Andreas Dickel, der leitende Kriminaldirektor in Bochum geht am Freitag in den "Unruhestand!

Der leitende Kriminaldirektor Andreas Dickel auf der Presse-Konferenz zur Kriminalstatistik 2015 im Bochumer Polizeipräsidium. TPD-Foto:Volker Dau
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Andreas Dickel, der leitende Kriminaldirektor in Bochum geht am Freitag in den "Unruhestand!

Natürlich habe ich noch schnell Herrn Dickel ein paar Fragen gestellt die er bereitwillig ausführlich beantwortete!


Hier das Interview von Volker Dau:

Herr Dickel wie war Ihr Werdegang vom Polizeianwärter zur Spitzenposition als leitender Kriminaldirektor?

Andreas Dickel antwortet:

Ok, dann mal ein schnelles Summary zu vielen Stationen.
Ich habe als Kriminalkommissaranwärter am 02.11.1979 beim Polizeipräsidium Wuppertal begonnen und dort die Ausbildung, heute nennt man das duales Studium, praktisch und theoretisch an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung absolviert. Im PP Wuppertal hätte man mich gerne behalten, aber ich wollte nicht dort bleiben, wo ich „Lehrling“ war. Mein Wunsch nach einer Verwendung in Bochum, Köln oder Münster, um parallel Jura zu studieren, wurde nicht erfüllt. Ich kam zum Polizeipräsidium Krefeld. Gleichwohl habe ich mich sofort in Köln zum Jura-Studium eingeschrieben, aber auch Vollzeit gearbeitet. Ich hatte das Glück, sofort, mit 23 Jahren in der Raubkriminalität eingesetzt zu werden, was sich mit dem Studium zeitlich nicht vereinbaren ließ. Aber ich wurde da mit ganzem Herzen Ermittler und hatte mit meinem 55-jährigen Kriminalhauptkommissar als Teampartner einen wunderbaren Lehrer. Nach fünf Jahren dort folgten Stationen in Moers und Gelsenkirchen, bevor ich ab 1988 Fachlehrer in der kriminalistischen Aus- und Fortbildung an der früheren Landeskriminalschule in Düsseldorf wurde. Aus dieser Funktion nahm ich am Auswahlverfahren für das Studium zum höheren Dienst teil und habe dann zwei Jahre in Düsseldorf und Münster – damals Polizeführungsakademie, heute Deutsche Hochschule der Polizei, absolviert. Danach war ich zwei Jahre Referent Strafverfolgung im Innenministerium NRW, dann Kriminalgrupenleiter im PP Münster für Kapitalverbrechen, bevor ich für knapp zwei Jahre Studienleiter für den Höheren Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen an der damaligen Direktion für Ausbildung der Polizei wurde. Es schlossen sich fast fünf Jahre als stellvertretender Referatsleiter Strafverfolgung wieder im Innenministerium an, bevor ich dann Anfang 2002 die Leitung der zentralen Kriminalitätsbekämpfung beim PP Wuppertal übernahm. Mit der Reorganisiation entstand die größere Direktion Kriminalität, als deren Leiter ich dann leitender Kriminaldirektor wurde. 2010 wechselte ich dann auf die gleiche Funktion beim PP Bochum, von wo aus ich nun in den Ruhestand gehe.

Volker Dau fragt:

Welche besonderen Hürden waren dabei zu überwinden?

Andreas Dickel entgegnet:

Damals musste man noch ein vergleichsweise gutes Examen in der Kommissarsprüfung haben, sich ein Jahr in einer anderen Behörde bewähren und dann mit ca. 200 anderen Bewerberinnen und Bewerber um damals 26 Stellen wetteifern, was in einem insgesamt drei Tage währenden Auswahlverfahren mit Assessment-Center, Intelligenz-Test etc. bestand.

Volker Dau erfragt:

Was waren die dramatischsten und wohl auch menschlich besonders schlimmen Fälle in den elf Jahren als Chef der Bochumer Kripo?

Andreas Dickel antwortet:

Mich hat die Selbsttötung einer stellvertretenden Kommissariatsleiterin sehr getroffen. Die Aufarbeitung ergab, dass sie schon sehr sehr lange an einer endogenen Depression litt, die sie vor allen Menschen geheim hielt und dann eben aus dem Leben geschieden ist. Hoch dramatisch waren die Inszenierungen von Marcel H. dem 19-Jährigen, der einen 10-jährigen Nachbarsjungen umbrachte und das in Internet-Chats veröffentlichte und später noch einen weiteren Freund umbrachte.

Volker Dau fragt:

Ich denke da z.B. an den Mordfall „Kapskolonie“ bei dem das Opfer qualvoll erstickte und Ihre Spurensicherung wohl etwa 500 Spuren sicherte, was zu ein oder zwei DNA-Treffern führte.Der Täter mit Spur Nr.201 wurde ja bereits verurteilt zu Lebenslänglich.
Auch dieser Fall war sicher bemerkenswert und einzigartig. Hier wurde – wie ganz oft – kriminaltechnisch und kriminalistisch hervorragend gearbeitet.

Wie konnte es wohl zu dieser Tat kommen? Es wurden ja nur vom Materialwert wertlose Sportpokale mitgenommen?
Oft haben Täter falsche Vorstellungen von den tatsächlich zu erlangenden Geld- oder sonstigen Wertgegenständen.

Gab es da vielleicht bewusste oder unbewusste Tipps an die Täter z.B. durch „Kneipengeschwätz“ das aufgefangen wurde?
Das Opfer war sicher aufgrund seiner herausgehobenen Tätigkeit im Verein etwas sichtbarer, aber sicher nicht als die Millionenbeute zu bewerten.

Wird bei den Ermittlungen oft bekannt das der Auslöser für die Tat Informationen aus den Gebäuden z.B. durch geschwätzige Handwerker oder aus dem Opferumfeld war?

Dazu Andreas Dickel:

Es gibt viele sehr individuelle Abläufe, die zu einer Straftat beitragen. Ich erinnere noch gut aus meiner Krefelder Zeit, als eine Putzfrau der Bank die Hinweise gab, die dann zwei Brüder zu einem Raubüberfall mit Geiselnahme und 160.000 Beute veranlasste. Das lässt sich aber nicht in eine Regelwerk kleiden. Es gibt Menschen, die sind latent straftatenbereit und dann kommt irgendein Auslöser dazu und sie verüben die Tat. Es gibt Täter, die haben ganz konkret Schulden, Nöte und handeln dann aus der akuten Not.

Volker Dau fragt:

Herr Dickel mir kommt gerade ein besonderer Fall in Erinnerung:
Vielleicht schildern Sie auch ein paar Details aus der Sylvesterschiesserei in Wattenscheid auf Bochumer oder Hochstr? Ich erinnere mich an den Fluchtmercedes mit frz. Kennzeichen und ein Haus in dem fast 30 Menschen lebten in das wohl Tatverdächtige aus dem Mercedes flüchteten? Da veranlassten Sie ja wohl eine größere Polizeiaktion die es wohl bis in den NRW-Innenausschuss schaffte?

Dazu führt Andreas Dickel aus:

Es war eine Schießerei nach 24.00 Uhr auf offener Straße, verletzte Personen mit Roma-Hintergrund. Es gab die Meldung, dass es ein italienischer Mercedes sei, in dem die Täter geflohen wären. Deshalb kontrollierten die Einsatztrupps der Direktion Gefahrenabwehr / Einsatz auch Unterkünfte von Asylbewerbern, Migranten und fanden dann einen passenden Wagen mit entsprechend noch warmem Auspuff. Deshalb wurden die beiden Gebäude umstellt und letztlich rund 48 männliche Bewohner als mögliche Täter einer Schmauchspurensicherung unterzogen. Dafür mussten diese eine Zeitlang im Polizeigewahrsam bleiben.
Wir haben damit den Tatverdächtigen – der nach der Spurensicherung, wie alle anderen auch, zuerst entlassen war – identifiziert und inzwischen auch verurteilen können.

Volker Dau denkt an den wohl jüngsten Täter in einem Kapitaldelikt und fragt:

Erinnern Sie sich an Details des Mordes in Stiepel an einer „schwarzen“ Klassenkameradin durch einen wohl erst 17 jährigen Klassenkameraden wohl aus Enttäuschung über verweigertes sexuelles Begehren? Eine ebenso scheußliche wie auch tragische Geschichte.

Andreas Dickel winkt ab:

Auch dieser Fall ist mir noch sehr präsent, aber als Jugendgerichts-Verfahren aus guten Gründen nicht öffentlich verhandelt worden, weshalb ich es dabei belassen möchte.

Volker Dau fragt zur Einbruchsbekämpfung unter Andreas Dickel und der Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier:

Mir sind Sie noch besonders aufgefallen durch die Erwähnung der extrem hohe Einbruchsdiebstahlzahlen aus Herne in 2015 auf der PK 2016. Zu dem Zeitpunkt der PK im März 2016 lief wohl schon das erfolgreiche neue Konzept für Herne zur Bekämpfung dieser Einbrecherbanden?Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier hatte ja 20.000 Arbeitsstunden Polizeikräfte zugebucht die den Etat in BO nicht belastetet haben? Sie schafften es wohl mit neuer Konzeption und Führung dieser Zusatzkräfte viele Täter auf frischer Tat zu ergreifen und die Banden aus dem Raum Herne/Bochum zu vertreiben? Sicherlich können Sie zu dem vom mir thematisierten Dingen etwas hinzufügen?

Andreas Dickel:

Wir hatten nicht nur für Herne, sondern genauso für Bochum und Witten Personal in Streifentätigkeit, für gezielte Observationen etc. eingesetzt. Der Durchbruch gelang aber mit der Ermittlungsgruppe Wohnungseinbruch, die alle alten Fälle noch mal gezielt auswertete, dabei Tatzusammenhänge ermittelte und in diesen Fällen nach DNA-Treffern suchte.
Das andere Standbein waren gezielte Observationen und Telefonüberwachungen bei erkannten Tätergruppen. Dabei klärten wir zunächst viele Fälle außerhalb, in Bremen, in Hamm, aber nach und nach auch immer mehr Fälle mit einem Schwerpunkt in Herne. Die Fallzahlen gingen von 3210 in 2015 auf inzwischen unter 1300 zurück, die Aufklärungsquote stieg.

Volker Dau:

Nun denke ich :

„Kriminalist bleibt Kriminalist“ auch im Unruhestand! Werden Sie den tollen Vortrag über Kriminalistik auch dann noch gelegentlich in Ihrem Einzugsgebiet halten. Mich haben der Inhalt und Ihr schauspielerisches Geschick bei einer Rekonstruktion tief beindruckt! Vielleicht arbeiten Sie ja auch an einem Buchprojekt?

Der leitende  Kriminaldirektor entgegnet an einem der letzten Arbeitstage abschließend:

Ja den Vortrag werde ich auch weiter halten, wenn Bedarf besteht, der Vortrag ist ja honorarfrei, ich sammele dann immer für einen guten Zwecke, z. B. auch Süderleben, das Projekt in Herten, dem ich seit 2004 engstens verbunden bin, wozu auch der einzige interreligiöse Adventsmarkt gehört, der Süder Advent. Solche Aktivitäten, ggf. auch mal wieder Kabarett, werden meine Freizeit binden, dazu natürlich die Familie, der erste Enkel und der Hund.

Das "Fragespiel" machte
Volker Dau,

freier Journalist im „Unruhestand“

Der leitende Kriminaldirektor Andreas Dickel auf der Presse-Konferenz zur Kriminalstatistik 2015 im Bochumer Polizeipräsidium. TPD-Foto:Volker Dau
Ein schön gestaltetes Abschiedsbild als Wandmalerei in Bochum. Foto: Sammlung Volker Dau / Andreas Dickel | Foto: Andreas Dickel
Bürgerreporter:in:

Volker Dau aus Bochum

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