Rund um den Brocken - Ansichten des mystischen Hexenberges aus allen Himmelsrichtungen
Wenn man vom Norden Deutschlands Richtung Süden reist, dann trifft man im Raum Hannover/Braunschweig auf die ersten kleineren Ausläufer der Mittelgebirge, die eine Höhe bis um die 400 Meter erreichen können. Etwa eine Autostunde weiter erreicht man das erste der großen Mittelgebirge, und das ist der Harz. Mit einer Länge von etwa 90 Kilometern bedeckt er eine Fläche von 2226 Quadratkilometern. Er wird aufgeteilt in den westlichen bis um die 800 Meter hohen Oberharz, den östlichen bis 600 Meter hohen Unterharz und den dazwischen liegenden Hochharz, der die Tausend-Meter-Marke überschreitet. Und diese Höhe erreicht er mit dem wohl neben der Zugspitze bekanntesten Berg Deutschlands, dem Brocken, der 1141 Meter hoch ist und den der Dichter und Schriftsteller der Romantik Heinrich Heine mit seinem hintergründigen Humor einmal den deutschesten aller deutschen Berge genannt hat.
Doch nicht nur dieser Romantiker hat seine Spuren an dem optisch eigentlich nicht außergewöhnlich Berg hinterlassen, der sich aber durch seine Geschichte und vor allem seine Mystik in den Vordergrund gedrängt hat. Neben Heine waren es Hans Joseph Eichendorff, der Märchenerzähler Hans Christian Andersen und viele andere, die in damaliger Zeit über ihre Bergfahrten durch dieses nördliche Mittelgebirge berichtet haben. Doch einem gebührt dabei ein besonderer Platz. Johann Wolfgang von Goethe hat nicht nur als Weimarer Bergbau-Ingenieur in vielen Briefen ausführlich über seine drei Harzreisen berichtet, sondern er hat den höchsten Berg des Harzes, den Hexenberg schlechthin, der dieser schon seit jeher war, in seinem Faust unsterblich gemacht. Und er hat den Berg angeblich als erster Mensch, wäre doch früher niemand auf eine solche Idee gekommen, im Winter bestiegen.
Und dieser Granitberg nun, der vor geologisch langen Zeiträumen einmal eine Insel in einem tropischen Meer war, ist es, der alle anderen Harzberge mit seinem Vorgipfeln Kleiner Brocken, Heinrichshöhe und Königsberg weit überragt. Egal von welcher Seite man sich dem Harz auch nähert. Von überall her ist er schon von Weitem auszumachen.
Da meine Großeltern frühe am Harzrand auf Gut Radau bei Bad Harzburg nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt lebten, war ich dort in fast allen Schulferien zu Besuch, nicht selten die ganze Familie. Vom Stubenfenster aus konnten wir den Brocken allerdings nicht sehen, wurde er doch durch die nahe Perspektive zu ihm durch die davorliegenden Berge verdeckt. Gerade so über den Fichtenwald ragte aber das siebenstöckige einstige Brockenhotel mit seinem rotweißen Sender, dem ersten Fernsehsender der Welt, darüber hervor. Und mit einem Fernglas saß ich dann manchmal am Fenster und schaute hinauf, ob ich an dem Gebäude irgendetwas Interessantes entdecken könnte.
Doch mehr konnte ich erkennen, wenn unsere Familie oben in den Bergen zum Wandern unterwegs war. Dann suchten wir immer den Brocken, denn der bot für uns irgendwie einen magischen Anblick. Und unsere Eltern erzählten uns davon, wie sie vor dem Krieg dort oben gewesen waren und was sie dabei erlebt hatten.
Und es gab so einige markante Punkte in der Landschaft, von denen der Brocken besonders gut auszumachen war und wo wir ihm ganz nahe waren. Das war vom Harzburger Burgberg, von Torfhaus, von der Hornfels-Kuppe des Achtermanns und von der Sprungschanze des Wurmbergs bei Braunlage, den mit 971 Metern höchsten Berg Niedersachsens, liegt doch der Brocken in Sachsen-Anhalt. Von der 1000 Meter hohen Aussichtsplattform der Schanze, die heute nicht mehr steht, die inzwischen aber durch einen Aussichtsturm ersetzt wurde, konnten wir sogar unten im Tal einige Häuser von Schierke erkennen. Nun wirklich ganz nah, doch trotzdem unerreichbar, lag doch dazwischen der Todesstreifen, der den Großteil der damaligen Welt des Kalten Krieges in Ost und West aufteilte. Und so war es natürlich auch mit dem Brocken, der selbst für DDR-Bürger nicht erreichbar war, fand er doch als sowjetische und ostdeutsche Militärstation Verwendung, die weit in den Westen hineinhorchen konnte. Gleich gegenüber auf dem Wurmberg hatte die NATO einen gigantischen Horchturm errichtet, der von den Amerikanern betrieben wurde. So konnte man sich gegenseitig bestens belauschen. Keine Truppenbewegungen blieben verborgen.
Als ich dann im Jahr 1968 als Jugendlicher bei einem Verwandtschaftsbesuch zum ersten Mal in der DDR war, die wir Ostzone nannten, sah ich den Brocken aus entgegengesetzter Perspektive. So zum Beispiel von der Burgruine Regenstein, oder noch besser von den waldfreien Wiesen-Hochflächen um Hasserode oder Elbingerode. Das beeindruckte mich damals sehr, sah ich doch nun das ganze Massiv seitenverkehrt. Den Wurmberg links, Brocken und Kleiner Brocken rechts daneben. Und damals hätten wir alle uns nicht im Entferntesten vorstellen können, dass sich dieser erstarrte Zustand zweier geteilter deutscher Länder jemals ändern könnte. Dass das dann 1989 doch geschehen ist, ist eine unglaubliche und unfassbare Geschichte. An anderen Stellen habe ich darüber berichtet.
Auch wenn der Brocken, verglichen mit Gipfeln von Hochgebirgen, die aus jedem Blickwinkel anders aussehen, eher gleichförmig erscheint, so ist es doch nicht uninteressant, da er für mich und viele andere dieses Magische nach wie vor nicht verloren hat, ihn aus den verschiedenen Himmelsrichtungen zu betrachten. Und das will ich mit diesen Bildern dokumentieren. Dabei bewege ich mich aus der nordwestlichen Richtung Hannovers im Uhrzeigersinn einmal um den Berg herum.
Inzwischen war ich über 40 Mal dort oben, zu jeder Jahreszeit, Tages- und Nachtzeit. Am reizvollsten ist es im Winter auf dem Gipfel, wenn er tief verschneit ist und die verkrüppelten Fichten von dicken Eislasten bedeckt sind. Tief müssen sie sich dann mit ihren Spitzen zum Boden beugen. Aber sie halten Stand und brechen nicht. Da wundert man sich nur. Es ist eine surreale Welt. Besonders reizvoll ist eine Besteigung auch zum Sonnenaufgang, wenn der Nebel noch in den Tälern liegt. Und auch ein Sonnenuntergang kann sich sehen lassen, und eine Nachtwanderung, vielleicht bei Vollmond, zurück. Das ist Romantik pur.
Aber egal von welcher Seite aus auch immer. Ob von Bad Harzburg über die Eckertalsperre, von Ilsenburg an den Wasserfällen entlang, von Wernigerode die Steinerne Renne hinauf, von Schierke durch das Eckerloch oder von Torfhaus über den Goetheweg. Jede Wanderung, und auch manche andere Strecke, hat ihren besonderen Reiz. Oder wer Fußmüde ist oder nicht gut laufen kann, der nimmt die Brockenbahn, denn auch eine Fahrt damit ist, besonders wenn man draußen auf der Bühne steht, ein eindrucksvolles Erlebnis.
Und immer wenn ich den Brocken auch nur aus der Ferne sehe, und das geht von Hannover zum Beispiel vom Kronsberg oder vom Rathausturm an vielen Tagen des Jahres, liegen doch keine 90 Kilometer Luftlinie dazwischen, freue ich mich über seinen Anblick. Und ich denke, dass es da vielen anderen ähnlich ergeht, egal in welcher Himmelsrichtung von ihm aus gesehen sie sich gerade befinden.
Wer mehr über den Brocken erfahren möchte:
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Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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