Das Wein- und Obststädtchen Werder—zuerst war der Wein
Wein und Obst hat Werder bekannt und berühmt gemacht. Es war die Haupterwerbsquelle der Werderaner und bildete die wirtschaftliche Grundlage des Aufblühens der Stadt und seines Umlandes im 19. und 20.Jh. Doch der Obstbau hatte seine Grundlage im Weinbau, der 1399 erstmals erwähnt wird und 1540 urkundlich nachweisbar ist. Unter der Herrschaft des Klosters Lehnin besaß die damalige Kirche zwei Weinberge auf der Insel. Hier begann alles. Berühmt wurde Werders Weinbau nach dem 30jährigen Krieg (1618 bis 1648) unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Ähnlich wie seine hohenzollerschen Vorgänger sah er im Weinbau einen Landeskulturzweig, der gefördert werden musste. Dazu gehörte eine 10jährige Steuerfreiheit für alle, die wüste Weinberge wieder mit Wein bebauten.
Eine besondere Förderung erfuhr der Weinbau in den beiden Städten Werder und Potsdam. In Potsdam ist seit 1515 ein kurfürstlicher Weinberg nachweisbar. Der Große Kurfürst gewährte beiden Städten das Sonderrecht, die Weinsteuer erst nach Verkauf des Weines abzuführen. Bei den anderen Orten wurde die Steuer sofort an der Weinpresse kassiert. Diese besondere Förderung lag sicher daran, dass der Weinbedarf am kurfürstlichen Hof sehr hoch war. Während des 30jährigen Krieges musste der Hof sparen und zog 1643 nach Küstrin um. Trotzdem verbrauchte der Hof wöchentlich 7 ½ Tonnen (859 Liter).
Die Ausdehnung der Weinbaufläche in beiden Orten zeigt der erste brandenburgische Atlas der Herrschaft Potsdam, der im Auftrag des Großen Kurfürsten von Samuel von Suchodoletz 1679 bis 1683 angefertigt worden war. Das Kartenblatt zu Werder enthält erstmals die Bezeichnung „Werderische Weinberge“, aber nennt keine Besitzer. (Umfang ca. 70 ha.) Das Blatt zu Potsdam zeigt die Weinberge an dem großen Südhang des Eichberges nördlich vom Heiligen See. (Umfang ca. 35 ha.) Alle Weinberge tragen hier die Namen der Besitzer. Es waren angesehene Bürger Potsdams. Im 18. Jh. dehnte sich die Weinbaufläche in beiden Orten weiter aus.
Wie viel Wein wurde in Werder gekeltert?
Bis Mitte des 18.Jh. wurde sehr viel Wein gewonnen. Wir wissen vom ersten Chronisten Werders, F.L. Schönemann, der der Sohn des dortigen Bürgermeisters war, dass 1784 in den Weinbergen Werders 36 Weinpressen und zahlreiche Weinmeisterhäuser standen. Außerdem gab es 30 Weinmeister als Besitzer von Weinbergen und weitere Lohnweinmeister. (8)
Über die Weinmenge, die mit diesen Pressen zwischen 1701 und 1800 gekeltert wurde, ist in Werder genau Buch geführt worden. Das geht aus einem Beitrag in der Zeitschrift „Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der Preußischen Staaten“ vom Februar 1803 hervor. Er trägt den Titel: „Über den Weinbau in der Gegend von Potsdam und Brandenburg“ (9). Ein Verfasser ist nicht angegeben. Das Interessanteste an diesem Beitrag ist die folgende Mitteilung:
„Aus handschriftlichen Nachrichten, die sich in der Werderschen Registratur befinden, teile ich folgendes mit:
1399 war ein harter Winter, in welchem die Weinstöcke erfroren.“
Dann folgen Angaben zu 400 Jahre Weinbau in Werder. Mit dem Jahre 1399 wird also der Weinbau erstmals erwähnt. Wahrscheinlich wurden seit dieser Zeit bereits unter der Herrschaft des Klosters alle Weinjahre registriert. Es gab demnach beim Stadtarchiv eine Weinregistratur. Der Beitrag wählt hier nur 45 Jahre aus. Die meisten Angaben betreffen die Jahre nach 1701. Am Schluss des Beitrages heißt es dann:
„Nach einer tabellarischen Nachweisung ist zu Werder von 1701 bis 1800 an Wein gewonnen, 88 000 Eimer, dies macht im Durchschnitt 293 1/3 Fass“
Das waren 6 045 776 Liter – also über sechs Millionen Liter. Denn 1 Eimer waren 68,702 Liter. Und 293 1/3 Fass im jährlichen Durchschnitt waren 60 449,13 Liter.
In Werder sind keine Weinfässer erhalten geblieben, auch nicht aus der Blütezeit der Obstweinkelterei.
Um uns über diese Menge eine Vorstellung machen zu können, haben wir den Keller des Ausflugsrestaurants „Jagdschloss Spiegelsberge“ bei Halberstadt besucht. Hier befindet sich das „Gröninger Riesenweinfass“. Es wurde im Auftrage des Bischofs von Halberstadt durch den Fassbinder Michael Werner aus Landau am Rhein gebaut und 1598 vollendet. Wann es
mit Wein gefüllt wurde ist unbekannt.
Es ist ein Meisterwerk deutscher Böttcherkunst und wurde am alten Standort im Schloss Gröningen von vielen Größen der Geschichte, auch von Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, bewundert. Für uns dient es nur zum Vergleich: Die Weinmenge, die in Werder von 1701 bis 1800 gewonnen wurde, benötigte
37 1/2 solcher Riesenfässer
oder sie füllte alle drei Jahre ein reichliches Fass.
Nun wurde in Werder in der ersten Hälfte des 18. Jh. mehr Wein gekeltert als nach dem Frostwinter 1740. In der Werderschen Weinregistratur heißt es zum Beispiel:
„1727 bis 1728 waren die allerergiebigsten seit 100 Jahren. In beiden Jahren wurden
8 000 Eimer gewonnen“.
Das waren 549 616 Liter. Diese Menge hätte allein 3 1/2 solcher Riesenfässer gefüllt
Aus dem 18. Jh. gibt es keine tabellarischen Nachweisungen. Hier wurden vor allem Speisetrauben für den Berliner Markt hergestellt und ab 1876 begann die Zeit der Obstweinkelterei. Die Obstweinschenke von „Vater Felsch“ im Wachtelwinkel war die erste Obstweinschenke.
Bürgerreporter:in:Dr. Roland Fröhlich aus Potsdam |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.