Auch Aufreißer können scheitern...

Schon beinahe eine Stunde sitzt er an der Theke der Bar und stochert gelangweilt mit dem Strohhalm in seinem Drink herum. Nur wenige, ebenso gelangweilte Gäste sitzen verstreut in der Bar herum, aber nirgends auch nur ein weibliches Wesen.
Ihm wäre nach Flirten, nach einem gekonnten Aufriss. Alles Weitere könnte man dann ja sehen. Er hätte heute frei und unendlich Zeit, das Wetter wäre auch danach.
Donnerwetter…, gerade als er gehen will, taucht eine auf und nimmt zwei Barhocker von ihm entfernt Platz.
Mit einem Seiten-Kennerblick taxiert er die Dame kurz. Elegantes Kostüm, hübsch, blond, tolle Figur und kein Ring am Finger. Typ Geschäftsfrau und vermutlich aus ähnlichen Gründen hier. Naja, blond und vielleicht aber auch Typ Dummchen? Da könnte sich etwas für den Rest des Tages ergeben denkt er. Oder sogar etwas für die Nacht?
Nach einigen Minuten rückt er mit seinem charmantesten Lächeln, welches er aufzusetzen in der Lage ist, näher.

Dieser Typ, von Zahnarzt bis Vertreter alles möglich, sieht ja nicht schlecht aus, denkt sie. Aber dieses komische Grinsen und aufdringliche Heranrücken gefällt mir nicht. Vermutlich kommt er sich unwiderstehlich vor, aber, nimmt sie sich vor, wenn der mich jetzt anmacht, dann bekommt er die blödesten Antworten, die mir gerade einfallen.

Verzweifelt sucht er nach einem geschickten, eleganten und dennoch geistreichen Einstieg in eine Unterhaltung.

„Wunderschönen Tag gnädige Frau…“, etwas anderes fällt ihm momentan einfach nicht ein, „geschäftlich hier? Ich habe Sie, glaube ich, schon mal gesehen!“

„Nein, nur so auf der Durchreise“, antwortet sie.

„Ich glaube mich zu erinnern, Sie heute Morgen gesehen zu haben, als Sie in ein weißes Sport-Cabrio einstiegen. Ich dachte mir noch: welch eleganter Anblick, welch interessantes Ensemble – Sie und das Auto. Es passt einfach zu Ihnen!“

„Nein, mein Herr, Sie müssen sich täuschen. Ich habe keinen weißes Auto!“ Diesen Typen fällt auch nichts Neues mehr ein, denkt sie und nippt, ohne ihn anzusehen, kurz an ihrem Drink.

Forsch rückt der Unwiderstehliche jetzt näher und bleibt hartnäckig beim Thema:
„Aber Sie fahren doch so einen helles Cabriolet?“

„Nein!“, erwidert sie nur knapp.

„Aber, was für ein Auto fahren Sie denn? Entschuldigen Sie bitte die direkte Frage!“

„Ein Dunkelblaues!“

„Nein, nein, ich meine: welche Automarke?“

„Keine Ahnung, einen Dunkelblauen halt. Ich denke Metallic oder so?“

„Aber…, gnädige Frau, Metallic ist doch keine Automarke, sondern nur eine spezielle Lackart – Mehrschichtenlackierung sozusagen!“

„So, so, das wusste ich nicht“, erwiderte sie erstaunt gelangweilt.

„Ist wohl ein Leihwagen?“

„Nein…, ist schon mein eigenes Auto!“

Er lächelt nachsichtig. „Nun…, verzeihen Sie, aber ich bin nun mal ein ziemlicher Autonarr!“

„Ich überhaupt nicht.“, erwidert sie.

„Nun.., aber jeder Mensch kennt doch seine eigene Automarke oder wenigstens den Namen, die Bezeichnung seines Autos?“

„Soso…, Autos haben sogar Namen oder Bezeichnungen? Das hab ich nicht gewusst!“

„Nun…“, fängt der Unwiderstehliche erneut an, als rede er mit einem kleinen Mädchen, „Ihr Auto hat doch vorne auf der Haube oder am Grill ein Firmenzeichen, irgendein Emblem und auf dem Kofferraumdeckel eine Bezeichnung für den Typ, oder?“

„Ist mir noch nie aufgefallen“

Krampfhaft überlegt er, wie er bei der technisch offensichtlich minderbemittelten Dame punkten könnte.

„Nehmen Sie Diesel oder Super?“

„Danke, ich trinke nur Prosecco-Aperol, und ich habe schon einen.“

Er lacht. „Nein Gnädigste, ich meinte, was Sie in Ihren Wagen tanken.“

„Keine Ahnung, der Mann an der Tankstelle macht da irgendetwas hinein, bis die Wanne voll ist.“

„Die Wanne?“, der Unwiderstehliche grinst. Einen kurzen Augenblick ist er sprachlos, bevor er einen letzten verzweifelten Versuch wagt:

„Bei welcher Vertretung lassen Sie denn Ihre Inspektion machen!“

„Blaue Autos brauchen so was nicht, meint der Mann an der Tankstelle.“, erwidert sie mit unbewegter Mine.

„Aha, blaue Wagen brauchen was nicht?“, wiederholt er tonlos.
Es dämmert ihm, dass er so keinesfalls weiter kommt. Er beschließt aufs Ganze zu gehen.
„Also…, Gnädigste vergessen wir alles. Ich selbst fahre einen roten Porsche Carrera, ein Cabriolet. Steht draußen direkt vor der Bar. Wissen Sie was; ich lade Sie zu einer kleinen Spazierfahrt ein und erkläre Ihnen dabei ein paar Dinge, die jeder, der ein Auto fährt, wissen sollte. Anschließend trinken wir noch irgendwo ein Gläschen Champagner oder so…?“

„Das wird kaum gehen…“, meint sie keck.

„Warum denn nicht?“, erwidert er verwundert.

„Weil…“, sagte sie, während sie zahlte und elegant vom Barhocker herunter glitt, „als ich vorhin herein kam, gerade ein knallrotes Porsche-Carrera-Cabriolet von einem Abschleppdienst aufgeladen wurde, weil es vor der Feuerwehreinfahrt gestanden hatte.

Ihr Lächeln in Richtung des Unwiderstehlichen beim Hinausgehen war wohl erstmals währen der ganzen Unterhaltung wirklich ernst gemeint.

Wolfgang Kreiner ©2010

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Kreiner aus München

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