede Autofahrt durch die Stadt mühsam machen. Dabei erlebt man, wie Autos von sechs Spuren unfallfrei und verbunden mit riesigem Rückstau auf die zweispurige Uferstraße einbiegen. Doch mit der Metro gelangt man schnell von einem Ort zum anderen. Sehenswert sind die an unterirdische Paläste erinnernden Metrostationen. Stalin, Lenin und Putin – Darsteller der Politiker stehen in einer von ihnen und warten auf Touristen, die sich mit ihnen fotografieren lassen wollen. Nicht weit entfernt residiert im Kreml der echte Präsident des Landes. Bei einer Besichtigung der von einer zwei Kilometer langen, zinnengekrönten Mauer umgebenen Festung sieht man eine 40 Tonnen Kanone mit Kaliber 890 mm, die nur zur Abschreckung gebaut aber nie abgefeuert wurde. Daneben steht die 200 Tonnen schwere Zaren-Glocke. Ins Auge fallen der Erlöserturm, ein Wahrzeichen der Stadt, und der Nikolaus-Turm. Im Süden des Roten Platzes liegt die von Iwan dem Schrecklichen erbaute Basilius Kathedrale. Wer mag schaut sich nicht weit entfernt im Alexandergarten die Wachablösung an oder lauscht in stillen Stunden dem Gesang der dort mitten in der Stadt lebenden Nachtigallen.
Naherholung in den Sperlingsbergen
Nicht weit vom Zentrum der 15-Millionen-Stadt entfernt liegt das 350 ha große Gelände der Lomonossow-Universität. Das nur zum Teil bebaute Gebiet ist ein wichtiges Naherholungsgebiet. Von einer in 85 Meter Höhe gelegenen Aussichtsplattform kann man über die Stadt und den Fluss Moskwa blicken. An dessen Ufer sind in den letzten Jahren Spazier- und Radfahrwege entstanden. Touristen mit Leihfahrrädern können die Stadt so von ihrer idyllischen Seite erkunden. Dabei können sie auch einen Blick auf das Olympiastadion Luschniki werfen, in dem das Finale der WM mit 81.000 Zuschauern stattfinden wird.
Spartak Moskau Ultras
Dabei sein möchten auch die Spartak Moskau-Fans Pavel und Roman. Seit Jahren widmen die beiden ihre ganze Freizeit dem Fußball und freuen sich nun, dass Russland für sie unerwartet Austragungsort der Weltmeisterschaft geworden ist. „Fußball steht hier leider nicht auf dem ersten Platz wie in Deutschland“, erklären die Ultras, die hoffen, dass Fußball durch Erfolge der russischen Nationalmannschaft an Popularität gewinnt. „Wir singen, tanzen, schreien und feiern“, erzählen die beiden und laden ein in ihre Heimat: „Wir wollen der ganzen Welt zeigen – unser Land ist sehr gastfreundlich.“
Vom kalten Krieg zur Fußball-WM
Bereits angelaufen sind die Vorbereitungen der russischen Staatsbahn. Diese hofft durch die WM auf mehr als 2,6 Millionen zusätzliche Fahrgäste im WM-Jahr. Bahnmanager Piotr Ivanow weiß: „Fußballfans sind sehr spezielle Menschen.“ Doch um die Sicherheit macht er sich wie beim bestens organisierten Confed-Cup auch dank Sicherheitskräften an Bord der Züge wenig Sorgen. Auf die Fußballfans wartet ein besonderes Angebot. Sie können mit von der Regierung bezahlten WM-Tickets kostenlos zwischen den elf Spielorten hin- und herpendeln. Darüber freuen sich auch Sportreiseveranstalter wie Wolfgang Vieten, die ihre Gäste für eine Sportreise begeistern wollen und Pakete aus Anreise, Hotels und Eintrittskarten schnüren.
Kalter Krieg unter der Stadt
Wie sich Moskau gewandelt hat kann man im „Bunker 42“ 65 Meter unter der Stadt erleben. Bis 1986 war die einstige Kommandozentrale der Luftwaffe streng geheim. Heute beherbergt der Atombunker, der den Besuchern noch heute einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt, ein Museum. Gebaut wurde der Bunker auf Befehl Stalins – doch der starb drei Jahre vor der Fertigstellung. Sechs Meter dicke Wände, zwei Tonnen schwere Türen und ein Treppenhaus, das 18 Stockwerke in den Boden führt, sollten die Kommandozentrale vor einem Atomschlag schützen. In der Tiefe können Touristen heute nacherleben, wie sowjetische Soldaten im kalten Krieg den Befehl zum Abschuss von Atomraketen gegeben hätten.
Russland auf Schienen
Die Transsibirische Eisenbahn durchzieht das ganze Land über mehr als neuntausend Kilometer und ist für Reisende und Fracht als Hauptverkehrsachse auch in der heutigen Zeit unverzichtbar. Reiseleiter Anatolij Dolgov begleitet die Gäste des Zarengold-Sonderzugs auf der Strecke. Mit Wodka-Proben, Sprachkurs und Informationen zu Land und Leuten macht er die Reise zu einem besonderen Erlebnis. Während Wälder, Städte und Dörfer am Rand der Strecke vorbeiziehen, fährt der Zug immer weiter nach Osten.
Kasan – Stadt an der Wolga
Ein sehenswerter Halt ist die Universitätsstadt Kasan. Die Hauptstadt der autonomen Republik Tatarstan blickt auf tausend Jahre bewegter Geschichte zurück. Heute leben Russen und Tartaren in der lebenswerten Stadt oberhalb der Wolga in Frieden und Harmonie. Die Atmosphäre in der Stadt gefällt auch Felix Willeke von Lernidee Erlebnisreisen. Er begleitet die Gäste nicht nur in die im Jahr 2005 neu gebaute Kul-Scharif-Moschee, sondern auch in die direkt daneben liegende orthodoxe Kirche. Im Kreml fällt ein aus roten Ziegeln gebauter, schiefer Turm ins Auge. Bereits fertiggestellt ist die Kasan Arena in Form einer Wasserlilie als WM-Stadion. In der lebhaften Fußgängerzone der Innenstadt pulsiert das Leben. Am Abend erzählt Reiseleiter Anatolij Dolgov, dass russische Männer oft ernst und kühl wirken möchten. Und er erwähnt, dass Russen ihr Gebäck zum Tee traditionell in der Hand brechen. Die Fahrt geht weiter bis in die Hauptstadt des Urals.
Die letzten Stunden des Zaren
Zar Nikolaus II. verbrachte seine letzten Stunden in Jekaterinburg. Dort wurde er mit seiner Familie in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 ermordet. Wo einst das Ipatjew-Haus stand, in dessen Keller der Zarenmord geschah, steht heute eine Kathedrale im neubyzantinischen Stil. Die „Kathedrale auf dem Blut“ ist Wallfahrtsort für Anhänger der russischen Monarchie. Entstanden war die Stadt 1.667 km entfernt von Moskau einst als im Nordischen Krieg der Bedarf an Metallen wuchs und eine eigene Eisenindustrie aufgebaut werden sollte. Bis 1991 war die Millionenstadt einige Kilometer hinter der Grenze zwischen Europa und Asien für Ausländer komplett gesperrt.
Das moderne Jekaterinburg
Heute ist die Stadt auf dem Weg in die postindustrielle Zeit, so Bürgermeister Evgenij Rojsman. Der 55jährige Historiker gehört als Liberaler nicht zur Partei des Präsidenten. Seit vier Jahren führt er die Stadt mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern durch bewegte Zeiten – nicht im Anzug sondern im roten T-Shirt. Er freut sich, dass Jekaterinburg der östlichste Spielort der WM sein wird – und über die damit verbundenen Investitionen in die Infrastruktur. Evgenij Rojsman hofft auf zusätzliche Besucher aus aller Welt und möchte den Tourismus in seiner Stadt ankurbeln. Denen kann er nicht nur einen der Obelisken an der Grenze der Kontinente zeigen, sondern auch das Boris Jelzin Zentrum.
Ein Blick zurück
Der frühere Präsident Russlands, Boris Jelzin, ist ein Sohn der Stadt. Das moderne Museum erzählt vom Leben des Politikers – größtenteils aber nur in russischer Sprache. Aus den 90er-Jahren stammt auch der morbide Mafia-Friedhof am Rande der Stadt. Damals kämpften verschiedene kriminelle Clans um die Vorherrschaft der Stadt. Grabsteine mit eingravierten Boxszenen, Autoschlüsseln und den Bildern der Verstorbenen erinnern an diese Zeit. Besuchen kann man zudem eine Gedenkstätte für die Opfer des Stalinregimes. 18.474 Namen sind in der Gedenkstätte eingraviert und erinnern daran, wie brutal das Regime damals gegen echte und vermeintliche Gegner vorging. „Die kleinen Namen sind das einzige, was von einer Person geblieben ist“, berichtet Reiseleiterin Svetlana. Im Zentrum der Anlage steht ein Versöhnungswürfel mit den Symbolen der Weltreligionen. Das Stadion der Stadt ist derzeit noch im Bau – Bürger und Bürgermeister sind aber sicher, dass einer pünktlichen Eröffnung zur WM nichts im Wege steht. Nach einem ereignisreichen Tag fährt der Zarengold-Sonderzug weiter durch die Taiga nach Osten
Countdown zum 14. Juni 2018
Nicht nur für Fußballfans ist die Weltmeisterschaft eine Gelegenheit sich ein eigenes Bild von Russland zu machen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Wer die Reise wagt, erlebt ein unvorstellbar großes Land mit reicher Geschichte, wundervoller Architektur und großen Ambitionen. Auch außerhalb der elf Spielorte der Weltmeisterschaft lohnt es sich, Russland, das Land der Kontraste, zu entdecken.
Bürgerreporter:in:Christian Kolb aus Essen |
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