Rabensturzflug
Eigentlich wollte ich heute kurz nach Sonnenaufgang um 7 wieder Vögel fotografieren. Also bin ich schon mal etwas früher in die Falle gegangen, um 4, damit ich auch wach werde, wenn es soweit ist und das hat auch bestens geklappt. Um kurz nach 7 bin ich aufgestanden, zum Fenster gewankt, und habe dann festgestellt, dass ich offensichtlich doch nicht aufgewacht bin, sondern nur träume, aufgewacht zu sein, hatte aber in diesem luziden Traum auch gleich einen Grund eingebaut, um erkennen zu können, dass es sich gar nicht rentiert, aufzuwachen.
Verwirrend? Keineswegs: Draußen lag Schnee. Also habe ich meine Brille aufgesetzt, um sicher zu sein, dass ich mich nicht verschaut habe, aber trotz verbesserter Optik verschlechterte sich das Bild. Drastisch. Es lag nicht nur Schnee, sondern es schneite dazu auch noch!
Um den blöden Alptraum zu beenden, beschloss ich, weiter zu pennen. Was ich auch tat.
Als ich dann gegen Mittag noch einmal aufwachte, diesmal so ganz richtig, ohne dem Gefühl zu träumen, war es zwar draußen immer noch wolkenverhangen, aber es gab einzelne Wolkenlücken. Und vor allem: Es lag kein Schnee und es schneite auch nicht.
Also schnappte ich mir die Kamera, stellte mich ans gekippte Fenster, wo immer noch der Geruch von Schnee hereinwehte, und hielt Ausschau nach Vögeln. Was gar nicht nötig gewesen wäre, denn die machten durch einen lauten Streit zwischen drei Amseln von selbst auf sich aufmerksam.
Eine der Amseln stand im Nachbargarten nahe an der Zaunhecke, zwitscherte dort lautstark in Richtung Terrasse, wo zwei weitere Amseln doppelt so laut vor der Thujenhecke zurückzwitscherten. Natürlich schoss ich ein Foto nach dem anderen.
Irgendwann verschwand die Amsel am Zaun im Gebüsch, die beiden anderen gingen in der Wiese spazieren und fraßen Dinge, die ich nicht erkennen konnte. Im Bereich der Mülltonnen flog ein Grünfinkenpärchen herum, hielt sich aber nicht lange dort auf.
Nach vielleicht fünf Minuten und gefühlten 100 weiteren Fotos hörte ich über mir auf der Dachgaube etwas Schweres landen. Vermutlich ein Blackbird. Die haben so harte Krallen, dass ich vor ein paar Jahren, als ich das Geräusch zum ersten Mal hörte, dachte, das sei ein Waschbär. Die gab es hier übrigens wirklich einmal. Damals waren in Erding (oder war es Ebersberg? Hm, vergessen...) mehrere ausgewildert worden, und einen hat es aus Gründen, die ich nicht kenne, hier her verschlagen. Ich hab den damals oft in der Nacht im Garten gehört, konnte ihn anhand seiner Fußabdrücke identifizieren und weis, dass die auch auf Garagendächer klettern. Wieso also nicht auch auf Hausdächer?
Aber der Waschbär ist damals überfahren worden, und seitdem ist kein weiterer hier aufgetaucht. Also war soeben wirklich ein Blackbird gelandet.
Die beiden Amseln ließen sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen, liefen weiter durch die Wiese und mampften, was das Zeug hält. Ich hab mir eingebildet, in der Hecke noch weitere Vögel quietschen zu hören, aber die können doch nicht jetzt schon Junge haben? Ist irgendwie noch zu früh im Jahr.
Und dann schrie der Blackbird über mir drei mal sehr laut “krack!”, was für mich so klang, als würde aus “Aus der Bahn!“ schreien, und nahm Anlauf. Worauf die beiden Amseln in heller Hektik zurück in ihre Hecke rannten, und dort völliges Schweigen herrschte.
Der schwarze Schatten, der dann an meinem Fenster vorbei stürzte und mit lauten Flügelschlägen an Höhe gewann, hatte sie offenbar verschreckt. Ich hielt natürlich sofort mit der Kamera drauf – und ein Bild war tatsächlich ein Volltreffer! Ein Blackbird der Sorte Kolkrabe von hinten, aus vielleicht 20 Meter Entfernung.
Als ich mir die Fotos nachher genauer ansah, den Ausschnitt mit dem Blackbird vergrößerte, fielen mir die Winglets an seinen Flügelenden auf. Mittlerweile wurden die ja von der Luftfahrtindustrie übernommen, da sie den Strömungsabriss an den äußeren Flügelkanten verringern und damit deren Wirkungsgrad verbessern. Ein gelungenes Beispiel, wie die Technik von der Natur lernen kann.
Die zweite Überraschung erlebte ich, als ich die Bilder von dem Amselpärchen ansah…
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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