Quempas-Singen in Stadtallendorf
Zum 28. Male fanden die Stadtallendorfer Adventskonzerte statt. Ein fester Bestandteil ist das Quempassingen kurz vor Weihnachten.
Das Quempassingen findet üblicherweise am Abend des vierten Advents statt. Einige Ausnahmen von dieser Regel waren jedoch unvermeidbar: In etwa jedem siebten Jahre fällt der vierte Advent mit Heiligabend zusammen, und dieser Tag ist bekanntlich anders belegt. In diesen ungünstigen Fällen wurde das Quempassingen dann auf den Samstag oder den dritten Advent verschoben.
Diese kirchenmusikalischen Veranstaltung wird von einer Vielzahl von Stadtallendorfer Chören und Instrumentalmusiker gestaltet. Aber auch die Besucher können sich beteiligen: Einerseits durch das Mitsingen bei einigen Liedern, andererseits durch das Mitbringen von Kerzen. Am Anfang zünden Kinder ihre Kerzen am Adventskranz an und geben das Feuer an die Gäste weiter, welche an den Rändern der Bänke sitzen. Von dort wird es dann innerhalb der Bänke weitergereicht - Feuerzeug und Streichhölzer werden also nicht benötigt.
In der nun abgedunkelten Kirche können die verschiedenen Chöre und Musiker der Reihe nach die Besucher durch ihre musikalischen Darbietungen erfreuen. Zwischen den Auftritten darf der Organist zur Begleitung eines Gemeindelieds auf die Tasten drücken, und besinnliche Worte von einem katholischen und evangelischen Pfarrer gehören auch zum festen Programm.
Höhepunkt des Abends ist das gemeinsame Singen des Quempas. Quempas ist eine Abkürzung von dem Name des Liedes, welches gesungen wird: In lateinischer Sprache heißt es "Quem pastores laudavere". In Stadtallendorf wird jedoch die deutsche Version gesungen, welche "Den die Hirten lobeten sehre" lautet. Dabei singen die verschiedenen Chöre einzelne Teile des Liedes. Die Chöre sind außerdem an unterschiedlichen Stellen im Kirchenraum aufgestellt, so dass der Gesang aus wechselnden Richtungen kommt - beispielsweise haben der Kirchenchor St. Michael und der Männergesangverein 1891 (welcher von einer Frau dirigiert wurde) von der Empore gesungen. Die Gemeinde singt den Zwischenvers "Gottes Sohn ist Mensch geborn, hat versöhnt des Vaters Zorn" unter Begleitung durch die Kirchenorgel. Durch die unterschiedlichen Klangfarben und räumlichen Anordnungen der Musiker ergibt sich ein beeindruckendes Klangerlebnis, welches den Zuhörer tief in seinem Innersten berührt.
Wer schon länger zum Quempassingen kommt, kann sich vielleicht noch an die Mädchen erinnern, die beim Quempas ihren Teil gesungen haben und von Jahr zu Jahr älter wurden, bis dann mit dem Kinderchor St. Michael wieder für jungen Nachwuchs gesorgt wurde.
Der Quempas ist übrigens über 400 Jahre alt. Die Melodie stammt von dem schlesischen Pfarrer Valentin Triller und der lateinische Text von Matthäus Ludecus. Die Melodie findet sich auch in dem Kirchenlied "Kommt und laßt uns Christus ehren" von Paul Gerhardt wieder, wobei Paul Gerhardt ebenfalls die bekannten Lieder "Ich steh an deiner Krippen hier", "Wie soll ich dich empfangen", "Nun danket all und bringet Ehr" und "Die güldne Sonne" textete. Ebenfalls verwendet wurde die Melodie von Heinrich von Herzogenberg, der sie in sein Weihnachtsoratorium "Die Geburt Christi" integrierte. In dieser Fassung war sie schon zweimal in der Stadtallendorfer Stadtkirche zu hören, als dort Herzogenbergs Weihnachtsoratorium zunächst teilweise und später komplett aufgeführt wurde.
Mit dem Quempas nähert sich das Konzert stark seinem Ende. Auf dem Programm steht noch das gemeinsame Beten des Vaterunsers. Hans Christian Malzahn hatte in 2009 aber noch ein weiteres klangvolles Stück organisiert: Der Kanon "Magnificat", welchen Besucher der aize-Andachten sehr gute kennen sollten, wurde zweistimmig gesungen. Mit der großen Anzahl von Sängern und der Instrumentalbegleitung ergab sich eine gewaltige Klangfülle, welche sich beim Singen in kleiner Runde kaum erahnen lässt. Für dieses Stück sammelten sich alle Chöre beim Altar - auch die zwei, die vorher von der Empore gesungen hatten.
Schon viele Jahre sorgt das Quempassingen für eine gefüllte Stadtkirche. Wer genauer hinschaut, entdeckt jedoch, dass in den Reihen noch einzelne Plätze auf weitere Besucher warten. Wer keine Abneigung gegen Chor- und Kirchenmusik hat, sollte sich das nächste Quempassingen nicht entgehen lassen. Auf ein Risiko muss aber hingewiesen werden: Wer einmal da war, kann den Zwang verspüren, auch in den folgenden Jahren wieder zu dieser beliebten Veranstaltung zu kommen. Mit dieser in der näheren Umgebung einmaligen Veranstaltung hat Kantor Hans Christian Malzahn einen Stein ins Rollen gebracht, der auch nach dem Ende seiner Amtszeit nicht aufzuhalten ist - ähnlich wie die Kirchhainer Adventsmusik ihren verstorbenen Initiator Pfarrer Martin Rüppel schon einige Jahre überlebt hat.
Von Quempassingen am 20.12. haben übrigens Alfons Wieber und Karl Weitzel verschiedene Fotos mit professioneller Technik gemacht. Beide Fotografen haben Nahaufnahmen und während des "Magnificat" auch Bilder von der Empore gemacht. Alfons Wieber hat einige Bilder für seinen Artikel in der MNZ vom 22. Dezember gemacht, während Dorfchronist Karl Weitzel nahezu alle Auftritte abgelichtet hat. Außerdem gibt es in der OP vom 22.12. einen Bericht von Kai Erdel.
Bürgerreporter:in:Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.