Sally Perel – ein Jude überlebte als Hitlerjunge die NS-Zeit
„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“, Sally Perel zu Beginn seiner Lesung in der Alten Synagoge Binswangen. Mehr als vierzig Jahre brauchte er jedoch, um sich auch anderen gegenüber zu erinnern. Doch 1988 schrieb er seine Erlebnisse auf. „Ich war Hitlerjunge Salomon“ sein verfilmtes Buch erinnert und gibt die Chance über eine Zeit, auf eine andere, nicht übliche Art, nachzudenken.
Natürlich - ist man geneigt zu sagen - ist die Erinnerung an die NS-Zeit wichtig, um nie zu vergessen, welche Greueltaten begangen wurden. Filme wie „Der letzte Zug“ oder „Schindlers Liste“, Bilddokumente aus der Zeit des Dritten Reiches und Zeitzeugenberichte erschüttern, zu Recht! Und doch besteht die Gefahr, dass sie als bloße Informationen konsumiert schnell wieder in Vergessenheit geraten. Vergessen verhindert allerdings, dass aus Fehlern gelernt wird.
Sally Perel suchte lange nach einem Sinn in seinem Leben. Er war und, so sagt er, ist es noch heute: zerrissen. „Es sitzt tief, ich muss mich mein Leben lang damit auseinandersetzen.“ Der innere Kampf mit dem Hitlerjungen Jupp, der er wirklich war, „Ich habe mir nie Fragen gestellt wie, darf ich „Sieg heil“ oder „Heil Hitler“ rufen. Obwohl ich wusste, dass es ja ein Sieg über mein Volk ist. Ich musste überleben. Aber ich wusste auch, das bringt mich in ein Dilemma.“ begleitet ihn bis heute. „Der Prozess zurück vom Hitlerjungen Jupp zurück zum Juden Sally ist noch nicht beendet“, aber indem er gerade der Jugend seine Geschichte so offen erzählt, lebt er seine Devise „Böses kann nur mit Gutem besiegt werden.“ Sally Perel betont: „Die Jugend von heute ist nicht verantwortlich für die Greueltaten der Nazis, aber sie wird es sein, wenn es wieder zu solchen kommt.“ Schuld, sagt er, sei nicht vererbbar.
Allerdings wird man schuldig, wenn man Dinge geschehen lässt. „Ausschwitz kann man nicht wie Staub vom Mantel abschütteln.“
Sally Perel erzählt davon, wie er in Konflikt kam, die letzten Worte seiner Eltern zu erfüllen. Der Vater sagte ihm: „Sally vergiss nie, wer Du bist!“ Die Mutter: „Sally, Du sollst leben!“
Als er nun sein Judentum in der größten Gefahr leugnete, und dies vier Jahre tun musste, war es für ihn wohl wie eine Art Verrat am Vater, jedoch so Perel: „Alles wurde dem höchsten Wert, dem Überleben untergeordnet.“
Doch hat er wirklich sein Judentum verraten? Er wollte leben. Und ein junger Mensch will und soll leben. Den Wunsch seiner Mutter erfüllte er also. Aber vergaß er wirklich, wer er war. Sally Perel sagt: „Ich wurde zum Hilterjungen, ich hatte mich nicht nur verkleidet, ich freute mich über die Siege der Wehrmacht!“ Jedoch der natürliche Widerstand blieb in ihm, als er in Rassenkunde über die Vernichtung der Juden hörte und ihm dies als richtig eingeimpft werden sollte. „Ich glaubte nie daran, dass ich ein Satan sei!“ seine tiefe Überzeugung, die ihm blieb, trotz der Tarnung als Hitlerjunge.
So erlebt der Zuhörer mit Sally Perel einen Menschen, der beeindruckend erzählt, wie vier Jahre zu vier Ewigkeiten wurden, er aber immer daran glaubte, dass unter den Uniformen doch Menschen waren, die dies alles taten. „Wo war deren christliche Erziehung geblieben?“ so seine Frage. Und genau diese Menschen sucht er auch heute. „Ich bin nicht von Rache erfüllt…“, er will hingegen, dass Menschen ihr Schweigen brechen und offen bekennen, was sie getan und gesehen haben. Sie sollen es beschreiben, „in aller Schrecklichkeit“, damit es nie mehr passiert. Und junge Menschen sollen es aufnehmen, darüber nachdenken und es nie mehr soweit kommen lassen.
Sally Perels Geschichte kurz zusammengefasst:
1925 wurde Sally Perel im niedersächsischen Peine geboren. Als Zehnjähriger weicht er mit seiner Familie der braunen Gewalt und zieht nach Polen, in die Stadt Lodz. Nach Einmarsch der deutschen Truppen in Polen flieht er, 14 Jahre alt mit seinem Bruder nach Russland.
Die Eltern bleiben im Ghetto zurück, wo sie später umkommen (der Vater stirbt im Ghetto an Hunger und Schwäche, die Mutter wird Anfang 1944 in einem abgedichteten Lastwagen mit anderen durch Auspuffgase ermordet). Bei Beginn des Blitzkrieges gegen Russland fällt er in die Hände der deutschen Wehrmacht. Den sicheren Tod vor Augen erklärt er: „Ich bin Volksdeutscher“. So wurde aus Sally Perel der „Volksdeutsche“ Josef, Jupp genannt, Perjell. Er rettete damit sein Leben. und wurde Hitlerjunge. Auf dem Feldzug der 12. Panzerdivision nach Osten wird er als Übersetzer bei Verhören eingesetzt und vom kinderlosen Kompanie-Chef, Hauptmann von Münchow, adoptiert. Dann kommt er nach Braunschweig in die HJ-Schule, eine Art Berufsschule und Elite-Anstalt, in welcher der Führungsnachwuchs für die verschiedenen Parteiorganisationen herangebildet wurde. Frühjahr 1945: Der Krieg geht verloren, die Hitlerjugend muss ins Feld zum letzten Gefecht mit der Panzerfaust. Sally wird von den Amerikanern gefangen genommen, nach zwei Tagen wieder frei gelassen und reiht sich in den Flüchtlingsstrom ein. Er wird wieder einmal Dolmetscher, diesmal bei den Russen. Sie bieten ihm an, in eine kommunistische Parteischule einzutreten und sich dort für eine aktive Rolle im Dienste der sowjetischen Besatzungsbehörde ausbilden zu lassen. Stattdessen beschließt er 1948 nach Israel zu gehen. In der Armee unter Mosche Dayan nimmt er am Kampf um Jerusalem teil. Heute erzählt Sally Perel von seinem Leben, um die Erinnerung wach zu halten. Er ist Mitglied der israelischen Friedensbewegung.
Bürgerreporter:in:Marion Buk-Kluger, lic.rer.publ. aus Wertingen |
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