Entwidmung der Herrenwaldkirche - Teil 2
Vor dem Abschiedsgottesdienst fand um 18 Uhr ein Empfang statt, bei dem es neben Musik von Robert und Marie Biletic Abschiedsreden zu hören gab.
Schon vor dem offiziellen Beginn um 18 Uhr hatten sich zahlreiche Gäste in der Kirche eingefunden, die auf den Bänken saßen oder drumherum standen. Gegen 18:12 Uhr begrüßte Pfarrerin Stefanie Busch die Gäste. Danach trat Erna Krüger vor den Altar. Sie hatte im August ein Gedicht zur Herrenwaldkirche geschrieben, das sie bereits beim Erntedankfest vorgetragen hatte. Die alte Dame brauchte für ihren Votrag etwas Unterstützung, da sie nicht mehr ganz so standsicher war. Außerdem reichte die Beleuchtung in der Herrenwaldkirche nicht aus, dass sie ihren Text lesen konnte. Eine Gemeindemitglied mit Taschlampe sorgte für ausreichende Helligkeit auf dem Blatt, von dem sie das Gedicht las.
Unsere Herrenwaldkirche
Vor fast 50 Jahren wurde sie hoch und heilig eingeweiht,
das war für uns Christen hier eine große Freud'.
Pfarrer Bauer sprach erste rührende Worte
für den Neubau an diesem Orte.
Der Klang der Glocken lud zum Gottesdienst ein,
zu einem besinnlichen, sonntäglichen Beisammensein.
Viele Pfarrer predigten schon an dem Altar,
waren mit der Gemeinde eng verbunden sogar.
Pfarrer Lauer hat wohl die längste Zeit,
die Kirche und Gemeinde seelsorgerisch betreut.
Bei Veranstaltungen mit Singen, Spiel, Kuchen und Kaffee
sorgten immer die fleißigen Hände unserer "Feen".
Von der Kirche geht's direkt in die Gemeinderäume rein bzw. raus,
das ist grad so wie in einem Familienhaus.
Freude, Ärger und Trauer kennt man hier,
Frau Busch brachte Frieden und einiges mehr.
Für Sauberkeit und Blumenschmuck
danken wir dem Ehepaar Kroll - ganz doll.
Nun ziehen über dem Gebäudekomplex dunkle Wolken auf,
es ist kaum zu glauben, oh, Gott, welch ein Verlauf!
Dann strahlt die Sonne nicht mehr durch die bunten Scheiben,
keiner faltet die Hände zum Vater unser, wir dürfen nicht bleiben.
So mancher wird trauern dieser Kirche nach,
es war warmherzig unter ihrem Dach.
Doch wenn das Finanzielle reicht nicht mehr aus,
gibt es kein Erbarmen mit diesem Gotteshaus.
Der Bau entstand, wo Menschen ein neues Zuhause fanden,
davor einstmals im Herrenwald viele Bäume standen.
Das Aufgeben der Kirche ist ein Stück Zeitgeschehen,
im Außen verlöscht es, im Innern bleibt es bestehen.
So nehmen wir Abschied, der sehr schwer fällt.
Danke alle Beteiligten, die hier im Dienste der Kirche wirken und wirkten.
Gedenken wir auch der schon Verstorbenen.
Nach Erna Krüger wurde das Lied "Weihnachten" von Marie und Robert Biletic gespielt. Es handelt sich übrigens um eine Eigenkomposition von Marie Biletic.
Anschließend hielt Dekan Hermann Köhler eine Ansprache, wobei noch zu erwähnen sei, dass auch die früheren Dekane Rainer Staege und Hanns Baumeister zum Empfang gekommen waren. "Ein Kirchengebäude zu entwidmen, heißt nicht, Kirche aufzugeben." war die Hauptaussage seiner Ansprache. Er blickte in die Vergangenheit zurück, in der viele Wohngebiete entstanden und neue Gemeinden gegründet wurden. In Stadtallendorf entstand die Herrenwaldkirche, die viele Menschen durch ihr Leben begleitet hat. Darum ist der letzte Gottesdienst ein trauriger Anlass. Nicht leicht waren auch die Diskussionen und Entscheidungen, die der Schließung vorausgingen. Durch die Schließung soll nicht die Botschaft an die Welt gesendet werden, dass Kirche am Schrumpfen ist, sondern dass man verantwortungsvoll mit den vorhandenen Mitteln umgeht.
Dekan Hermann Köhler stellte eine Verbindung vom Weihnachtsfest zur Entwidmung der Herrenwaldkirche her, indem er vom Stall erzählte, in dem Jesus geboren wurde. Dieser wurde durch die Geburt Jesu zu einem besonderen Ort und zum Urbild aller Kirchen, fiel aber mit dem Auszug von Maria und Josef wieder in seine Bedeutungslosigkeit zurück und wurde damit entwidmet. Aber die Geschichte von der Geburt im Stall und damit die Botschaft von der Liebe Gottes ziehen weiter um die ganze Welt. So soll auch die Kirche weiter Gemeinschaft und die Liebe Gottes vermitteln, auch wenn ihre Gebäude nicht auf ewig bestehen.
Kantorin Soonyoun Yoo und Gereon Muckelmann spielten das Weihnachtslied "The first Noel" auf Orgel und Saxophon, welches sie schon am zweiten Weihnachtsfeiertag gespielt hatten.
Andrea Franke war als Vertreterin der katholischen Kirche gekommen. Sie war mit der Herrenwaldkirche in besonderer Weise verbunden, da sie schon oft zu Jugend- oder ökumenischen Gottesdiensten in die Herrenwaldkirche gekommen ist. Dabei hatte sie besonders die Offenheit und Warmherigkeit, mit der sie in dieser Kirche empfangen wurde, geschätzt. Ein Ort, der viele Möglichkeiten bot: "Hier war immer erst mal alles möglich. Hier war nichts kompliziert. Hier konnte man mit allen Ideen kommen, und dann haben wir es ausprobiert." Selbst als Teil der katholischen Gemeinde hatte sie immer das Gefühl dazuzugehören und keine Angst davor, bei für sie ungewohnten Gottesdienstbräuchen aufzufallen.
Auch Andrea Franke hat Angst davor, dass ihre Heimatkirche geschlossen wird, da ihre Gemeinde die kleinste der katholischen Kirchengemeinden ist. Sie wünschte den Kirchenbesuchern das Vertrauen, dass durch die Schließung der Herrenwaldkirche nicht ihre Gemeinde geschlossen sei.
"Ich sehe nach vorne - alles wird besser!" Das sang Marie Biletic in einem weiteren Lied. Der optimistische Liedtext passte nicht wirklich zur Situation der Herrenwaldgemeinde, ebenso wie das Lächeln der Pfarrerin bei der folgenden Ansage, bei der sie einen Autobesitzer darauf hinwies, dass er den Parkplatz vor der Kirche räumen müsste, da der Platz für ihr Auto beim Auszug aus dem Gottesdienst benötigt wird.
Bürgermeister Christian Somogyi sagte am Anfang seiner Ansprache, dass heute nach zum letzten Mal die Glocken läuten werden und daran erinnern, dass hier für 50 Jahre eine Kirche war. Ohne es zu wissen, hatte er mit diesem Satz die Geschichte der Herrenwaldkirche verändert: Eigentlich war geplant gewesen, das Geläut nach dem Gottesdienst abzustellen. So aber durfte die Glockenautomatik noch einmal für einen lautstarken Übergang ins neue Jahr sorgen.
Der katholische Bürgermeister verwies auf die traurige Stimmung, die er nicht nur am heutigen Tage, sondern auch schon bei der Christvesper am Heiligabend miterlebt hatte. Er dachte an die Leute, für die die Herrenwaldkirche eine wichtige Anlaufstelle und "ihre" Kirche war: "Das Gebäude der Herrenwaldkirche wird nicht einfach ersetzbar sein. Für Gemeindemitglieder, die in dieser Kirche getauft, konfirmiert und getraut wurden, für Gemeindemitglieder, die das Leben der ehemaligen Herrenwaldkirche aktiv aufgebaut und gestaltet haben, wird ein Stück ihrer Integrität entwidmet." Er wünschte sich von den Betroffenen, die getroffene Entscheidung zu akzeptieren und darauf hinzuwirken, dass beide Gemeinden aufeinander zu gehen.
Am Ende des Empfangs verlas Erna Krüger noch gute Wünsche fürs neue Jahr, die sie zusammen mit einer weiterin Autorin in Versform erstellt hatte. Als sie das Gedicht vorgetragen hatte, wurde auch schon zum Gottesdienst geläutet.
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Artikel zur Herrenwaldkirche
Bilder von Sören-Helge und Leif-Erik Zaschke und Simone Schmitt
Bürgerreporter:in:Sören-Helge Zaschke aus Stadtallendorf |
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