Zeitkonferenz

Wie jedes Jahr kamen wieder einmal alle Zeiten zu einer Konferenz zusammen, um eingehend zu erörtern, welche Veränderungen sich bei ihnen denn so ergeben haben.
Den Vorsitz hatte diesmal die Jetztzeit, die nach einer kurzen Feststellung der Anwesenheiten und Begrüßung aller Teilnehmer die Konferenz als eröffnet erklärte und um Wortmeldungen bat.

„Also, ich weiß nicht“, begann die Steinzeit, die von weit her angereist war, „früher war alles irgendwie viel einfacher.“

„Eigentlich schon“, erwidert die Neuzeit nachdenklich. „Aber ich bin noch jung und kann nicht viel dazu sagen, mit fehlt einfach die Erfahrung.“

„Nun, ich weiß nicht, mir geht alles viel zu schnell!“, wirft die Jugendzeit forsch dazwischen.

„Diese Meinung kann ich wiederum überhaupt nicht mit Ihnen teilen!“, schreit die Haftzeit plötzlich empört dazwischen.

Alle teilnehmenden Zeiten schweigen eine Weile und sehen sich um, für einen Moment wagt aber keiner, das Wort zu ergreifen.

Da meldet sich am Ende des Konferenztisches schüchtern die Schulzeit und flüstert schluchzend: „Ich, ich werde nie ganz ernst genommen.“

„Wenn ich mal etwas sagen darf“, lässt da stolz die Arbeitszeit von sich hören, „also, ich kann mich nicht beschweren, ich bin ziemlich gut geregelt.“

Worauf die Gleitzeit sofort Einspruch erhebt und meint: „Das, meine Liebe, kann ich von mir nun ganz und gar nicht behaupten!“

„Da gähnt ganz hinten eine Teilnehmerin und meint ganz verschlafen: „Mein Gott, langweile ich mich manchmal.“

„Wer ist denn das?“, will die Arbeitszeit von ihrer Nachbarin, der Gleitzeit wissen.
„Ach“, erwidert diese, „das ist nur die Freizeit, lass’ sie doch. Lauter solche und wir könnten alle einpacken. Die macht sich zwar wichtig, drängt sich überall dazwischen und möchte die meiste Zeit beanspruchen, aber nix dahinter sag ich dir. Am besten einfach ignorieren!“

Da meldet sich die Unzeit und verkündet verschmitzt: „Und ich komme stets ungelegen.“

„Und, da bist wohl auch noch stolz darauf?“, erwidert da die Abfahrtszeit. „Obwohl, wenn ich es so recht bedenke, ich bin auch nicht mehr das, was ich einmal war.“

„Da hast du Recht, das kann ich nur bestätigen“, pflichtet da die Ankunftszeit bei, „mir geht’s ganz genauso.“

„Jetzt sag’ ich euch mal was“, meint da die Hochzeit, „ich könnte zwar viel erzählen, aber ich hoffe ihr versteht, dass ich das lieber für mich behalte.“

„Also, ich weiß nicht, die ganze Zeit hör ich euch jetzt schon zu“, meldet sich da plötzlich die Lebenszeit, „aber, bevor ich kapiere, worum es überhaupt geht, ist alles schon wieder vorbei!“

„Ach, macht euch doch nicht alle so verdammt wichtig“, ruft da zornig die Eiszeit dazwischen „Ihr werdet euch alle noch wundern!“ und wendet sich dabei an ihre Nachbarin:
„Oder, was meinst du dazu?“

„Genau!“, brummt da die Endzeit.

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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