Die Entstehungsgeschichte von Einruhr (von Klaus Wilhelm von Ameln)

Bild 1
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Will man das Dunkel um die Entstehung des Ortes Einuhr und dessen Benennung erhellen, muss man zunächst die vorhandenen Quellen heranziehen.

Wo sind die Quellen zu finden?
- in schriftlichen Überlieferungen
- in antiken Landkarten
- in Reisebeschreibungen (Itinerarien)
- in Flur- und Orts-, aber auch Nachnamen
- in mündlichen Überlieferungen
- in Mythen, Sagen und Märchen
- in archäologischen Funden

All diese Quellen sind von Menschenhand geschaffen und daher fehlerhaft (gewollt oder ungewollt). Sie bedürfen der Interpretation, um sie zum Reden zu bringen. Aber genau dabei entstehen durch den Betrachter Fehlinterpretationen, weil er das große Spektrum der Geschichte immer nur von seinem Blickwinkel aus betrachtet. Fast unmöglich mag da das Anliegen dieser Studie klingen: nachzuweisen oder doch wahrscheinlich zu machen, dass OVERSNINC der Vorgängername für Einruhr war.

Bild 1; Rura in Ripuarien

In Regesta Imperii (Bild 1), Abteilung: II. Sächsisches Haus 919-1024, Band: II, 1 Heinrich I. und Otto I. 919-973, hg. v. Ottenthal. 1893 ist im Regestentext des Regest 7b zu lesen, dass:
Heinrich I., 923 ..., super fluvmen Ruram (in pagum Ribuarium) Zusammenkunft mit König Robert ubi se invicem paverunt et pacta amicitia datisque ab alterutro muneribus discesserunt,
(Flodoardi Ann.) 923 M. G. SS. 3,371 als erste Nachricht dieses Jahres;
Rura vermutlich Roer, Seitenfluss der Maas, vgl. Waitz Heinrich I. 3 69,
dann Zusammenkunftsort vielleicht Jülich, wie Leutsch Markgraf Gero p. 3 wahrscheinlich machte (Bild 2);

Bild 2; Markgraf Gero 1828

oder ist die Ruhr, so Michael, „Formen des unmittelbaren Verkehrs“ 21,
der Wortlaut reicht zu sicherer Entscheidung nicht aus.
- Damit war das Bonner bündniss gelöst; ein teil der Lothringer (Giselbert stand schon auf seite Roberts s. no 7a) stellte daher hier dem König Robert Geisseln der Treue (Flodoardi Ann.)

Flodoard, Annales, ad a.923, S.371: „Rotbertus in regnum Lothariense proficiscitur, locuturus cum Heinrico, qui venit ei obviam in pagum Ribuarium super fluvium Ruram; ubi se invicem paverunt, et pacta amicitia, datisque ab alterutro muneribus, discesserunt.“

Flodoardi Annales: Seite 12; 2. Le pagus Ribuarius correspondait à la vallée du Rhin. à la hauteur de Bonn et de Cologne, et s`étendait, à l`Quest, jusqu`an delà du cours moyen de la Roer, comprenant notamment, en Lorraine, les régions appelées plus tard pagi Bunneiisis, Coloniensis, Jülichgowe, Zülpichwgoe et une parlie de l`EifeI, voy. Sprüner-Menke, Hist. Handatlas, carte n° 32: Deutschland's Gaue,

Ort: super fluv. Ruram => bei dem/am Fluss Rur (vielleicht am Oberlauf des Flusses Rur?)
Form 'super': (Adverb) darüber, oben
(Präposition mit Ablativ: "Wo?") über, oben auf, bei
(mit Akkusativ: "Wohin?") vorbei an

Erwähnt wird der Fluss „Rur“, an dem das heutige Einruhr liegt, in diesem Dokument, sowie in alten Landkarten und Itinerarien (Reisebeschreibungen). Ein mittelalterlicher Ort an der Stelle Einruhrs ist bei meinen Recherchen in den vielen Landkarten aber nicht gefunden worden, kann aber – wie folgt – nicht ausgeschlossen werden.

Bild 3

Am Anfang von Einruhr scheint der Name des Flusses Rur (Bild Nr. 3) zu stehen. Er enspringt in Surbrodt (Belgien, Hohes Venn, Höhe 685 m), fließt danach durch Deutschland und endet nach 135 km in Roermond (Niederland, Höhe 26 m) in die Maas. Ein der germanischen Flussgöttin Rura geweihter Altarstein (Bild Nr. 5), der im Stadtgebiet von Roermond gefunden wurde, stammt aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Ob nun der Name des Flusses von der Göttin Rura auf den Fluss überging oder die Göttin ihren Namen vom Fluss, den sie beschützte, bekam, ist momentan nicht zu belegen. In alten Landkarten wird die Rur als Rura/Rure/Reru/Roru flu. (Bild Nr. 4) und dann Rure, Ruere, Rur, Ruir, Rhur, Ruhr, Roer, Ruich, Rucht benannt – um nur einige von den vielen Namen für diesen Fluss zu nennen. Ein anderes Beispiel für die Ableitung des Ortsnamen von der Rur ist Rohren (früher Rucht, sowie auch zeitweilig die obere Rur hieß), auch wenn eine andere Meinung sagt: Rohren käme von roden/rath.

Bild 4

1963 wurden bei Arbeiten in der Nähe von Roermond (Niederlande) Teile eines Altars ausgegraben, sowie Fragmente eines kleinen Gebäudes, die auf einen Tempel hinweisen könnten. Das Altarfragment ist an der Oberseite geschmückt mit einem Kissen und mit Obst (Äpfel und Birnen). An den Seiten sind schöne gedrehte Pflanzen mit Blumen angebracht und die Inschrift an der Vorderseite lautet: „SEX OPSIL GEMINUS RURAE V S L M“ vervollständigt „SEXTUS OPSILIUS GEMINUS RURAE VOTUM SOLVIT LIBENS MERITO“ übersetzt "Sextus Opsilius hat sein Gelübde an Rura gerne und mit gutem Grund eingelöst". Anrufung: Rura, Flussgöttin, Herrin des strömenden Gewässers, Beschützerin gegen Überflutung, die uns in deinem Fluss zulässt! Die Götterwelt zu dieser Zeit war vielfältig und hatte römische und einheimische Götter. Unter den Namen mit geografischen Begriffen gab es in der Provinz vor allem Rhenus (den Rhein) und Rura (die Rur). Dazu kamen noch Abnoba bzw. Arduinna (die Göttinnen des Schwarzwaldes und der Ardennen).

Ein Lied über die Rura

Rura, Rura, Rura,
über die Brücke der Rura
ziehen wir in die Schlacht,
kämpfen wir für die Freiheit
gegen römische Macht.

Feindliche Legionen
nähern sich unserem Land.
Wir werden uns nicht ergeben,
das wäre große Schand´.

Und deshalb und deshalb und deshalb...

Rura, Rura, Rura,
über die Brücke der Rura
ziehen wir in die Schlacht,
kämpfen wir für die Freiheit
gegen römische Macht.

Der Feind ist übermächtig,
uns allen droht der Tod.
Wir müssen kämpfend weichen,
doch Rura hilft in der Not.

Und deshalb und deshalb und deshalb...

Rura, Rura, Rura,
über die Brücke der Rura
zogen wir in die Schlacht,
kämpfen wir für die Freiheit
gegen römische Macht.

Die Römer, die uns folgten
über Ruras Brück´
wurden Beute des Flusses,
sie kehrten nie zurück.

Und deshalb und deshalb und deshalb...

Rura, Rura, Rura,
über die Brücke der Rura
zogen wir in die Schlacht,
kämpften wir für die Freiheit

Rura, Rura, Rura,
über die Brücke der Rura
zogen wir in die Schlacht,
kämpften wir für die Freiheit
gegen römische Macht.

(Melodie, Instrumente, Arrangement: Ragin; Text: GardenStone; Gesang: Ragin, Eira)

Dient zwar nicht dem Thema, aber sagt etwas über die Rura (Göttin) aus!

Bild 5; Altarstein für Rura aus Roermond

Dass das Gebiet, in dem das heutige Einruhr liegt, schon zur Römerzeit bewohnt war, beweisen die aufgefunden Artefakte eines Heiligtums für die Wassernymphen an der Heilsteinquelle zwischen Einruhr und Morsbach. Diese Artefakte enthielten die Inschrift: NIYMP SACRUM.. ULIUS...TOR, was interpretiert wurde mit „...die kaiserliche, den heiligen Nymphen geweihte Quelle...“. Daneben fand man noch Münzen und Keramikscherben sowie ein Uniformknopf aus römischer Zeit. Aber auch direkt in Einruhr gibt es Hinweise auf die Römer; da gibt es die „Römerstraße“ und „Auf dem Römer“, den „Rockenbaich (Rüemerbaach)“ sowie die Flurbezeichnung „Römerberg„. Dann auf dem Weg nach Jägersweiler liegt der Berg „Katzerstein“ (vielleicht erhielt der Berg seinen Namen von Raseneisenstein/Brauneisenstein, den man auch „Katz“ nennt) und direkt in der Nähe liegt in Jägersweiler die „Römisch Kuhl“, eine Eisenmine oder ein Köhlerort. Kurz vor Jägersweiler liegt im Wäldchen das in der einschlägigen Literatur beschriebene Römergrab. Die Jagdaufseher, die „Hagestolde“, könnten in Jägersweiler (Villa venatorii?) gewohnt haben.

Bild 6; so könnte der verlorengegangene komplette Gedenkstein des Heilsteins ausgesehen haben. Dies wird aber möglicherweise für alle Zeiten eine nebulöse Darstellung bleiben.

1069 wird dann der Heimbacher Wildbann von Kaiser Heinrich IV. an Erzbischof Anno II. verliehen. Es bestehen über diesen Vorgang zwei Urkunden:
1. Schenkungsurkunde von 1069 (Bild 7)

Bild 7

2. Bestätigungsurkunde von 1075; möglicherweise nach dem Tod Erzbischofs Anno II. (Bild 7a)

Im ersten Teil der Bestätigungsurkunde wird der Heimbacher Wildbann von der Quelle der Erkensrur bis zur Mündung des Heimbachs in die Rur und im zweiten Teil der Forstbann oversninc mit dem Wildbannprivileg von der Mündung der Erkensrur in die Rur bis zur Mündung der Urft in die Rur beschrieben. Es gilt noch zu klären, ob oversninc etwas gemein hat mit dem Osning/Ösning; nördlicher Teil der Ardennen. Ortsnamenendungen auf mhd. -inc (ing): Auf die erste fränkische Siedlungsphase (um 450-600 n. Chr.) deuten - neben Ortsnamen aus vorgermanischer Zeit - solche hin, die auf -ier, -heim und -ingen (Oversninc ?) enden; auf die Ausbauperiode (um 600-800 n. Chr.), gekennzeichnet durch größere Rodungen, gehen die auf -weiler (Jägersweiler), -hausen, -dorf, -bach, -berg oder -born endenden Ortsbezeichnungen zurück. –ing: -ingSuffix zur Bildung von Zugehörigkeitssubstantiven u.ä.erw. erweiterter Standardwortschatz obs. obsolet (-), mhd. -inc, ahd. -ing Stammwort. –ing Siedlungen, die nach einer berühmten Person oder einer geographischen Einheit benannt wurden. Stand Oversninc also für den Ort über die Rur sowie Überlingen?

Der südliche Teil des Wildbanns, also der Forstbann, liegt südlich der Urft (damals noch Olef genannt) bis an die Erkensrur, westlich bis an die Rur und östlich bis an die Römerstraße und wird später (1361) als das „Land Überrur“ (oeuerrure) in den Urkunden erscheinen.

Bild 7a

Dann schenkt 1145 König Konrad III. dem Kloster Steinfeld das neugerodete Walebure; der Walberhof ist später ein Teil des Landes Überrur. 1187 wurde dieser Akt im Güterverzeichnis des Klosters Steinfeld aufgeführt. Auf dem Walberhof soll einer der ältesten christlichen Altäre gestanden haben. In alten Urkunden wird der Ort als Walber im Ginster genannt. Schon 1166 gehören zu ihm vier Königshufe (-höfe) zu je 120 Morgen Land. Im Jahre 1265 bewilligte Walram, Herr von Montjoie und Jutta, seine Gemahlin, der Abtei einen jährlichen Zins von 14 kölnischen Denaren und den kleinen Zehnten und denjenigen vom bebauten Lande (de jurnabilis terre arabilis) ihres bei Walburen gelegenen Hofes. (Text siehe Seite 706 der Chronik der Diözese Trier) […]Es hat sich bei dieser Bewilligung wohl nicht um den Walberhof gehandelt, sondern um ein in der Nähe des Walberhofes „jenenk“ (d. h. wohl jenseits der Grenze des Klosters) stehendes anderes Gut. Dieser Hof könnte in Einruhr gelegen haben, denn dort heißen noch einige Flurbezeichnungen: Pfaffenauel oder An der Pfaffenheck und Auf der Pfaffenhech. Außerdem war das fruchtbarere Land im grünen Rurtal vorzufinden. Ob die noch heute als Viehweiden genutzten südlich liegenden Terrassenfelder in der damaligen Zeit von Mönchen gerodet wurden, ist gut vorstellbar, denn die steilen Hänge aus Schiefer erhitzten sich stark und waren somit ideal zum Anbau von Wein (Klosterwein) geeignet. Aufhorchen lässt uns aber die Flurbezeichnung und der heutige Straßenname „Am Hosterberg“, der auf fränkische Wurzeln verweist, denn Hostert bedeutet soviel wie „eine fränkische Hofstelle, ein Bauernhof oder eine Neusiedlerstelle“, auf dem die Franken „hausten“.

Abschrift aus dem [Mechernicher Wochenspiegel (?)]
vom Samstag, 27. und Montag, 29. Januar 1934
Verfasser: Lehrer Peter Keller, wohnhaft in Strempt bei Mechernich. Der Artikel enthält manche Ungenauigkeiten.

[…]
W a l b e r h o f
Aus der Chronik Eifeler Bauerntums

Bild 8

An der Provinzialstraße Gemünd-Aachen, unweit der alten Römerstraße, liegt hinter einer dichten Allee schattiger, uralter Buchen und Linden versteckt, der Walberhof (Bild 8). Wenig ist bisher über sein Alter und seine geschichtliche Entwicklung bekannt geworden. Wenn ich es nun unternehme, in nachstehenden Ausführungen einen, wenn auch leider oft lückenreichen Überblick über den genannten Hof und seine Geschichte zu bieten, so möchte ich doch damit einiges zur Ergänzung der in manchen Teilen noch dürftigen Heimatgeschichte beitragen. Ich habe mich deshalb in meinen Ausführungen nicht immer streng an das Thema gehalten, sondern hier und da auch Ortsgeschichte der nächsten Umgebung mit eingeflochten, die besonders erwähnenswert schien. Schwierig ist eine solche Arbeit schon deshalb, weil die meisten Akten, die über den Walberhof richtig Aufschlüsse geben könnten, verloren gegangen oder aber unzureichend sind. So sind die sämtlichen Akten des Wollseiffener Pfarrarchivs von der Zeit vor 1800 von Napoleon bei seiner Ocupation des Rheinlandes beschlagnahmt und in einem Amtshause in Olef in Verwahr gebracht worden, woselbst sie dann einem Brande zum Opfer fielen. Auch die Akten des Herzoglich Arenbergischen Archivs, die recht wichtige Angaben über den Walberhof enthalten, sind s. Zt. durch die belgische Regierung in Brüssel beschlagnahmt und bis heute noch nicht wieder frei gegeben worden. Ausgeschlossen erscheint es deshalb auch, eine genaue, zeitlich begrenzte Geschichte des Walberhofes zusammenzustellen.

Der Walberhof ist schon sehr, sehr alt. Der genaue Gründungszeitpunkt ist nicht bekannt. Doch wird in alten Urkunden, die im Besitze des ehemaligen Pfarrers Löchte von Wolseiffen waren, Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, als der Gründer des „Walbur- oder Walburn-hofes bezeichnet. Klinkhammer verlegt dagegen die Gründungszeit in die spätrömische Zeit hinein. In seinem Heimatbuch „Heimatbuch des Kreises Schleiden“ nennt er den Hof „Waleburen“, d. h. welsche Siedlung von Walen, die nach seiner Angabe Nachkommen der romanisierten Ureinwohner, nämlich der Kelten sind. Diese Angabe wird dadurch glaubhafter, dass ganz in der Nähe eine Römerstraße vorbeiführte, die von Kesternich über Einruhr, Walberhof lief, halbwegs zwischen Hehrhahn-Dreiborn die Römerstraße Köln-Reims kreuzte, und weiterlaufend über Schleiden-Sistig-Hillesheim-Manderscheid-Wittlich die Mosel bei Traben erreichte. (Siehe Veith-Bonner Jahrh. 75, S. 14/15). Dadurch war die Gegend des Walberhofes damals schon dem Verkehr erschlossen und deshalb die Gründung des Hofes umso eher möglich. Entgegen diesen ersten Gründungsangaben gibt uns Birmond in seinem Buche „Geschichte des Kreises Schleiden“ eine andere Worterklärung. Wir lesen darin: „Walberhof—Walburgishof. Derselbe hat seinen Namen von einer der heiligen Walburgis geweihten, ehemals hier vorhandenen Kapelle erhalten, welche eine der ältesten in der Umgebung war. Hier soll einer der ersten christlichen Altäre gestanden haben.“ In alten Urkunden wird der Hof als „Walber im Ginster“ neben „Conzen im Venn“, „Till im Acker“ und dem „Dirlaner Hof“ bei Füssenich genannt. Über die Entwicklung des Hofes im 10. und 11. Jahrhundert ist nirgendwo etwas aufgezeichnet. Wohl berichten auch andere Urkunden, daß auf dem Walberhofe schon sehr frühe die Kapelle „ad Sanctam Walburgam“ gestanden habe, die eine der ältesten Kirchen der Gegend gewesen sei. Nach einer Archivnotiz des Klosters Steinfeld war ehedem in der ganzen Grafschaft Schleiden keine Kirche, ausgenommen die Kapelle „Sanctae Walburgam“ bei Wolseiffen.“[…]

Oeuerrure wird wohl gleichzusetzen sein mit Overrur/Überrur (wie das Überruhr in Essen) und bedeutete soviel wie „über die Rur/jenseits der Rur“ (vom Hzgt. Limburg aus gesehen). Dieses Land Überrur hatte immer schon eine besondere Stellung – nach der Verleihung als Wildbann an das Erzbistum Köln fiehl es dem Hzgt Jülich zu, das auch noch lange (bis auf die Waldrechte) die Oberhoheit hatte; genaugenommen bis 1361, als es an Reinhard von Schönforst fiehl und danach im weiteren Verlauf in rascher Folge mehrer Eigentümer an Schleiden/Luxemburg kam.

Das Schleidener (Dreiborner?) Weisthum (1419) gibt Auskunft über den Verlauf der Grenzen vom Amt Wollseifen: „Es steht oben Drimborn ein Born genannt der Greven-Born, da stoßen vier Herrn Hochheiten zusammen, benentlich: das Amt Wolfseiffen, die Herrlichkeit Drimborn, das Amt Pronsfelt, und das Amt Monjoye, und wie aus vorberürten born der waßerlauf auslaufft die Müllenbach ab durch Moßawel, die Wüstbach ab, durch den Hirzbroich, auß dem Hirzbroich durch Orkes Ruhr, dem waßerfluß nach in die ander Ruhr, alßo Waßerley Güther auf jener seithen gelegen, und unserem gnädigen Herrn zur Schleyden schaz und zehenden geben, folgen dem schaz nach, als wan sie auf dieser seiten gelegen wären, dan die Ruhr ab dem waßerfluß nach biß an die Olef, die olef auf dem waßerfluß nach an die Leybach, davon dann den seiffen auf biß an den fuhrweg, dan den fuhrweg auf durch morsbach, nach dem Harndtseiffen, langs dem Harndtseiffen dem fuhrweg nach über die Dieffenbach. Von der dieffenbach den fuhrweg über die pöll auf durch Drimborn der straßen nach biß an den Keßelbroich, vom Keßelbroich die Viehetrifft biß nach dem Weißenstein, dan durch die felder boven den Hirzenbroichelgen über biß wider an den Greven-Born“.

Die Wasserläufe: Mühlenbach, Wüstebach, Erkensrur, Rur, Olef (Urft) und der Leybach (Laessbach) sowie die Römerstraße waren also die Grenzen des Amtes Wollseifen. Eine Ausnahme scheint es doch gegeben zu haben, nämlich die „Wasserley Güther“ links der Rur, gegenüber der Mündung der Erkensrur in die Rur, da wo heute durch die Aufstockung des Obersees die Rur überflutet ist. Warum diese Güter dem Herrn von Schleiden schatzpflichtig waren, konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Möglicherweise verlief die Grenze doch etwas anders, siehe auf alten Karten, wo der Bereich um Pleushütte noch zum Schleidenschen gehört; S. Niclaspurg (Bild 9) dagegen nicht?

Bild 9; S. Niclaspurg

Bis heute konnte der Platz, an dem etwas später der Pleushammer gestanden haben soll, noch nicht ausfindig gemacht werden. Das Hammerwerk verarbeitete das Roheisen, das aus dem in der Umgebung vorhandenen Raseneisenstein (Katz), in der Pleushütte zum Roheisen verhüttet worden war. Möglicherweise hat die Pleushütte in den Gebäuden des Gutes gestanden, das als „Wasserleys Güther“ vorkommt. Die Pleushütte, der Pleushammer und noch etwas mehr östlich gelegen die verwüstete Schleifmühle, wo noch heute im Volksmund eine Parzelle „am Schliefmöllche“ (Eigentümer Emil Cremer) heißt, sowie die Köhlerhaufen und die Erzgruben (Römisch Kuhl, Iserberch etc) waren eine gelungene Anhäufung von Betrieben der Eisenverarbeitung und sehr sinnvoll, da die Transportmittel und -wege sehr begrenzt waren. Aufgrund der - relativ kurzfristigen - Expandierung der Eisenindustrie um Einruhr herum, siedelten sich wohl mehr Menschen an diesen Ort an, die dann zum Wachsen des Ortes führten.

Die folgenden Familiennamen mir rure (oder ähnliche Schreibweise) sind Herkunftsnamen, die in diesen Zeiten zur besseren Unterscheidung dem Vornamen hinzugefügt wurden. Sie verweisen darauf, dass die Person in oeuerrure, im Land Überrur gelebt hat.

Wir hören dann wieder etwas von Einruhr in den Forstmeisterrechnungen des Amtes Monschau, wo über das Felinxswerk zu lesen ist: 1502/03 beim Empfang an Iser den Meister Felick op Ruyre; so steht es auch ganz deutlich in den nächsten Rechnungen von 1503/04. Dann 1504/05: bei „Iser“ – „van meister felinck up der roure“, so auch 1506/07; 1507/08, heißt es: „yser ungereckt (unbearbeitet?) empfangen von meyster Johann Felinck“.

Dass das Felinxswerk schon vor dem Jahre 1502 bestanden hat, kann mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden, da es ja in der ersten Forstmeisterrechnung vorkommt und früher da nicht erwähnt sein konnte. Besterkt wird diese These durch das Hammerwerk in Hammer, das ja urkundlich schon im Jahre 1463 ausgewiesen ist. Die Hütte in Pleushütte lag nach 1598 mehrmals still und wurde dann später, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von einem Einruhrer Wiedertäufer namens Noitmann als Kupferhammer betrieben, bis dieser, bei Enteignung des täuferischen Vermögens, 1694 fliehen musste.

Bild 10; das Monschauer Landsrecht

Das heutige Einruhr soll dann erstmals schriftlich erwähnt worden sein im „Rechts`-Lantz Monjouw“ von 1516 (Bild 10) als „Sent Niclaesbrugge“. Hier ein Auszug: „Anno duesent vonfhondert ind in deme seiszzienden jaire (1516)...... 5. Item in der Rockenbaich by Wolfs siffen lit ein beint, dergelichen by Velinxwerck ouch einen, wer die hait, der sal Sent Niclaesbrugge maichen......“ – der soll die Brücke instandhalten. Noch andere Brücken werden im Landrecht beschrieben: … boeven Monschauwe die Esselsbrugge sullen die Kalderherberich…, die zwae oeverste bruggen zo Monschauwen neist an der stat sullen die burger maichen… und so weiter; es wird aber immer der in der Nähe liegende Ort mitgenannt. Bei Sent Niclaesbrugge hätte man das Felinkswerk, up der roure oder Wollseifen zur näheren Beschreibung miterwähnen können – hat man aber nicht!? Bedeutet dies, dass es noch keinen Ort gab? Es kann angenommen werden, dass in dem Dokument deshalb nur die Brücke erwähnt wurde, weil sie jeder als wichtigen Rurübergang kannte und ein Ortsbezug nicht notwendig war. Denn es heißt z.B.: uff der Roeren an Sent Niclaesbrugge (1559), über der Rhur an St. Niclasbruck (1587) oder auff der Rhuiren an St Niclaisbrüggen (1597); das sind klare Hinweise darauf, dass es sich um eine Brücke in dem Ortsteil von Wolfssiffen (Wollseifen) im Land Überrur (oeverrure) handelte. Auch alte Landkarten benennen eine Sankt Nikolaus-Brücke in Einruhr oder Inruhr. Die Evulution des Namens könnte so aussehen: Oversninc (1075) > oeuerrure (1361) > uf der rueren (oder ähnlich) (1561) > uf der rouren (1579) > Dechroir (1559) > Rour (1760) > Einruhr (oder so ähnlich). Sent Niclaesbrugge wird wohl nur ein Bereich von uf der rueren etc. gewesen sein. Ein Weiteres: Strauch hieß früher „Ouerrolesbroich“ (Oberrollesbroich). Ein deutlicher Hinweis, dass „ouer“ für „Ober“ steht.

Gerhard Mürkens schreibt in seinen „Ortsnamen des Landkreises Schleiden“, dass Förstemann in seinen Ortsnamen, Bd. II, S. 646, über Einruhr anführt, schon 1075 habe Einruhr Rure als eine Siedlung an der Rur geheißen.

RURA, fin. 5. 1) Die Ruhr, nbfl. des Rheins
und gut Ruhr, Kr. Horde, ndd. de Roir;
2) die Roer, nbfl. der Maas, pg. Maso;
3) die gr. u. kl. Rulle, nbfl. des Semois und Rulles, Prov. Belg.-Luxemburg,
bei Tintigny;
4) die Einruhr, nbfl. der Roer, Kr. Montjoie.

1. Rura P. II, 420 (Vit. S. Liudgeri); V, 371 (Flodoardi ann.); Lc. I a. 796 (n. 6, 7), 799 (n. 11, 12 uaw.); MGd. I a. 947; II a. 973; Vita Bennonis ed. Breslau cap. 13 11 jh.; MGd. IV a. 1033 or.; van ther Rura Wig.
Arch. VI, 176 a. 1174. Rura Ztschr. d. Dusseldorfer Geschv. VI, 14a. 801. Rure Sb. I, 22 a. 1000; Korth p. 197 ca. a. 1075; Knipping n. 1053 a. 1176 or. Rhure Finke n. 163 a. 1197. Rurinna MGd. IV a. 1036; unecht. Rurenna Sb. I, 100 a. 1177.

2. Rura SI. n. 37 a. 847; SI. n. 84 a. 943; Geogr. Rav. Rure Publ. Limbourg III, 164 a. 858; SI. n. 38 a. 846.

3. Rura KurthI, 455 a, 1158; St. Hubert 25 a. 1066. Ruris (inter) Orval p. 4 a. 1097.

4. Rure Korth p. 196 ca. a. 1075. Vgl. Orcuntrura (11). Rur- könnte den begriff des schnellen Fließens enthalten. Vgl. Th. Lohmeyer, Beitr. (Gottingen) p. 39.

°0rcuntrura, fin. 11. Die Erkensruhr, quellarm der
linksrheinischen Roer, nbfl. der Ruhr, bei Einruhr,
Kr. Schleiden.
Orcuntrura Lc. I n. 212 a. 1069.
Orkentrure Korth ca. a. 1075. Vgl. Esser I, 77 f.

Orkynios. 'Ognvnos d^vjuog, bei Ptol. Hier auf
der wasserscheide zwischen Bo'hmen und Mahren,
wahrend der Hercynius saltus bei Tacitus,
Germ. 30: Spessart, Rhon, Vogelsberg, Habichtswald
bis Rothaargebirge umfasst. Holder unter
Erctin-io-n. Nach Zeuss ,erhebung'. Vgl. Virgunna
I, 888.

Mürkens schließt im Weiteren darauf, dass der Ortsname Einruhr entstanden sei aus der Vereinigung der beiden Flüsse: Erkensrur und Rur. Dem könnte ich mich anschließen, denn der Ort und die Sent Niclaesbrugg liegen unterhalb der Mündung der Erkensrur in die Rur, da wo die beiden Quellflüsse zu einer Rur werden – gesichert ist diese These aber nicht. Ein mögliches Vorbild könnte Gemünd gewesen sein, das seinen Namen durch die Vereinigung der beiden Flüsse Urft und Olef erhalten hat.

Im Jahre 1549 wird im Weistum, des Monschauer Landes erwähnt: „ist der Jan Pleus von Pleushammer“. Später dann nochmals als „des Johann Fellings Beindt auff der Rouren“ und ein anderes Mal „Johann Fellings benden auf der Rhorn gelegen“ eingetragen.

1550 wird Einruhr als uf der Ruyren erwähnt. Heute noch sagen die alten Dedenborner für Einruhr „op d`r Ru“ und zu Pleushütte „op d`r Hött“. „Op d`r Ru“ steht für „auf der Rur“ (oberhalb der Rur), das in der damaligen Schreibweise verschieden geschrieben wurde. Unter anderen auch „auf der Rohren“ und „auf der Rhorn“ - „auf der Rur“ (Oberrur, wie in „Oberrurische Hut“ enthalten), die wohl aus „oeuerrure“ entstanden sind. Auf der Karte (Bild 11) ist das Untergewäld (Wehrmeisterei) und das Obergewäld (Monschauer Reichswald) zu sehen; Teil dieses ist die Oberrurische Hut, die sich beiderseits der Rur ausdehnt.

Bild 11

1551 heißt Einruhr die Rar (uf der Roeren)

1559 geht aus einem Visitationsbericht von 1533-1589 (Jülich-Bergische Kirchenpolitik, S. 814) hervor, dass „...Johan Rossell uf der Ruren hat sich zu Aich bevelchen und zusamengeben lassen aber kein dimissorium mit sich bracht...“ (und auf Seite 815) steht: „...von den Kommunikanten wohnt der grösste Teil auf dem Berg, von denen der Pastor keinen Zehnten hat, sondern nur den hoichzitpennink, wilcher der zwenzichst deil niet bekomen wirt aursach, das Drimborn half, Moirsbach half, Wolsieffen und Dechroir (das „i“ steht für „e“) miteinander dem wolgeborenen graven von der Schleiden und Manderscheidt underworfen aver in die pharkirch Oleff gehorich...“. Es wurde dem Namen rure ein Dech vorangesetzt und so hieß dann der Ort Dechroir. Möglicherweise entstanden dadurch, weil an der Sankt Nikolausbrücke das Dechtum (Abgabe für die Schweinemast in den Wäldern) eingezogen wurde. Brüchten für das Raffen von Reisig in den Wäldern wurden schon längere Zeit uff der Roeren an Sent Niclaesbrugge gezahlt.

In der Rechnung des Schleidener Rentmeisters Johannes Demeradt von 1586/7 lesen wir: "Item als die Wiedertäufer zu Wollseiffen und auf der Rur (Es wird ganz klar unterschieden zwischen zwei Orten „Wollseiffen“ und „ auf der Rur“ – also ist „auf der Rur“ neben Wollseiffen ein weiterer Ort im „Lande Überrur“) etliche Mal aus meines gnädigen Herren Land zu ziehen oder aber sich christlicher Religion gemäß zu verhalten Gebot bekommen und doch darüber eins noch das andere nicht gehalten, sondern auf ihrer Meinung geblieben und gleichwohl auch im Land verharret, hat wohlgemelter mein gnädiger Herr ihnen zur Strafe abzufordern wegen des Ungehorsams befohlen 200 Taler, darauf ich empfangen am 31. Januar 118 Taler und bitten damit los zu sein."

1587 (Eremit am hohen Venn, 15. Jahrgang, Nr. 5 vom Mai 1940, Seite 69-71) wird erwähnt:

„…b) ausländische (Grafschaft Schleiden) Wrogen (1 Wrogen=46 Alber)

Die Untertanen von Drimborn (Dreiborn) und Wolfseife (Wollseifen) haben 1587 die Berechtigung zum Weidegang und zur Holzung in der Oberraurischen Hut (Hut = Walddistrikt) (beiderseits der Rur von Hammer bis Woffelsbach) erhalten. Die Berechtigung ist 1589 erneuert worden. Die Wrogen werden im Beisein der Förster festgesetzt. Die mit Pferd und Wagen zahlen 1 bis 2 ½ Wrogen, die anderen 3 orth.

Wrogen werden bezahlt über der Rhur an St. Niclasbruck, aus der Herrschaft Schleiden und aus Drimborn, sowie aus Bergscheit (Berescheid), „der Pleushammer auf der Einruhr“ und „das Bannwasser auf Nassauer Hoheit, die Einruhr genannt…“.

Über der Rur kann nur rechtsrurig sein. Warum zahlten Bürger aus dem Land Überrur auf der überrurer Seite Zölle für Holz aus dem Monschauer Land an Monschau (womöglich, weil Monschau bis 1549 im Land Überrur die hohe Gerichtsbarkeit ausübte) und wo – unter freiem Himmel oder in einem Haus (Forst- oder Wächterhaus)? Andere Abgaben, wie der Dechtum (Dechem/Dehm), wurden in dieser Zeit auch einbehalten. Pauly sagt auf Seite 68: […] Auch ist zu verstehen, dass die Ferkel von Nideggen von der Stadt zwischen Call und die Roer sollen gehen ohne „Dechtum“, welche sie in der Stadt gezogen haben oder welche sie kaufen zu ihrer Nothdurft; […] Weiter auf Seite 73: […] Item die Ferkel von Montjoie aus dem Thal sollen keinen „Dechtum“ kosten […].

1597 nennt man Einruhr auff der Rhuiren an St Niclaisbrüggen.

1649/50 liest man „...für Thomas von Morsbach, itzo Johann Fellings benden auf der Rhorn...“, „...Heinen Kirstges Erben haben den Bendt in der kleinen Orckensrhorn im Gebrauch...“, „...Peter Berscheidt gibt für eine Bende Craudenauell auf der Schleidener Rohren...“, „...Bend auf der Steinachtigen Awell an der Orckensrohren...“

Am 8. Juli 1670 verkaufte Franz Anton, Graf zur Mark und Schleiden den Walberhof mit mehreren anderen Besitzungen an Johann, Freiherrn von Harff, Herr in Dreiborn, für 10.000 Reichstaler. In dem Kaufvertrag heißt es: „unser ambt Wolseiffen, bestehend im Dorf Wolffseiffen, und auf der Ruhren (Einruhr), Walberhof und einige Häuser unden zu Morsbach sampt den underthanen, renthen, zehnden, Zinsen, Capeunen, hoeneren, Schatz, fischereyen etc.“ (Archiv von Harff).

1700; auf der Karte von Jaillot heißt Einruhr (versehentlich?) St. Niclasburg

1715; auf der Karte von Johann Baptist Homann heißt Einruhr S. Niclaspurg und liegt in „DER EYFFEL“ (nicht in „Die“). Es gehört mit Upm Demer zum Hzgt. Jülich, wogegen Wolseiffen, Upter Hutt (Pleushütte) und Rucht (Roren) etc zur Gfsch. Manderscheidt gehört.

1739; heißt Einruhr bei LBH wieder S. Niclasburg. Die Rur heißt hier bei Hermbach (Heimbach) Roer, aber bei Monioe (Monschau) Rucht – wie der Ort Rucht (Roren).
1745; heißt Einruhr auf der Karte von Mathäus Seutter (Trevirensis Archi-Episcopatus) S. Niclasbrug. Up der Hutt liegt nun auch im Hzgt. Jülich – die Rur heißt nun Ruicht.

Bild 12

Auf dieser Karte von de Wit (Bild 12) aus dem gleichen Zeitraum heißt die Rur bei Einruhr Ruich, aber weiter flussaufwärts heißt sie Rur. Klar zu erkennen sind die Brücken bei Hammer und Einruhr.

Um 1760; Einruhr heißt auf einer handgezeichneten Karte (Bild 13 de Schleyden) Rour (hängt in der KSK-Schleiden) und hat 19 Häuser; im Vergleich dazu hatte Wollseifen 26 Häuser). Da auf dieser Karte Einruhr mit „Rour“ bezeichnet wird und man in der Mundart immer noch „Ru“ spricht, könnte man vermuten, dass Einruhr vor der jetzigen Benennung eine Zeit lang „Rour“ oder so ähnlich geheißen hat und dieses „Rour“ aus einer kleinen Ursprungssiedlung mit der festen Steinbrücke hervorgegangen ist. Beides wird über einen längeren Zeitraum in Dokumenten immer zusammen erwähnt. Die Sent Niclaesbrugg über und die Furt durch die Rur sind gut zu erkennen; die beiden Wege vereinigen sich kurz darauf zum „Öcher Pad“. Die zwei Gebäude direkt an der Brücke könnten Zollhäuser gewesen sein. Ar Driet (ehemalige Viehtrift und heutige Wollseifener Straße) ist auszumachen, aber die andere, spitz daraufzulaufende Straße, muss eine diagonale, heute nicht mehr vorhandene, Wegverbindung zwischen der heutigen Römerstraße und Auf dem Römer gewesen sein. Dass man sich verzeichnet hat ist nicht anzunehmen, da an anderen Stellen präzise Wiedergaben des Geländes dargestellt sind. Die heutige B 266, bzw. der damalige Vorläuferweg, ist noch nicht zu erkennen.

Bild 13

Über die frühe Besiedlung des Einruhrer Bereiches würde eine Grabung Aufschluss bringen können, denn dieses Tal mit seinem Rurübergang war schon zu römischen Zeiten ein strategisch wichtiger Platz (Jägersweiler und die Heilsteinquelle sind nur zwei Beispiele dafür, dass sich in Einruhr auch Römer niedergelassen hatten). Da Einruhr aber andererseits von Tranchot auch Inruhr genannt wurde, besteht auch die Möglichkeit eines Schreib- oder Hörfehlers (siehe St. Niclasburg), denn bei einer Befragung eines Einruhrer Bürgers, in welchem Ort die Kartographen sich denn befänden, hätte der im Dialekt bestimmt geantwortet „en Rur“ = in Rur (siehe Rour).

Allgemein ist festzustellen, dass in vielen Landkarten weitaus kleinere Orte als Einruhr verzeichnet sind. Das legt den Schluss nahe, dass Einruhr zurzeit dieses Ortsnamens einfach zu unbedeutend war. Zurzeit des 17. und 18. Jahrhunderts erscheint Einruhr gelegentlich als S. Niclasbrugge; davor findet man keinen Eintrag.

Bild 14; Karte von Ferraris (um 1777)

Als Ferraris diese Karte (Bild 14) zeichnete, waren gerademal ein paar Jahre nach der Carte de Comté de Schleyden (um 1760; vielleicht wurde sie aber auch falsch gezeitet) vergangen und doch ist der Ort stark gewachsen.

Bild 15; Ausschnitt aus der Tranchot-Karte von 1807, indem Einruhr Inruhr genannt wird.

Niclasbruch (ist das ein Versehen, muss es nicht heißen Niclasbruck oder war dies das Bruch/Broch-Land an der Rur?) am Rurseitenarm (altes Flussbett) und die Planche über die Rur sind gut zu erkennen. Südlich der Planche sieht man den Abzweig des Mühlenbachs, an dem auch die Parzelle „Wehrweed“ lag – eine Weide neben dem Wehr, das die Eisenhütte „Pleushütte“ mit Wasser versorgte (Bild 15).

Bild 16; Ausschnitt aus der Karte (Blatt 106) von Eymar aus dem Jahre 1807/1808, in der es seltsamerweise Nicolasbruch heißt, aber wieder Einruhr.

Die Mühle (Moulin), die dort vermerkt ist, ist nicht die Mühle der Familie Cremern die später erbaut wurde und im Dorf lag; sie ist die alte Mühle, die wohl den Pleushammer mit Kraft versorgte (Bild 16).

Die Sankt Nikolausbrücke war nicht - wie anderweitig vermutet - nur ein Steg. Ein Steg zwischen Pleushütte und Einruhr wird in der Tranchot- oder Eymarkarte mit „Planche“ aber andererseits die St. Nikolausbrücke als Brücke bezeichnet. Dass die Sankt Nikolausbrücke eine feste Steinbrücke gewesen ist, geht auch daraus hervor, dass das Sandsteinrelief des Heiligen Nikolaus von 1679 (Bild 17), das sich heute im Gemäuer des Turms der Pfarrkirche (davor im Gemäuer der Kapelle) befindet in der St. Nikolausbrücke befunden haben soll.

Bild 17; Votivstein von 1679

Die Inschrift lautet: „S. NICOLAVS ORA PRO NOBIS“. (Dies bedeutet: Heiliger Nikolaus bete für uns) „Anno 1679“; ob diese Jahreszahl etwas mit der Gründung bzw. einer Erweiterung der Vorläufer-Kapelle zu tun hat, kann vermutet werden, weil der Abt Johann Luckenrath vom Kloster Steinfeld möglicherweise nicht nur die Kapelle auf dem Walberhof – die zu diesem Zeitpunkt schon in Schutt und Asche lag - observierte, sondern auf dem Weg zur Einweihung der Sankt Nikolaus-Kapelle war. Oberhalb des Reliefs befindet sich ein Medaillon mit dem Eintrag: JHS (griechische Buchstaben Jota, Eta, Sigma); was bedeutet: Jesus Hominum Salvator (Jesus, Erlöser der Menschen). Nachdem Ludwig XIV 1679 durch den Frieden von Nijmegen aufhörte unsere Heimat mit Raubzügen zu durchstreifen, könnten die Einruhrer aber auch aus Dank dafür das Sandsteinrelief gespendet haben!?

Die Brücke führte früher unterhalb der Kapelle und „Datt Kellerpözje“ (Ablauf eines Wasserreservoirs, dass heute unter dem Wasserspiegel des Sees liegt) über die Rur.

Die Übergänge über die Rur, ein Steg (Planche) für Fußgänger und die Sankt Nikolausbrücke waren schon immer von größter Wichtigkeit um auf der Heerstraße (Querverbindung von der Kupferstraße im Venn bis zur Römerstraße bei Moirsbach) trockenen Fußes über die Rur zu gelangen. Die Heerstraße (Herisstrazza) ging von der Konzener Kirche aus über das Standrechsjéaßje, die Längsefjáaß entlang, rechts am Gericht, rechts an Simmerath vorbei, über Kesternich ins Rurtal und weiter über Einruhr und Herhahn nach Gemünd. Und weil die Rurbrücke so wichtig war, wird man sich auch schon früh für die Passage einen Obolus von den Reisenden genommen haben. Selbst Brüchten für das Holzsammeln im Obergewäld des Reichswaldes hat man an der Sankt Nikolausbrücke erhoben. Da in Einruhr die Grenze war zwischen dem Schleidener und Monschauer Territorium, wird es wohl auch eine Straßenwärterstation gegeben haben; vielleicht schon in römischer Zeit, denn nach der Entfernung von Station zu Station, die strickt eingehalten wurde, hätte es in Einruhr eine geben müssen.

Neben Steg und Brücke gab es noch zwei Furten (eine bei Pleushütte und eine vom nördlichen Einruhr in Richtung Rösberg, Roesrott (Rösrath/Roessroeder, das früher zu Dedenborn gehörte), op dr Öscher Pad bereits 1369 erstmalig genannt (laut Bernd Stolleberg, Roetgen so geschrieben in Lacomblet: Urkundenbuch f. d. Geschichte des Niederrheins, Bd. III, U-Nr. 690).

Dass man natürlich dort unten im Tal an der Brücke auch:

- zusätzliche Pferdegespanne zur Bewältigung der Steigung mietete,
- eigene Pferde und Karren/Kutschen beschlagen/reparieren ließ,
- sich von der Reise (essen, baden, schlafen etc.) in einer Herberge erholte,
- Grenzposten stantionierte (der Fluss war ja auch Grenze zwischen Limburg/Monschau und Dreiborn/Schleiden),

ist doch eine Selbstverständlichkeit und darum war es normal, dass sich um die Brücke herum auch Menschen ansiedelten, dort in Häusern wohnten und in einer Kapelle beteten, denn sie waren sehr gläubig, was das Patrozinium des Sankt Nikolaus - des Heiligen auch für Überschwemmungen, Reisende und Kaufleute – für die Brücke und für die Kapelle, aussagt.

Wenn schon die Kelten und die Römer in der Nordeifel Eisen herstellten (hauptsächlich für die Waffenproduktion), dann kann man doch nicht mit Ernst glauben, dass die Nachfolgebevölkerung dies nicht fortgeführt hätte. Auch sie musste sich auf die Modernisierung des Kriegsgerätes umstellen. Da, wo produziert wurde, musste die Ware auch angeboten und verkauft werden. Lagen diese Produktions- und Verkaufsstätten aber so nah an den Verkehrswegen wie in Einruhr, dann wuchs auch zwangsläufig der Ort. Und trotzdem verwundert es, dass das heutige Einruhr, wenn es wirklich so alt ist, in seinen Anfängen bei der Benennung nicht auch in seinem Namen die Endung –rott, -broich, -dorf oder –ich erhalten hat. Eine mögliche Begründung könnte der Umstand sein, dass eben die Brücke und die Rur das Wichtigste war, was es hervorzuheben galt. Daher Oversninc, Oeuerrure, op Ruyre Sent Niclaesbrugge und später dann Dechroir und Rour!

So beschrieben Auswärtige Einruhr (Auszug aus „Der Regierungsbezirk Aachen“ ein Wegweiser..., Aachen 1850):
... Nachdem der Ruhrfluß die niedrige Halbinsel Dedenborn umspült hat, windet er sich in ähnlicher Weise um einen mächtigen linken Gebirgsstock, von welchem man eine herrliche Aussicht auf die malerischen Gefilde und das reizende Thal des Dorfes Einruhr hat. Ganz in der Tiefe zwischen Obstgärten und Wiesen versteckt, erblickt man das freundliche Dörfchen Einruhr, zu welchem die neue Landstraße von Schleiden und Gemünd in wunderlichen Serpentinen hinabführt; dahinter die terrassenartig aufsteigenden Saatfelder bis zur Höhe von Wollseifen, rechts den großen Höfer Wald, aus welchem die tosende Erkensruhr hervorbricht und links in einiger Entfernung den hohen Kermeter Forst. Die Bewohner dieses friedlichen Dorfes sind Ackerbauern und Viehzüchtler; die Fischerei ist hier ziemlich bedeutend. Wegen der vielen Kirschen, welche den Einwohnern in manchen Jahren einen ansehnlichen Gewinnst abwerfen, wird Einruhr von den Städtern im Sommer häufig besucht.

Bürgerreporter:in:

Klaus Wilhelm von Ameln aus Simmerath

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