Reisefreiheit
"Glaubst Du das eigentlich was Du schreibst?"
wurde ich neulich von einem "gelernten DDR-Bürger" in einem myHeimat-Kommentar gefragt. Ich hatte zuvor erwähnt, dass man auch schon lange vor der Wende zu Reisen in Westeuropa kein Visum brauchte sondern dass das Vorzeigen des Personalausweises an den Grenzen genügte. Nicht immer musste man seinen Wagen anhalten und wenn man halten musste, wurde man gefragt, ob man etwas zu verzollen hätte.
Bei der Einreise nach Großbritannien war die Zoll-Prozedur vereinfacht worden. Es gab rote Aufkleber für die Windschutzscheibe mit einer entsprechenden Aufschrift, wenn man etwas zu deklarieren hatte. Grüne Aufkleber mit den Worten Nothing to declare zeigten den britischen Zöllnern an, dass nichts zu verzollen war. Ich habe es bei mehreren Fahrten auf die britischen Inseln nie erlebt, dass ich mit dem grünen Aufkleber angehalten wurde.
Wie sich der Grenzverkehr in Westeuropa entwickelt hatte und wie es mit Osteuropa und den USA stand, möchte ich in diesem Beitrag anhand von Passeintragungen zeigen.
In den ersten 10 Jahren nach dem Krieg als Deutschland noch in Besatzungszonen geteilt war, gab es auch in Nord- und Westeuropa für Deutsche teilweise eine Visums-Pflicht. Im Reisepass meines Vaters aus der Zeit (Bilder 1 bis 3) finden sich Visa-Stempel für Frankreich (1953 - nur sechs Jahre, nachdem er aus französischer Gefangenschaft entlassen worden war), Dänemark und Schweden (1954). Eine Reise nach Großbritannien war aber bereits 1954 ohne Visum möglich; die Aufenthaltserlaubnis umfasste drei Monate. Zu Beginn waren allerdings die Devisenbeträge, die man ausgeben konnte noch begrenzt, wie die entsprechenden Eintragungen im Pass belegen.
Ab 1955 als das Besatzungsstatut in der Bundesrepublik endete, waren dann für die genannten Länder keine Visa mehr nötig (s. Ein- und Ausreisestempel rechts auf Seite 3). Als Oberstufenschüler benötigten wir bei unseren Segeltouren über die Ostsee nach Dänemark nur einen Personalausweis und so war es auch bei unserer Abschlussfahrt am Gymnasium, die uns nach Bayern und Österreich führte. Devisenbeschränkungen gab es da schon nicht mehr.
Für die Ostblockstaaten benötigte man hingegen immer ein Visum. Bild 4 zeigt mein Visum für Rumänien (1963), das man sich bei der rumänischen Botschaft in Wien besorgen musste. Da ich mit der Bahn fuhr, brauchte ich noch ein zusätzliches Transit-Visum für Ungarn, das man erst erhielt, wenn man das Einreisevisum für Rumänien vorweisen konnte. Da es bei der rumänischen Botschaft nicht so schnell ging, kam ich beim ungarischen Konsulat in Wien recht spät an. Der Pförtner sagte mir, dass sie geschlossen hätten. Ich bat ihn, trotzdem zu fragen, ob sich etwas machen ließe. Nach einer Weile kam er mit der Nachricht, die Frau Konsul sei noch im Hause und ließe mich ins Büro bitten. Die Konsulin entpuppte sich als eine junge Dame, die nicht viel älter war als ich selbst. "Wir haben heute geschlossen", sagte sie, was ich denn trotzdem wollte. Ich berichtete also von dem nötigen Transit-Visum und sie meinte: "Wie lange sind Sie noch in Wien? Am besten kommen Sie morgen wieder." Wenn sie dich auch außerhalb der Dienststunden empfängt, dachte ich da, wird sich sicher etwas machen lassen. Ich erinnerte mich an die traditionellen österreichisch-ungarischen Gepflogenheiten und sagte: "Leider geht mein Zug schon morgen in der Früh, sonst würde ich Sie allzu gern ins Café-Haus einladen. (Kunstpause) Wäre es möglich, mir mein Visum trotzdem heute noch auszustellen?" Sie lächelte: "Na gut, weil Sie es sind. Geben Sie mir halt Ihren Pass, ich erledige das sofort." Noch mal Glück gehabt! (Bild 5)
Bild 6 zeigt ein nicht genutztes Visum für Rumänien aus dem Jahr 1967 mit dem Talon, einer zweiteiligen Bescheinigung, die bei Einreise bzw. Ausreise an der Grenze abzugeben war. Es war beabsichtigt gewesen, diese Reise durch Rumänien zusammen mit zwei Freundinnen aus Ost-Berlin und Leipzig zu unternehmen, die ich im Reiseland 1963 kennen gelernt hatte. Leider bekamen sie dann aber kein DDR-Ausreise-Visum und die Reise erübrigte sich.
Der Scan 7 bildet ein Visum für Ungarn (1968) ab und ein Transit-Visum der DDR für die Fahrt nach Berlin auf der Interzonenstraße B 5 (1969).
In den Siebzigerjahren brauchte ich dann außer für mehrere Reisen in die UdSSR - Visa wurden auf Beilagezetteln erteilt, die bei der Ausreise wieder abzugeben waren - nur noch ein Visum für die USA. Ansonsten zeigt der Pass lediglich Einreise- und Ausreisestempel: aus der DDR für einen Flug nach Moskau und zurück ab Schönefeld sowie die Ein- und Ausreise bei einem Besuch Kanadas von den USA aus und einen Kurzaufenthalt in Finnland von dem damaligen Leningrad aus.
Ein Kuriosum aus den Achtzigerjahren ist der belgische Stempel vom amerikanischen Fliegerhorst Chièvres bei Brüssel (Bild 10). Von dort aus sollte ich nach einem Besuch im NATO-Hauptquartier mit dem Bundeswehrhubschrauber nach Hause geflogen werden. Der Rückflug verzögerte sich um zwei Stunden, da die Belgier die Flugerlaubnis selbst erteilen wollten: "Das ist hier Belgien. Die Amerikaner haben hier gar nichts zu sagen! Zeigen Sie bitte Ihren Pass vor, wir wollen ihn stempeln." Im selben Jahrzehnt brauchte man für die fast jährlichen Besuche in den Staaten auch keine Einzelvisa mehr. Ich bekam ein unbefristetes Dauervisum für mehrfache Einreisen (Bild 11). Diese Reisen wurden auch jedesmal für Abstecher nach Kanada genutzt (Bild 12). Ein Begleit-Talon eines nicht genutztes UdSSR-Visums für meine Frau (1987) zeigt, wie ein solches Dokument aussah (Bild 13).
Neunzigerjahre: Selbst die USA verlangten nun kein Visum mehr. Der Pass aus der Zeit ist weniger bunt, da nur noch Einreise- und teilweise auch Ausreisestempel gegeben wurden (Bild 14).
Im neuen Jahrhundert änderten sich die Gepflogenheiten. Die Russische Föderation nutzt nun Klebevisa, die in den Pass fest eingefügt wurden (Scans 15 und 16). Im Jahre 2001 benutzte man noch die alte Kurzbezeichnung FRG für die Bundesrepublik Deutschland, während man 2007 bereits Germania schrieb. Von einer Reise in die Ukraine im Jahre 2003 sind leider nur die Ein- und Ausreisestempel übrig geblieben; unsere ukrainischen Klebevisa waren entfernt worden, als wir die Pässe nach der Beantragung der russischen Visa 2007 zurück erhielten (Bild 17).
Bürgerreporter:in:Peter Perrey aus Neustadt am Rübenberge |
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