Südafrika: Bei Hubert in Hamburg

Ein Blick auf die Landkarte lässt bei Deutschen heimatliche Gefühle aufkommen. Da sind Städtenamen wie Braunschweig, Berlin, Potsdam und andere zu finden, die alle an die deutschen Siedler erinnern. Ein Schild, das von der Teerstraße weg auf eine nicht gerade gut gewalzte Schotterstraße weist, hat die Aufschrift "Hamburg". Dreißig Kilometer auf dieser für die Autoreifen grauslichen Unterlage können Fahrer und Insassen ganz schön fertigmachen. Die Staubfahnen, die entgegenkommende Fahrzeuge hinter sich herziehen, sind schon kilometerweit zu sehen. Wenn sich zwei Fahrzeuge begegnen, heißt es, schnell die wegen der Hitze weit aufstehenden Fenster hochzukurbeln, sonst ist im Nu der ganze Innenraum mit einer weißen Puderschicht überzogen.

Langsam verzieht sich die Sonne Richtung Westen, als wir verstaubt und durchgerüttelt auf dem sogenannten Campingplatz, an der Lagune des Keiskamma-Flusses ankommen. Neben einigen wenigen Zelten mit Schwarzen steht eine Jaguar-Limousine, ein seltsamer Anblick. Ich steige aus, um die Gegend zu erkunden. Zwei abgerissene Weiße halten mich davon ab, die einfachen Sanitäranlagen zu besichtigen, und zeigen auf den geöffneten Wasserhahn, aus dem nicht einmal ein müdes Röcheln kommt: "Kein Wasser, aber Geld wollen sie schon haben für die Übernachtung!"

Das ist also der Grund, warum Campingplatzbesucher auf dem Kopf Wasserkanister den langen Weg vom Zentrum des kleinen Dorfes in Richtung Camp getragen haben. Natürlich gibt es hier auch keine Rezeption. Glassplitter sind auf dem mit Gras spärlich bewachsenen Streifen entlang der Lagune verteilt. Nach kurzer Beratung beschließen wir, die zweitteuerste Möglichkeit der Übernachtung anzupeilen: die Hütten. Unbeschilderte Straßen, zum Teil in nicht befahrbarem Zustand, machen es schwer, die Hütten zu finden. Einige als Ferienhäuser zu definierende Bauten liegen hoch über der Lagune, aber alle verrammelt und in desolatem Zustand. Keine Spur von den im Prospekt angegebenen Hütten.

Nächster Versuch: Der "Hamburger-Hof". Ein dicker Mercedes mit ungarischem Nummernschild und Aufkleber "H" steht vor dem etwas heruntergekommenen Gebäude. Hubert, der schwarze Manager, tut hier nur aushilfsweise Dienst, bis der eigentliche Chef von einem Lehrgang zurückkommt.

Der pockennarbige, stämmig gebaute Schwarze ist sorgfältig gekleidet, wie eben ein Hotelmanager. Saubere braune Hose mit Bügelfalten, grobkariertes langes Hemd. "Die Preise stimmen nicht mehr. Das Prospekt ist schon uralt", klärt er mich ohne mit der Wimper zu zucken in sehr gutem Englisch auf, als ich über den Preisunterschied, der das dreifache beträgt, den Kopf schüttle. Trotzdem entscheiden wir uns für ein Appartement mit Blick über die Lagune. "Gibt es auch heißes Wasser zum Duschen?" will ich von Hubert wissen. "I promise you" (ich verspreche es), gibt er zur Antwort.

Abends, als wir in Speisesaal mit dem großen Querriss an der Wand nicht übel speisen, grillen Schwarze draußen am Pool, den ich aber wegen seiner mangelnden Sauberkeit lieber meide. Auf unseren Wunsch hin hat Hubert ein drittes Bett für unseren Sohn ins Zimmer stellen lassen. Die Einrichtung des Schlafraumes kommt noch aus der Zeit, als das Hotel in weißem Besitz war. Aus dem fünf-kanaligen Radiogerät (Aufschrift: afrikaans-englisch-einheimisch) kommt kein Ton. Die Zentrale ist wohl seit 1981 außer Betrieb.

Im "Foyer" des Hamburger Hofes ist eine stattliche Anzahl von leicht vergilbten Schwarzweißbildern aufgehängt, welche die stolzen Gesichter weißer Angler mit ihren Fischen zeigen, die an Haken von einem Gestell hängen. Dabei steht jeweils das Gewicht und die Länge der kapitalen Brocken. Das letzte Bild stammt vom April 1980, ein Jahr vor der "Entlassung" des Gebietes in die "Selbständigkeit": Die Weißen zogen sich und ihr Kapital aus der Region zurück, und die Schwarzen, die die Bauten übernahmen, hatten kein Geld, ihr Erbe in Schuß zu halten.

Früh um viertel vor sieben Uhr klopft es: Eine schwarze Bedienstete steht vor der Tür. Durch das große Panoramafenster winke ich ihr vom Bett aus zu, sie solle das Tablett mit Tee und Kaffee auf das Tischchen vor dem Zimmer stellen. Eine alte Sitte aus der englischen Kolonialzeit. Wird automatisch ausgelöst, wenn der Gast im Melderegister unter der Spalte "Tee" ein Kreuzchen macht.

Beim Bezahlen bemerke ich kurz zu Hubert, daß trotz seines Versprechens immer noch kein warmes Wasser in Bad und Dusche verfügbar sei. Er führt mir als Entschuldigung zwei Mechaniker mit ölverschmierten Händen vor. "Diese Leute haben seit gestern abend an der Heißwassereinrichtung gearbeitet, doch sie haben es nicht geschafft, sie in Gang zu kriegen."

Wir schaffen unser Gepäck ins Auto, verabschieden uns von dem älteren, gut deutsch sprechenden ungarischen Herrn und seiner jugendlichen Begleitung, die abends mit uns allein im Speisesaal, aber weit entfernt von uns saßen, und fahren noch einmal zum Meer, das still und träge ans Ufer plätschert. Ich fülle eine 2-Liter-Flasche mit Meerwasser, auch etwas Sand hinein, für unsere Ndebele-Haushaltshilfe. "Das ist gut als Medizin. Im Schwarzenviertel Mamelodi wird Meerwasser teuer verkauft!" hat sie uns vor der Abreise erzählt. Am Ende der Reise wird sie also drei große Flaschen "Medizin" haben: Aus dem Atlantik bei Kapstadt, aus dem Indischen Ozean an der Küste der Ciskei, und später aus der Transkei.

Wie die Reise weiter geht, liest der geneigte Südafrika-Fan hier:

Ebooks über Südafrika und das südliche Afrika

Reisebuch Erlebnis SüdAfrika (kein ReiseFührer, aber ein ReiseErlebnis-Buch) - Mit Exkursionen nach Namibia und Swaziland (Swasiland).
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Dieses Erlebnis-Buch macht Appetit auf den Zauber Afrikas.

PS: Dieser Teil des Reise-Erlebnisses spielt in der Zeit zwischen der Freilassung des späteren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela und der relativ unblutigen Umwandlung in eine echte Demokratie.

Bürgerreporter:in:

Vuolfkanc Brugger aus Dillingen

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