Geschichten aus dem wüsten Jägersweiler - Schmängen und Butterdrehen

Damit es nicht verloren geht!

Da, wo keine schriftlichen Dokumente mehr vorhanden sind, müssen mündliche Überlieferungen die fehlenden Puzzles ersetzen. Diese mündlichen Überlieferungen wurden als Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei runden Orts- und Flurnamen (in alter Volkssprache), Wegverläufe sowie Reste von alten Gebäuden und Gräber (Kulturdenkmale) das geschichtliche Erscheinungsbild ab. Geschichtliche Interpretationen werden nie ein endgültiges Erscheinungsbild präsentieren können, denn die Interpretationen sind immer subjektiv und erleben durch spätere Neuentdeckungen oftmals eine gewaltige Veränderung. Wenn die vorhandenen Puzzlesteine auch noch kein scharfes Bild ergeben, sollten sie trotzdem archiviert werden, damit spätere Erkenntnisse womöglich leichter einzuordnen sind.

Die neue Serie hat sich zum Ziel gesetzt, einen breiten Kreis von geschichtlich Interessierten anzusprechen, sich zu beteiligen um vergessene Geschichte wieder mit Leben zu erfüllen. Heute geht es um:

Geschichten aus dem wüsten Jägersweiler
Schmängen und Butterdrehen
in Jägersweiler

Klaus Wilhelm von Ameln, Einruhr

Ewald Karbig aus Einruhr, ein Naturfreund und Heimatkundler, der leider am 1.11.2007 verstorben ist, gab mir folgende Information über das Schmängen und Butterdrehen in alter Zeit in Jägersweiler. In würdiger Erinnerung an ihn sollen seine Erkundigungen successive erscheinen damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

Schmängen kommt von Schmang (so sagt der Volksmund in Einruhr zum Schmant). Diese Bezeichnung wird nach Kluge seit dem 15. Jh. für (saure) Sahne verwendet.

Das Schwängen lief folgendermaßen vonstatten:
Bevor die Zentrifuge erfunden war, wurde die gewonnene Milch von Kühen, Ziegen oder Schafen in Stein- oder Tontöpfe geschüttet um darin solang zu verbleiben, bis sich die Sahne von der Milch abgesetzt hatte. Die Sahne wurde dann vorsichtig abgeschöpft und in einem Steintopf aufbewahrt um dann später - dass heißt einige Tage danach - zu Butter verarbeitet zu werden. Die zurückgebliebene Magermilch fand eine anderweitige Verwendung. Ein Teil wurde zur Aufzucht von Jungtieren genutzt und ein anderer zu Milchbrei verarbeitet, der bei der Landbevölkerung sehr beliebt war. Sollte am Schluss dann noch etwas von der Magermilch übrig geblieben sein, stellte man sie auf den warmen Herd bis sie geronnen war. Dann nahmen die Hausfrauen sich ein Leinentuch und schütteten die geronnene Flüssigkeit dort hinein, verschnürten das Tuch zu einem Käsebeutel und hängten diesen zum Austrocknen im Hof vor die Hauswand. Was da nun herauskam, war der sehr begehrte Quark, der als Brotaufstrich verwendet wurde.

Nun soll es hin und wieder vorgekommen sein, dass böse Buben sich einen Streich erlaubten und einen Käsebeutel stahlen. Anfang des 20. Jahrhunderts soll ein Hausherr über solch einen Diebstahl so wütend gewesen sein, dass er die Kerle anzeigte. Dem Richter in Gemünd erklärte er, man hätte ihm den Käsebeutel gestohlen. Dieser konnte mit dem Ausdruck gar nichts anfangen. Schließlich einigte man sich auf den Ausdruck Nahrungsbeutel.

Als dann die ersten Zentrifugen auftauchten, wurde das Buttern zum Kinderspiel. Die Produktion von Butter stieg dadurch so stark an, dass man gezwungen war die Schafherden zu reduzieren um mehr Weideflächen für Kühe zu erhalten, die ja bekanntlich mehr Milch lieferten. Es war kurz und gut ein großer Fortschritt und die Schmängerei war vorbei.

Weil es früher keine Molkereien gab, waren die Bauern gezwungen, aus ihrer gewonnenen Milch selbst Butter und Käse herzustellen, sie zu verkaufen, um so an bares Geld zu kommen. Milch in größeren Mengen verkaufen konnte man nur in der Nähe einer Stadt. Butter verkauft hat jeder Erzeuger, der welche zuviel hatte. Dadurch tauchten immer häufiger Butter- und Eierhändler auf, die den Landleuten ihre Produkte abkauften und sie in den Städten verkauften.

Hatte man gemolken, goss man die noch warme Milch in den Kar - so nannte man den Milchkübel über der Zentrifuge - und drehte sie durch, was bewirkte, dass die Milch entrahmt wurde. Mit der Zentrifuge wurde Butter gedreht. Butter drehen ist eigentlich ein Wort, das nicht angebracht ist, denn im wahrsten Sinne des Wortes wurde keine Butter gedreht, sondern die Sahne, die man in das Butterfass schüttete wurde so lange gedreht, bis sie zu Butter wurde. Dies merkte man daran, dass sich die Zentrifuge schwerer drehen ließ. War dieser Vorgang abgeschlossen, wurde die Buttermilch gefiltert, die Butter gewaschen, geknetet und zum Formen in einen Holzbottich geschlagen, abgewogen, und zum Verkauf bereitgestellt.

Was nun übrig blieb, war Magermilch, die sogenannte Buttermilch; auch blauer Heinrich genannt. Buttermilch wurde auf mehrfache Art verwendet. Sie wurde sehr gerne frisch getrunken, auch häufig zum Backen benutzt. Die übrige Buttemilch wurde zu Käse oder Quark verwendet, der sehr schmackhaft zubereitet wurde. Was nach dem Käsen noch übrig blieb, war gelbes Wasser, Molke genannt, die sehr nahrhaft für das Jungvieh war.

Nach und nach wurden Molkereien gebaut und Genossenschaften gegründet. Dorf um Dorf schloss man sich diesem neuen System an und so wurde allmählich das Butterfass und die sehr begehrte Zentrifuge durch größere Maschinen ersetzt. Im letzten Krieg wurden solche Geräte beschlagnahmt.

Es wurde immer einfacher mit der Milcherzeugung, man brauchte keine Butter mehr zu drehen. Auch mit dem Absatz hatte man keine Schwierigkeiten. Kurzum man erzeugte Milch, kühlte sie und setzte sie an die Straße zum Abholen. Aber die Höfe, die weit abseits lagen, kamen nicht so oft in den Genuss, ihre Milch zu verkaufen, sie mussten weiter buttern.

Solange die Bewohner im abgelegenen Jägersweiler Landwirtschaft betrieben, haben sie auch selbst Butter gedreht und verarbeitet. Die fertige Butter, sowie frische Eier wurden zweimal wöchentlich von Händlern abgeholt oder man brachte dieselbe zum Butter- und Eierhändler nach Einruhr.

Bei den vier Logen-Geschwistern in Jägersweiler war es auch wieder mal so weit, es musste Butter gedreht werden. Einige Steintöpfe standen auf der Kellertreppe und waren mit Sahne (Schmang) gefüllt. Margarethe Logen befasste sich an einem Vormittag mit Buttern. Sie hatte einen Steintopf ins Butterfass entleert und kam mit dem zweiten Topf aus dem dunklen Keller. Da sah sie eine tote Maus im Sahnetopf liegen. Sie rief ganz entsetzt: „Marie – Marie!“ Marie erwiderte: „Wat os loss?“ Margarethe seufzte und sagte zu ihrer Schwester: „He dat Döppe konne mer weg schödde, do let en kapott Muus dren.“ Maria daraufhin etwas verärgert über ihr Gebaren: „Ohe wat, do - dräh de Botter, die Öcher wessen dat jo net.“

Bürgerreporter:in:

Klaus Wilhelm von Ameln aus Simmerath

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