Eine fiktive Wortmeldung
GOTT, du kannst ein ARSCH sein - Frank Pape in Rheinberg - was sagt Tochter Mary?
Vorbemerkung: Frank Pape, in den Neunziger Jahren als Politik- und Unternehmensberater aufgestiegen, später als Bestsellerautor ("GOTT, du kannst ein ARSCH sein") und als sozial auf besondere Art engagierter Mensch bekannt geworden, war jetzt im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen zu "25 Jahre Hospiz Haus Sonnenschein" für eine Lesung in Rheinberg.
"Gott, du kannst ein Arsch sein! Ja, das habe ich gesagt. Und nein, sorry, Gott, wenn es dich denn geben sollte, ich meinte das gar nicht so. Mit Gotteslästerung habe ich doch nichts im Sinn, verstehe mich bitte nicht falsch. Ich brauchte halt nur ein Ventil, einen Ausspruch, der mir gut tat, nachdem mir die behandelnden Ärzte mitgeteilt hatten, mein Tod stände unerbittlich vor der Tür, habe diese auch schon halb aufgestoßen, einen Ausspruch, den ich mir auch noch kurz vor meinem Tod auf den Bauch habe tätowieren lassen.
Ach ja, ich hab mich ja noch nicht vorgestellt: Ich heiße Mary, bin auf Malta bei meiner dortigen Mama aufgewachsen und im Alter von 15 Jahren in Deutschland bei meinem Papa gestorben - und bei meiner Lieblingsstute Luna, die mir eine ans Herz gewachsene Sterbebegleiterin war. Gestorben bin ich wenige Tage nach Weihnachten, weich gebettet auf einem Heubett bei Luna. Das war vor knapp neun Jahren. Hääh, mag mancher denken. Ja, ich verstehe, werde es aber noch aufklären.
Zunächst aber: Warum melde ich mich jetzt hier aus dem Jenseits zu Worte? Anlass: Mein Papa, Frank Pape, hat jetzt gerade in Rheinberg auf Einladung des dortigen Hospizes Haus Sonnenschein eine Lesung abgehalten zu einem Buch, das meine Sterbensgeschichte zu vermitteln versucht, Titel: Gott, du kannst ein Arsch sein. Ein Buch, das mein Papa mit mir zusammen geschrieben hat. Mein Name im Buch ist Stefanie, auch wenn mein wahrer Name Mary ist. Übrigens ein Bestseller, der auch mit Til Schweiger, Heike Makatsch u.a. verfilmt worden ist, wenn auch mit manchen dramaturgischen Abweichungen von der Realität. Zu meiner Sterbensgeschichte will ich hier gar nichts sagen, kann jeder schließlich im Buch nachlesen.
Liebevoll habe ich jedenfalls jetzt mal wieder auf meinen Papa geblickt, als er dort im großen, gut gefüllten Zelt vor dem Rheinberger Hospizgebäude aufgetreten ist, auf meinen Papa, der während meiner ersten Lebenshälfte mich zwar kannte, wir hatten schließlich guten Kontakt miteinander, der aber nichts davon wusste, dass ich seine Tochter war. Ich war nämlich das von meiner Mutter ihm gegenüber wohl zunächst nicht deutlich genug zur Kenntnis gebrachte Ergebnis einer Liebschaft während seiner, ich will es mal so formulieren, karriereorientierten Businessphase, die ihn in Wirtschaft und Politik weit nach oben gespült hatte, so dass er unter anderem wichtiger Berater des maltesischen Premierministers geworden war und darüber hinaus viel auf der Managementebene geschäftlich unterwegs war.
Doch schon bald verschlug es meinen Papa wieder nach Deutschland, wo er allmählich seine soziale Ader entdeckte. Er, der erfolgreiche Politik- und Unternehmensberater, nahm Berufungen als Notfall- und Feuerwehrseelsorger an. Und dann, ich war, glaube ich, acht Jahre alt, trat ich nicht nur als Kind einer guten maltesischen Bekannten in sein Leben, sondern als sein leibliches Kind, was uns bis dahin nicht klar war. Das machte unsere Beziehung natürlich noch viel inniger. Mein Papa nahm mich mit offenen Armen jetzt als seine Tochter an. Das machte unsere Beziehung natürlich noch viel inniger. Ich hatte zwei Heimaten: Malta und Deutschland, wo mir auch meine Stiefmama ans Herz wuchs.
Und mein Papa? Ich liebe ihn einfach, nicht nur deshalb, weil er sich mir intensiv zuwandte, besonders in meinen letzten 296 Tagen nach der Krebsdiagnose, sondern auch wegen der selbstbestimmten Metamorphose seines Lebens, die weit über meinen Tod hinausragt. Ich glaube, er hat irgendwann mal gesagt, die Geschichte von Saulus, der zu Paulus wurde, sei seiner Lebensgeschichte nicht fern.
Ob meine Sterbensgeschichte oder das darüber handelnde Buch "Gott, du kannst ein Arsch sein" für das, was er jetzt schon seit Jahren tut, dem er sich wahrlich verschrieben hat, den Ausschlag gegeben hat, vielleicht auch die Reaktionen aufs Buch, zu denen auch gehört, dass sich jemand kurz nach Erscheinen des Buches mit der Bitte gemeldet hat, auch wie ich bei Luna, meiner geliebten Stute, sterben zu dürfen, das weiß ich nicht. Vielleicht war sein Leben auch ohnehin schon vorgezeichnet.
Was er, mein Papa, jetzt nach meinem Tod, schon über mehrere Jahre tut, finde ich großartig. Das wenige Jahre vor meinem Tod von ihm erworbene Landhaus in Preußisch Oldendorf mit einigen Tieren - für mich waren die wenigen Pferde die wichtigsten, in erster Linie natürlich Luna -, dieses Haus mit dem in ihm pulsierenden Leben, das mir viel Wohlgefühl vermittelt hat, ist inzwischen zu einem Zufluchtsort und zu einem Hospitorium geworden für daniederliegende Menschen, für Menschen am Ende ihres Lebens, aber auch für vom Schicksal geschundene Menschen, die dringend eine Auszeit brauchen. Das Haus lebt vom sozialen Engagement, nicht nur von dem meines Papas, sondern auch von dem meiner Stiefmama und einiger Gleichgesinnter.
Die Geschäftstüchtigkeit meines Papas kommt seinem Anliegen zugute. Nicht nur über den Verein "Ein Lächeln für dich", sondern auch durch Papas Aufbau einer Kaffeerösterei und einer Chocolaterie ist die Hospitoriumsarbeit wohl finanziell gesichert, wenn ich das richtig hier aus dem Jenseits beurteilen kann.
Papa und all ihr anderen, die ihr ihn unterstützt: Macht weiter so, ihr seid auf dem richtigen Weg. Fühlt euch von mir gedrückt. Und noch ein Letztes, Papa: Grüße mir meine Luna!"
Bürgerreporter:in:Helmut Feldhaus aus Rheinberg |
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