Mammut - Verfahren: Stuttgarter Kriegsverbrecher - Prozess endete am 320 (!) Tag!

OLG Stuttgart verurteilt Funktionäre der „FDLR“

Pressemeldung des OLG Stuttgart zum Urteil vom: 28.09.2015

Kurzbeschreibung:

Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute am 320. Verhandlungstag unter dem Vorsitz von Jürgen Hettich den 52-jährigen ruandischen Staatsangehörigen Dr. Ignace M. wegen Rädelsführerschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „FDLR“ in Tateinheit mit Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen zu der Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt.


Der 54-jährige ruandische Staatsangehörige Straton M. wurde wegen Rädelsführerschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „FDLR“ zu der Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.


Bei den „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), abgekürzt FDLR,

handelt es sich um eine im Mai 2000 gegründete Rebellengruppierung, deren bewaffneter Arm in den Kivu-Provinzen im Osten der Demokratischen Republik Kongo agiert.

Zu den Mitgliedern der Gruppierung zählen ganz überwiegend während des Bürgerkriegs 1994 aus ihrem Heimatland geflüchtete Hutus bzw. deren Nachkommen.

Die hierarchisch gegliederte, mit politischen Organen sowie einer schlagkräftigen Miliz ausgestattete Vereinigung begründet ihre bewaffnete Präsenz und ihr Agieren in den Kivu-Gebieten mit dem Ziel der Entmachtung der gegenwärtigen ruandischen Regierung und der Forderung nach einer Liberalisierung des politischen Systems in Ruanda sowie der Wiederherstellung der nationalen Einheit.

Während der bewaffneten Konflikte in den Jahren 2007 bis 2009 versuchte die FDLR, ihre Machtposition in den Kivu-Gebieten u.a. durch gewalttätige Übergriffe auf die kongolesische Zivilbevölkerung abzusichern.

Diese erfolgten in Form von organisierten Plünderungsaktionen bei den Zivilisten. Im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 führten die FDLR-Milizionäre darüber hinaus gezielte Vergeltungsangriffe auf kongolesische Siedlungen (Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje) durch, bei denen zahlreiche Zivilisten und Angehörige der kongolesischen Streitkräfte getötet sowie die Dörfer durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wurden.

Bei den seit 1989 bzw. 1986 in der Bundesrepublik wohnhaften Angeklagten Dr. Ignace M. und Straton M. handelt es sich um Gründungsmitglieder und die höchsten politischen Führungskräfte der FDLR,

die sich bis zu ihrer Verhaftung im November 2009 von Deutschland aus viele Jahre an maßgeblicher Stelle in der Vereinigung betätigten und wichtigen Einfluss in der Organisation ausübten.

Der in Ruanda aufgewachsene und in Deutschland nach einem Studium der Volkswirtschaft promovierte, aber wegen seiner Tätigkeit für die FDLR seit dem Jahr 2002 nicht erwerbstätige, ledige Angeklagte Dr. M. wurde im Dezember 2001 zum Präsidenten der FDLR gewählt.

Dieses Amt übte er abgesehen von einer kurzzeitigen durch einen Putschversuch im Jahr 2003 ausgelösten Unterbrechung durchgehend bis zu seiner Inhaftierung aus.

Als Präsident der FDLR war der Angeklagte die leitende Führungsperson in der Organisation sowie der höchste Repräsentant der FDLR und trat als deren Vertreter auf internationaler Ebene auf.

Gleichzeitig koordinierte er die Aktivitäten der Organisation, war in ständigem Kontakt mit der politischen und militärischen Führung in der DR Kongo und wandte sich in direkten Botschaften und Nachrichten an die Kämpfer vor Ort. Er leitete das Hauptkomitee der FDLR, das faktisch oberste politische Entscheidungsgremium der Vereinigung, als dessen Präsident und war Mitglied des Exekutivkomitees, das für die Umsetzung der politischen Entscheidungen zuständig ist. Im Rahmen dieser Funktionen initiierte und verfasste er u.a. Pressekommuniqués und Erklärungen der FDLR, mit denen Verbrechen der FDLR geleugnet oder verschleiert wurden.

Durch seine für die Organisation wahrgenommenen Aktivitäten förderte der Angeklagte in erheblicher Weise Kriegsverbrechen,

die durch die Milizionäre der FDLR im Zeitraum zwischen dem 12. April 2009 und Ende Juli 2009 in den Siedlungen Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje verübt wurden.

Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten nach § 4 VStGB als militärischer Befehlshaber für die von der FDLR begangenen Kriegsverbrechen konnte nicht festgestellt werden.

Der ebenfalls in Ruanda aufgewachsene, geschiedene und zuletzt arbeitslose Diplomingenieur Straton M. war ab Juni 2004 erster Vizepräsident der FDLR und nahm diese Funktion bis zu seiner Inhaftierung wahr. In seiner Stellung als erster Vizepräsident arbeitete er eng mit dem Mitangeklagten zusammen und war mit der Umsetzung des politischen Programms und der Überwachung der Aktivitäten der Vereinigung, die mit Diplomatie, Finanzen und Verwaltung in Zusammenhang stehen, beauftragt. Als Mitglied des Hauptkomitees der FDLR wirkte er bei dessen Entscheidungen und der Vorbereitung der Versammlungen des Gremiums mit. Darüber hinaus gehörte er dem Exekutivkomitee der FDLR an und arbeitete an der Erstellung der Pressekommuniqués sowie wichtiger Erklärungen und Schreiben der FDLR maßgeblich mit.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte der Senat insbesondere den Umstand, dass es sich bei der „FDLR“ um eine gut organisierte, schlagkräftige und aufgrund der von ihr begangenen Verbrechen um eine sehr gefährliche terroristische Vereinigung handelt.

Die unterschiedliche Höhe der verhängten Freiheitsstrafen begründete das Gericht u.a. mit der besonderen Bedeutung, die dem Angeklagten Dr. M. in der Organisation aufgrund seiner herausgehobenen Stellung und des im Vergleich zum Angeklagten M. ungleich höheren Umfangs und Gewichts der von ihm entwickelten Aktivitäten zukam, sowie der Tatsache, dass dieser gleichzeitig mehrere Straftatbestände verwirklichte.

Der Senat ordnete beim Angeklagten Dr. Ignace M. die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Im Hinblick auf die Höhe der durch das heutige Urteil verkündeten Freiheitsstrafe und die Dauer der bereits vollzogenen Untersuchungshaft wurde der Haftbefehl gegen den Angeklagten Straton M. aufgehoben.

Aktenzeichen

Oberlandesgericht Stuttgart Az. 5 - 3 StE 6/10

Generalbundesanwalt Az. 3 BJs 11/06-4

Bundesgerichtshof (Haftrichter) Az. 3 StE 6/10-4

Kommentar:

Warum fand dieses Mammut - Verfahren vor einem OLG in Deutschland und nicht dem Intern.Gerichtshof in Den Haag ?

Wie kann es sein, daß "Rebellen-Armeen" mit oder ohne Wissen deutscher Behörden / "Dienste" jahrelang von Deutschland aus befehligt wurden?

Warum hat das Verfahren eine derart lange Dauer gehabt?

Fragen die wohl unbeantwortet bleiben?

Die Stuttgarter Richter scheinen auf dem Weg ins Guiness-Buch der Rekorde zu sein?

320 Verhandlungstage , damit wurde ja sogar der legendäre Stammheimer-RAF-Prozess um 128 Tage übertroffen!

Der Rechtsgrundsatz der "Verhältnismässigkeit der Mittel" scheint hier wohl nicht mehr zu interessieren?

Auch die Blockade einer großen Strafkammer für so lange Zeit nicht nur von der Kostenseite zu betrachten deshalb darf ich die wohl Frage stellen:

Wie viele Kriminelle wurden in Stuttgart dadurch aus der U-Haft entlassen weil kein Strafkammer-Termin für sie frei war?

Aber das scheint wohl Richter nicht zu interessieren die der Meinung zu sein scheinen die Länge bürge für Sorgfalt und Qualität ?

Ich glaube das Gegenteil, denn welcher Laien-Richter erinnert sich bei der Abstimmung noch an alle wichtigen Punkte 319 Tagen emsigen Zuhörens?

Bürgerreporter:in:

Volker Dau aus Bochum

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