Jahreswechsel in den Fünfzigern: "Prost Neujahr! Schiet ins Alte Jahr!"
So grob konnte es damals zum Jahreswechsel auf den Straßen klingen! Doch bis es soweit war, dass das Neue Jahr begrüßt werden konnte, war einiges vorzubereiten. Fettgebäck gehörte in der kalten Winterszeit unbedingt dazu. In einem größeren Topf wurde Palmin geschmolzen. Dort hinein kamen die vorbereiteten, mit Marmelade gefüllten Purzel, wie sie bei und hießen - sonst auch Pfannkuchen, Berliner oder Krapfen genannt. Je einer enthielt keine Marmelade sondern Mostrich (Senf) bzw. ein blankes Pfennigstück, das demjenigen Glück bringen sollte, der es in seinem Berliner finden würde. Eine andere Sorte Spritzgebäck, wie es auch hieß, waren die Raderkuchen. Sie hießen so, weil zunächst mit einem Rädchen, wie es die schneidernden Mütter sonst zum Durchdrücken der Schnittmuster auf den Stoff benutzten, Rechtecken aus dem Backteig getrennt wurden. In jedes Rechteck wurde ein Schlitz geschnitten und dann eine Hälfte des Rechtecks dort hindurch gezogen, so dass man so etwas wie eine Schleife erhielt. Die Schleifen kamen dann in das heiße Palmin zum Ausbacken. Wie auch die Purzel, wurden die Raderkuchen nach dem Ausbacken mit Farin, d. h. Streuzucker, bestreut, denn ohne Süße ging es nicht.
Die Vorbereitungen der Silvesterfeier beschränkten sich natürlich nicht auf das Backen. Irgendwann am Abend musste es auch etwas Herzhaftes geben und für die Erwachsenen auch das eine oder andere Gläschen zu trinken.
Flur und Räume wurden mit Girlanden und bunten Schlangen geschmückt. Man zog sich sonntäglich an und zur Feier des Jahreswechsels trug man Papierhüte, wie man es sonst nur vom Karneval kennt.
Raketen, die heute in großer Zahl nach null Uhr gestartet werden, waren zunächst einmal nicht auf dem Markt. Für uns Kinder begann es mit Wunderkerzen, die uns unsere Oma von Weihnachten herüber gerettet hatte. Dazu hatte sie uns auch je eine Schachtel mit roten und grünen bengalischen Streichhölzern besorgt. In späteren Jahren kauften wir uns von unserem Taschengeld einige Knallfrösche und Heuler und die Eltern steuerten Gold- und Silberregen bei. Um richtige Böller handhaben zu dürfen, hätten wir bereits 18 Jahre alt sein müssen.
Aber es gab ja Ersatz! Durften es keine Silvesterböller sein, so waren es eben Stinkbomben, gebettet in runde, mit Sägemehl aufgefüllte Schächtelchen. die frei verkäuflich waren. Diese gläsernen 'Bomben' fanden dann ihren Weg schon mal durch einen nachbarlichen Briefschlitz, "verbesserten die Luft" im Kino oder im Klassenzimmer.
Ganz wichtig war meinem Vater immer der Ausblick in die Zukunft. Um null Uhr wurde deshalb Blei gegossen und jeder durfte dann sein Ergebnis selbst interpretieren. Natürlich versuchte man immer, das Bestmögliche herauszulesen. Wo würde man auch bleiben, würde man nicht optimistisch in die Zukunft blicken?
In diesem Sinne wünsche ich allen einen besinnlichen Jahreswechsel und ein frohes, gesundes Neues Jahr!
Bürgerreporter:in:Peter Perrey aus Neustadt am Rübenberge |
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