Nix mit Kreuzfahrt...
Onkel Philip hatte mir in seinem Testament außer der goldenen Uhr und dem Aquarium auch noch ein großes Album mit Münzen vermacht. Eine Sammlung zum Teil wunderschön glänzender Münzen aus aller Welt, geordnet von Afghanistan bis Zanzibar.
„Leider ganz billige Massenware“, klärte mich der Händler beim Durchsehen auf, „für wirkliche Sammler ist nichts Interessantes dabei. Die kauft mir kein Mensch ab, so leid es mir tut.“
„Aber“, entgegnete ich ungläubig, „da sind doch sogar ein paar alte Silbermünzen dabei, die müssen doch was wert sein.“
„Nun“, meinte der Händler, „in eins-A Erhaltung vielleicht ja, polierte Platte und so, ohne Kratzer, wenn Sie verstehen was ich meine.
Aber für die hier, für die bekommen Sie vielleicht gerade mal den Silberwert, aber selbst der ist momentan völlig im Keller!
Hier... Die eine da, Haiti, ein Gourde, 1889, die sieht auch noch gut aus, die könnte vielleicht interessant sein.“
Er deutete auf eine unscheinbare kleine Münze aus Bronze. „Ist offenbar irgendwie dazwischen geraten. So eine Münze gehört eigentlich gar nicht in eine derartige Sammlung. Allerdings müsste die erst noch geprüft werden.“
Er drehte die Münze in seinen Fingern unter einer Lupe hin und her.
Schüchtern fragte ich: „Und, wie viel könnte die denn wert sein?“
„Na ja“, meint er, „das kommt jetzt darauf an, so was kann schon so um die zwei oder drei bringen.“
„Zwei oder drei Euro?“
Der Händler lächelte, „Wo denken Sie denn hin. Zwei- dreitausend Euro natürlich!
Aber da müsste ich mir erst einmal einen Spezialkatalog besorgen“
Ich dankte, klappte das Album zu und ging. Auf dem Nachhauseweg schaute ich noch in einem Reisebüro vorbei und ließ mir Prospekte über Kreuzfahrten mitgeben.
Sicherheitshalber besuchte ich am nächsten Tag noch einen weiteren Münzhändler. „Ich habe hier eine seltene Münze, die ich gerne verkaufen würde“, begann ich selbstbewusst. „Hier, ein Gourde, Haiti 1889“, verkündete ich stolz und reichte die Münze über den Tresen.
Ich war entschlossen, nicht unter Dreitausend zu gehen.
„Schönes Stück“, meinte der Händler, „toll, aber da gibt es so viele Varianten, ich hab aber den richtigen Katalog jetzt nicht hier, damit ich die genauer bestimmen könnte.“
Das hat jetzt keinen Sinn, dachte ich. Ich wollte nicht warten, ich wollte verkaufen! Ich wickelte die Münze wieder ins Tempotaschentuch, dankte und ging.
Mit der Straßenbahn fuhr ich zwölf Stationen, um einen weiteren Münzhändler im Osten der Stadt aufzusuchen.
„Sehr schön, Haiti 1889, ein Gourde, Bronze“, meinte dieser, „so wie’s aussieht sogar eine stamped B.P.“
Ich sah mich schon beim Sonnenuntergang im Abendwind an der Reling eines weißen Kreuzfahrtschiffes stehen. Voller Ungeduld wollte ich wissen: „Wie viel?“
„Ich bin mir jetzt aber gar nicht sicher, ob es die 89er oder die 88er ist, die bisschen was wert ist. Da müsste ich erst mal in den letzten Auktionskatalogen nachlesen.“
„Was heißt bisschen was wert?“ fragte ich erstaunt.
„Na ja, wie ich schon sagte, kommt jetzt drauf an, welche Jahreszahl... Sie verstehen. Je, nachdem, zwischen zehn Dollar und dreitausendfünfhundert. Da gibt’s nämlich gewaltige Unterschiede!“
Wieder wickelte ich meine Münze ins Taschentuch und ging.
Unter Dreitausendfünfhundert geb’ ich die jetzt nicht mehr her, wär’ ja noch schöner, dachte ich. Vielleicht ist die ja sogar noch viel mehr wert, die haben da ja auch noch ihre Handelsspannen drauf. Ich muss eben nur den richtigen Händler finden. Zuhause wälzte ich den Anzeigenteil der Zeitung und das Branchen-Telefonbuch.
Mit mehr als zehn Adressen, die ich mir notiert hatte, machte ich mich am nächsten Tag wieder auf den Weg.
„Aha, eine ein-Gourde, Haiti, ne 89er, Stamped B.P, sogar Reverse is blank!”, sagte der Händler genüsslich, „hat man ja selten in der Hand, so was Schönes! Da haben Sie aber Glück, ne 88er würde nämlich kaum was bringen.“
„Und... wie viel bringt die jetzt?“ fragte ich ganz aufgeregt. Offensichtlich hatte ich jetzt endlich mal einen Händler mit Sachverstand gefunden. In Gedanken sah ich mich schon im Liegestuhl auf dem Deck Cocktails schlürfen.
„Die muss genauer geprüft werden, um mehr sagen zu können“, meinte er.
„Was heißt das?“
„Die müsste erst mal unter ein Spezialröntgengerät, um festzustellen, was sie für einen Kern hat. Von den meisten Münzen dieser Preiskategorie tauchen nämlich immer wieder Fälschungen auf.
Hier, sehen Sie, die Verfärbung am Rand macht mich stutzig! Könnte auf einen Eisenkern hindeuten.“
Beide beugten wir uns über die große Lupe.
„Wie gesagt, – könnte aber auch ganz natürliche Patina sein, ich will da aber jetzt nicht dran rumkratzen.
Wir können gerne ein Gutachten anfertigen, dazu müsste die Münze aber an einen numismatischen Sachverständigen geschickt werden. Das kostet aber...!“
„Wie viel?“ wollte ich wissen.
„Na, so um die Drei- Vierhundert schon. Aber dann hätten sie es schwarz auf weiß, was sie wert ist.
Ist allerdings ein Risiko, wenn’s nämlich ne Fälschung ist, dann war’s für Sie ein Griff ins Klo!“
„Und, wenn’s ne Fälschung ist, ist die dann auch noch was wert?“ will ich wissen.
„Nun, ein Liebhaber wird Ihnen da vielleicht zehn bis zwanzig Euro zahlen, falls Sie einen finden, der die Münze zur Komplettierung seiner Sammlung haben will“, meinte er.
Nix also mit der Kreuzfahrt, dachte ich resigniert.
Ich habe die Münzsammlung samt der eigenartigen haitianischen 89er Ein-Gourde-Bronzemünze testamentarisch meinem Neffen Georg vermacht.
Soll der sich doch ein paar Tage frei nehmen, um die Echtheit prüfen zu lassen und sich dann - wenn überhaupt - vom Erlös mit seiner Freundin ein paar schöne Stunden in einem Café machen!
Bürgerreporter:in:Wolfgang Kreiner aus München |
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