„Ich weiß es doch auch nicht“…. Wilfried Schmickler am 06.09.2013 im Kulturforum Neustadt

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Kabarettist Wilfried Schmickler war mit seinem Programm „Ich weiß es doch auch nicht“ in der KGS am 06.09.2013 zu Gast. Das Kulturforum Neustadt freute sich, nach einigen Versuchen nun die absolute Kabarettgröße Wilfried Schmickler vor ausverkauftem Haus in der Mensa der KGS in Neustadt begrüssen zu können. Wortgewaltig wie eh und je richtet er über Politiker, Talkshows, das drohende Renten-Debakel und den Alltag. Schmicklers Worte entladen sich wie eine Naturgewalt über den Köpfen des Publikums. Böse und laut – das ist Wilfried Schmickler! Zumindest in den Auftritten, mit denen er traditionell die „Mitternachtsspitzen“ im Fernsehen bereichert.

In Wirklichkeit ist er wesentlich vielseitiger. Das beweist er seit ca. August 2012 mit seinem Programm „Ich weiß es doch auch nicht“. „Damit Sie nun Ihre Fotos machen können, erzähle ich Ihnen jetzt einen Witz. Danach ist mit Fotografieren Schluss.“ Der Witz war harmlos, aber er lockerte auf und machte neugierig für das Kommende: Für den atemlos-wütenden, den traurigen und den melancholischen Schmickler. Eine ungewöhnlich große Bandbreite, die der Künstler an diesem Tag geboten hat.

Angefangen bei der Kritik an den Politikern in Berlin, die sich in parlamentarischem Wachkoma befänden, über die Installierung von „Hörbeauftragten“, die statt der Sudoku-Rätsel lösenden Volksvertreter den Reden lauschten bis hin zu dem Mann, der nicht wusste, wem im Hotel die Bettwäsche gehört – Schmickler fand genügend Anlässe, um sich in Rage zu reden. Keine Frage, der Mann ist Moralist und Humanist. Das ist es denn wohl auch, was ihn auszeichnet. Seine verbalen Rundumschläge inklusive wunderbarer Wortschöpfungen sind nie Selbstzweck. Hinter dem Pointen-Geprassel steckt eine innere Haltung, die den Scharfrichter über das alltägliche Geschwurbel und Geschwafel glaubwürdig macht.

Dabei vernachlässigte er keineswegs die enorm unterhaltsamen Seiten der von ihm beobachteten Exzesse. Sei es die Talkshow-Schiene der ARD, die aus ihren Löchern gekrochenen Prognostiker in der Euro-Zone, die sich auf den Spuren der Auguren wichtigmachten. Hier zeigte sich denn auch das spielerische Element, mit dem Schmickler seine dramatischen Miniaturen anreicherte, fein geschliffene Szenarien, mit denen er bis in den Bereich des absurden Theaters vorpreschte. Er knöpfte sich das drohende Renten-Debakel vor, empfahl Vorratshaltung in Form von Diamanten oder Erdöl und machte den Vorschlag, die wertvollen Organe verblichener Verwandter vorübergehend in der Tiefkühltruhe zu deponieren. Er fragte sich, wo die Wahrheit zu finden ist und haute der Piratenpartei kräftig auf den Hut ihres geistigen Eigentums. Bei der FDP und ihrem Führungspersonal konnte er nicht an sich halten. Bei der SPD und ihren Beschlüssen zur Renten- und Sozialpolitik allerdings auch nicht… Er kritisierte, machte nieder und trat in den Staub! „Es kann doch nicht sein“ hieß das Gedicht, das den Höhepunkt des Abends bildete. Hier holte Schmickler zum Rundumschlag aus: falsche Steuer-, Wirtschafts- und Rentenpolitik und egal ob Wowereit, Döring oder Lafontaine – alle kriegten ihr Fett ab. Kein Zweifel – Schmicklers Herz schlägt links.

Schmickler geißelte in seinen Wortbeiträgen auch die üblichen Themen: Die Auswüchse der digitalen Welt, die Dauerbeschallung im öffentlichen Raum und das schlechte Fernsehprogramm. Das trübte aber den Abend in keiner Weise. Es führte nur dazu, dass sich die Zuschauer mit seinem ganz persönlichen Aufreger-Thema nicht so allein fühlte. Denn – aufregen kann man sich schließlich über alles Mögliche …

Dabei legte er eine erfrischende Souveränität und Leichtigkeit an den Tag, unterbrach seine Wortkaskaden, um mit voll tönender, mal mit leiser Stimme Songs zu interpretieren, streute hier und da einen Kalauer ein und zeigte so, dass er ganz bei sich und seiner Mission war. Diese wiederum besteht unter anderem darin, jedem das Recht einzuräumen, die weißen Seiten des vor ihm liegenden Buchs „Deutschland, ein Abwasch“ selbst mit Inhalten zu füllen. Es geht darum, das Leben zu feiern – und sei es mit einem traurigen Lied, das Schmickler den kürzlich verstorbenen Kollegen Klaus Huber, Heinrich Pachl und Dirk Bach widmete.
Außerdem drehte sich Schmicklers Programm darum, die Widersprüche der eigenen Existenz auszuloten. Was schließlich zu einem Katalog an guten Tipps führte, die jedermann in seinen Alltag integrieren könne. „Werden Sie Mülltaucher!“ schlug er vor, auch auf die Gefahr hin, illegale Pfade zu betreten. Schließlich würden in Deutschland pro Jahr 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Der herrschende Wahnsinn bedürfe dieser und ähnlicher Zeichen.

Schmickler stellte viele Fragen („Ist der Dax gut oder böse?“ „Können Sie erklären, was ein Schuldenschnitt bedeutet?“), ohne darauf Antworten zu geben. Aber das musste er bei diesem Programmtitel ja auch nicht.

Alles in allem: Ein außergewöhnlich unterhaltsamer Kabarettabend.

Bürgerreporter:in:

Jürgen B. aus Neustadt am Rübenberge

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