Ersatz für den Mittelhessen-Express - das größte Linientaxi der Welt
Wegen verschiedener Bauarbeiten im Juli und August 2020 konnte der Mittelhessen-Express (RB41) im Streckenabschnitt Marburg - Treysa zeitweise gar nicht oder nur auf einem Teil der Strecke verkehren. Busse ersetzten die meisten ausgefallenen Fahrten. Im folgenden Bericht geht es um den Zeitraum vom 15. bis 25. August, in welchem zwischen Stadtallendorf und Neustadt nur ein Gleis befahrbar war.
Das besondere an diesem Schienenersatzverkehr (SEV) war, dass er im Fahrplan als Linien-Taxi eingetragen war, aber mit großen Gelenkbussen gefahren wurde.
Änderungen Bahnverkehr
In Stadtallendorf fanden östlich des Bahnhofs Bauarbeiten an Gleis 1 statt, sodass nur eingleisiger Verkehr möglich war. Das führte zu folgenden Änderungen:
- Die Züge Richtung Kirchhain hielten in Stadtallendorf auf Gleis 3.
- Bei der Fahrt von Neustadt nach Stadtallendorf ergab sich eine Verspätung in der Größenordnung von fünf Minuten, da die Züge nicht sehr schnell fahren konnten.
- Alle Fahrten von Zügen der RB41 mit Beginn oder Ende in Treysa wurden - bis auf ein Zugpaar - auf dem Streckenabschnitt Kirchhain - Treya gestrichen.
- RB 15001 (Abfahrt in Treysa um 5:15) verkehrte wie üblich.
- RB 15020 (Ankunft in Treysa um 17:43) verkehrte nur von Montag bis Donnerstag. An diesen Wochentagen verkehrt dieser Zug mit zwei Zugteilen, von denen einer in Stadtallendorf zurückbleibt.
- Die in Stadtallendorf endenden oder beginnenden Fahrten der RB41 fanden wie üblich statt. Allerdings konnte der Zug während seines Aufenthalts in Stadtallendorf nicht auf Gleis 3 verbleiben, sondern musste auf Gleis 18 fahren.
SEV-Umlauf
Für jeden zwischen Kirchhain und Treysa ausfallenden Zug wurde ein Bus als Ersatzverkehr angeboten. Der Schienenersatzverkehr umfasste in der Regel zehn Fahrten von Treysa nach Kirchhain und elf Fahrten von Kirchhain nach Treysa. Am Samstag (15. August) gab es eine einzelne Fahrt von Kirchhain nach Treysa, und am Freitag (21.8.) verkehrte ein weiterer Bus wegen einer an diesem Tage nicht angebotenen Zugfahrt.
Die Busfahrt zwischen Kirchhain und Treysa dauerte etwa 50 Minuten. Mit zwei Bussen konnte man daher gut einen Stundentakt für den Mittelhessen-Express abdecken. Zwischen etwa 9 und 18 Uhr wurde jedoch nur ein Zweistundentakt benötigt. Es waren aber trotzdem zwei Busse nötig, da sich die Fahrten für entgegengesetzte Fahrtrichtungen zeitlich überlappen. Die Busse standen also mehr als die Hälfte der Zeit.
Morgens musste noch für eine zusätzliche RegionalBahn ein Ersatz angeboten werden. Für diese Fahrt war ein dritter Bus erforderlich.
Die Busse hatten feste Umläufe. Ein gelber Gelenkbus fuhr fünf Fahrten nach Treysa und sechs nach Kirchhain, ein weißer Gelenkbus jeweils vier Fahrten pro Richtung und einer der heimischen Busse die übrigen Fahrten.
Der gelbe Bus ist nach fünf Tagen wieder nach Hause gefahren. An dien übrigen zwei Tagen wurde er von heimischen Bussen in der üblichen Grüße ersetzt.
SEV-Fahrplan
Von den üblichen 21 Fahrten fanden 14 in zeitlicher Nähe zum RE30 und vier in zeitlicher Nähe zum RE98 statt. Die übrigen drei Fahrten gehörten zu Zügen, die eine ungewöhnliche Lage im Fahrplan haben.
In Kirchhain war eine Umsteigezeit von etwa zehn Minuten zwischen Mittelhessen-Express und Bus vorgesehen.
Bei 18 von 21 Fahrten war damit die Abfahrt beziehungsweise Ankunft in Kirchhain laut Plan nahezu zeitgleich mit dem RE30 oder RE98. Da der RegionalExpress nur etwa die halbe Fahrtzeit benötigt - bei der Strecke Kirchhain - Treysa wird ungefähr eine halbe Stunde eingespart - ergaben Verbindungensabfragen ab/von/über Kirchhain meist keine Busverbindung. Nur Reisende von und nach Wiera waren meist auf den Bus angewiesen, da der RE30 dort nicht hält.
Bei der Pflege der Daten in der Fahrplanauskunft wurden zwei Fehler gemacht:
- Der Schienenersatzverkehr wurde in der Kategorie "Busse" eingetragen. Üblicherweise wird "Nahverkehr" ausgewählt, damit der SEV auch dann erscheint, wenn der Benutzer beispielsweise die Abfahrtstafel vom Bahnhof ohne die Anzeige lokaler Buslinien abfragt.
- Der um 18:30 Uhr in Kirchhain abfahrende Bus wurde nur für den 21.8. eingetragen, obwohl er wie die meisten Fahrten an allen Tagen außer an Wochenenden fuhr.
Auch das verringerte die Möglichkeit, den Ersatzverkehr in der Fahrplanaukunft zu finden.
Es sei noch erwähnt, dass es auch für einen Zug des RE 30 (RE 4168) Ersatzverkehr ab Kirchhain mit Abfahrt 0:52 Uhr gab. Dieser war in der Fahrplanaukunft als Nahverkehr eingetragen - außer für den 24. August, wo Fahrtende in Wabern statt Treysa war. An diesem Tage war wie für den RB41-Ersatz ein Linien-Taxi unter "Busse" eingetragen.
Haltestellen
Im Baustellenfahrplan fanden sich folgende Angaben zu den Haltestellen:
Kirchhain Bahnhof Bussteig 7
Stadtallendorf Busbahnhof Bussteig 1
Neustadt Bahnhof
Schwalmstadt-Wiera Raiffeisen
Treysa Bahnhof
In Kirchhain war die Abfahrt am letzten Bussteig geplant. Die Busse hielten aber in den vom Bahnhof aus näher gelegenen Bussteigen 1 und 2.
Vom vorherigen Betreiber wurde übrigens Bussteig 7 genutzt, und während der Streckensperrung Kirchhain - Marburg hielten die Busse seitlich an den Parkplätzen.
In Stadtallendorf passte die Angabe zur Halteposition - zumal dort der Schienenersatzverkehr auch auf dem Haltestellenschild angegeben ist.
Früher gab es übrigens auch mal Ersatzverkehre ab Bahnhofsvorplatz.
In Neustadt haben die Busse nicht am Bahnhof gehalten, sondern in der Straße "Im Hattenrod". Auf dem am Bahnhof hängenden Fahrplan war aufgedruckt "An- und Abfahrt Ersatzhaltestelle Hattenrod", aber in der Fahrplantabelle war angegeben "Hst.Bahnhof-Bahnhofsvorplatz". Möglicherweise wurde die Ersatzhaltestelle gewählt, weil der Bus nicht über die Zufahrt aus der Straße "Im Hattenrod" zum Bahnhof fahren konnte. Diese an den Gleisen verlaufende Strecke war durch Bauarbeiter belegt, die beispielsweise alten Bahnschotter auf LKW verluden.
In Wiera gibt es nur eine offizielle Bushaltestelle (Raiffeisen). Die Fahrpläne für den SEV fanden sich dort und an der B454 bei den Zugängen zum Bahnhof.
Die Bushaltestelle ist ungünstig gelegen, da der Bus von der B454 abfahren und eine kleine Runde durch die Siedlung drehen muss. Bei einem Besuch in Wiera sind die Schienenersatzverkehre auf der B454 vorbeigefahren. Auch die einige Minuten vorher gesichteten Ferrero-Werksverkehre haben die Haltestelle nicht angefahren, sondern die Fahrgäste vor oder hinter der Zufahrtsstraße aussteigen lassen.
In Treysa gibt es Bushaltestellen direkt vor dem Bahnhofsgebäude, welche vom Schienenersatzverkehr genutzt wurden.
Dem Zusteiger in Neustadt oder Wiera konnte es also leicht passieren, dass er an der falschen Stelle stand und dadurch den Bus verpasst hat.
Kapazität
Für die benötigte Kapazität des Schienenersatzverkehres sind zwei Fälle zu unterscheiden:
(1) Totalausfall des Schienenverkehrs zwischen Kirchhain und Treysa
In diesem Falle muss man die übliche Zahl der Fahrgäste im Mittelhessen-Express auf diesem Streckenabschnitt transportieren können. Bei den am stärksten nachgefragten Fahrten könnte ein Gelenkbus nötig sein, während meist ein einfacher Bus ausreicht.
(2) Ausfall RB 41, Verkehr von RE 30 und RE 98 nach Regelfahrplan
In diesem Falle werden die Mehrzahl der Reisenden auf den RE ausweichen. Für den tatsächlichen Bedarf hätte also ein Kleinbus gereicht.
Beim Schienenersatzverkehr hatten wir Fall 2, aber die Busse wurden für Fall 1 bestellt. Das führte dazu, dass diese meist leer oder nur mit einzelnen Fahrgästen unterwegs waren.
Das in der Fahrplanauskunft eingetragene Linientaxi (Kleinbus) hätte also besser zum tatsächlichen Bedarf gepasst als der bestellte Busverkehr - zumal auch die fehlerhaften Angaben im Fahrplan und zu den Bushaltestellen die Zahl der möglichen Fahrgäste verringert haben.
Alternativen
Den Busverkehr hätte man fast komplett durch einen Zusatzhalt vom RE 30 in Wiera einsparen können. Damit wäre ein Busverkehr nur noch für einzelne Fahrzen nötig gewesen.
Außerdem gab es wahrscheinlich keine Notwendigkeit, die RegionalBahnen in Kirchhain enden zu lassen - man hätte alle Züge bis Stadtallendorf fahren lassen können. Dazu hätte man die auf Gleis 3 eingefahrenen Züge der RB 41 statt auf Gleis 18 auf Gleis 1 umsetzen müssen, von wo aus sie hätten abfahren können. Gleis 1 wurde zwar auch zum Aufgleisen der Bagger oder zum Umladen von Material genutzt, aber nur auf der östlichen Seite des Bahnhofs.
Fazit
Mal wieder hat es die Deutsche Bahn nicht geschafft, den Verkehr während der Bauarbeiten ordentlich zu planen. In diesem Falle ging es allerdings weniger zu Lasten der Reisenden als der Umwelt. Zwei Gelenkbusse sind die Strecke von Lingen nach Kirchhain und zurück gefahren, um dort für mehrere Tage Luft zwischen Kirchhain und Treysa hin- und herzufahren. Allerdings ist das nicht immer so - im Jahr 2018 gab es hingegen Tumulte in Butzbach, weil nicht ausreichend Busse für den Schienenersatzverkehr vorhanden waren. Hier hatte man ausgerechnet die Züge mit der größten Kapazität gestrichen und einen Fahrplan konstruiert, bei dem der Ersatzverkehr für den RegionalExpress von der nachfolgenden RegionalBahn überholt wurde.
Wie bei allen Baustellen in letzter Zeit waren die Fahrplaninformationen nicht korrekt gepflegt. Zum Glück betraf es in diesem Falle nur den kaum genutzten Schienenersatzverkehr. Dank falsch angegebenen Haltestellen hätte mancher Reisende seinen Bus nur in einigem Abstand vorbeifahren gesehen. Auch der in der Fahrplanauskunft nur einem einem von sieben Verkehrstagen eingetragene Bus mag manchen zum Verzicht auf dieses Verkehrsmittel veranlasst haben.
Links
Baustellenverkehr 2018: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?1...
Verkehr während der Bauarbeiten: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/ver...
Gleisbauarbeiten ab 22.8.: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/bau...
Gleisbauarbeiten ab 15.8.: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/bau...
Gleisbauarbeiten ab 8.8.: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/imp...
Gleisbauarbeiten ab 1.8.: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/gle...
Bürgerreporter:in:Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf |
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