Weihnachten aus der Sicht von Stadtpfarrer Ludwig Michale

Seit September 1995 führt Ludwig Michale (57 Jahre alt) die Gemeinde St. Martin in Wertingen, nachdem er in Mühlried bei Schrobenhausen und als Kaplan in Weilheim tätig war. Ludwig Michale stammt aus Auerbach / Horgau und entwickelte im Laufe seiner Gymnasialzeit in St. Ottilien den Gedanken, Pfarrer zu werden.
Das Studium absolvierte er in Augsburg. Ludwig Michale ist „Mit Leib und Seele Pfarrer“.

MyHeimat: Herr Pfarrer Michale, was hat Ihnen Weihnachten als Kind bedeutet?

Pfarrer Michale: Für mich als Kind war Weihnachten das Fest mit dem Christbaum - damals gab es noch Lametta, eine ganz glitzernde Sache. Das erste Geschenk, an das ich mich bewusst erinnere, war ein Schaukelpferd. Das war in den 1950er Jahren.

MyHeimat: Es hat sich doch in der Art, das Fest zu feiern viel verändert? Wie empfinden Sie Weihnachten heute?

Pfarrer Michale: Ich denke, dass man tatsächlich im geschäftlichen Bereich immer früher anfängt und Weihnachten sich schon sehr auf das Kommerzielle beschränkt. Der Advent ist ja eigentlich die Zeit der Vorbereitung auf ein großes Fest, äußerlich wie innerlich. Heute entsteht oft der Eindruck, wenn Weihnachten dann kommt, ist es eigentlich schon vorbei. Die Tage sind dann der Abschluss einer Zeit, von der man froh ist, dass sie endlich zu Ende geht. Das ist schade!

MyHeimat: Dabei sollte doch der Advent auch eine Art Fastenzeit vor dem eigentlichen Fest sein?

Pfarrer Michale: Ja, heute ist z.B. das Fest der Heiligen Katharina (Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch führten wir am 25. November). Früher hieß es: Kathrein stellt den Tanz ein. Also von diesem Tag an gab es keine besondere Lustbarkeit mehr, sondern es war eine Art Fastenzeit, in der man sich auf Weihnachten vorbereitete. Das hat einerseits äußerlich mit einer gewissen Einschränkung zu tun, und andererseits richtet man seine Gedanken auf ein besonderes Fest aus. In der Kirche wird dies durch wenig Schmuck, außer dem Adventskranz deutlich. Erst am Heiligen Abend ist der Weihnachtsbaum mit Lichtern erleuchtet.
Für uns in der Kirche ist es wichtig, dass wir bewusst auf die Tage zu gehen. Das Geschäftliche können wir wenig beeinflussen. Wir können nur raten, wem das zu viel wird, der soll eben aussteigen und sich nicht in den Konsum hinein begeben.

MyHeimat: Aber Herr Pfarrer, gibt es trotzdem Menschen, die Sie beschenken?

Pfarrer Michale: Doch, das gehört für mich schon zu diesem Fest. Aber es muss nicht etwas Großes sein. Das kann ein Brief sein. Wenn ich jemandem direkt etwas schreibe, was ich ihm immer schon sagen wollte. Oder dass ich mir ein Geschenk überlege, mit dem ich ausdrücken kann: das ist jetzt direkt von mir für dich - unabhängig von äußerem Wert. Damit kommt man näher an das, was Weihnachten ist und vom christlichen Glauben her bedeutet. Denn wir sind ja die Beschenkten von Gott, der sagt: mein Friede ist unter Euch!

MyHeimat: Wie denken Sie über Weihnachtsmärkte, die passen doch auch nicht so recht zu einer ruhigen Vorbereitungszeit?

Pfarrer Michale: Ich gehe schon hin, ob ich etwas kaufe oder nicht. Sie gehören zu unserer Zeit, und haben sicher ihren Ursprung irgendwann mal in der Kirche gehabt. Für das Einkaufen von Geschenken musste ja etwas da sein. Heutzutage hat es nur Dimensionen angenommen, die überaus groß sind. Nur an einem Weihnachtsmarkt – wobei es ja um Adventsmärkte geht, es ist ein Problem des sprachlichen Ausdrucks – sollten sich eben nicht Christkind, Nikolaus und Weihnachtsmann begegnen. Diese Verwirrung ist schlecht. Man weiß ja oft nicht mehr, wer steht für welche Bedeutung!

MyHeimat: Genau, manchmal heißt es am Nikolaustag, heute kommt der Weihnachtsmann, das stimmt eben nicht!

Pfarrer Michale: Auch die Geschenke an Nikolaus waren früher bescheidener. Man müsste den Mut aufbringen wieder dahin zu kommen. Außerdem ist er jemand, der auf Weihnachten hinweist. Er war ein Mensch, der geholfen hat und für den Nächsten da war.

MyHeimat: Welche Adventstraditionen begrüßen Sie?

Pfarrer Michale: Der Adventskalender, der jeden Tag darauf aufmerksam macht, dass Weihnachten näher rückt. Auch das Vorlesen einer Geschichte innerhalb der Familie.

MyHeimat: Gibt es auch spezielle Angebote von Seiten Ihrer Gemeinde in der Adventszeit?

Pfarrer Michale: Ja, einmal in der Woche, Dienstagabend zehn Minuten vor zehn (21 Uhr 50) werden 20-30 Minuten Gebetszeit in der Kirche, in der nur einige Kerzen brennen, angeboten. Über 30 Personen versammeln sich im Altarraum. Eine kleine Zeit der Stille, die man sich gönnen kann.

MyHeimat: Und die Kirche kann man als eine Art Heimat ansehen!

Pfarrer Michale: Ja, nicht im folkloristischen Sinne, sondern als Ort, zu dem man gehört.
Weihnachten hat auch was mit diesem Gefühl der Zugehörigkeit zu tun. Allerdings nicht nur mit dieser Ebene, Weihnachten soll uns auch daran erinnern, wie es in der Welt aussieht. Es geht ja um ein Kind an Weihnachten, und nicht alle Kinder leben an diesem Abend in Geborgenheit. Zudem soll Friede auf Erden sein, aber es gibt auch Gewalt. Es gehört dazu, sich das bewusst zu machen. Weihnachten ist auch ein Auftrag und nicht nur Erinnerung an das, was vor 2000 Jahren in Bethlehem geschah.

Bürgerreporter:in:

Marion Buk-Kluger, lic.rer.publ. aus Wertingen

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