Anton, Teil 2 (Der Aussichtsbaum)
Bei mir im Vorgarten steht eine Blutbuche, und das seit rund 40 Jahren. Da irgend wann einmal ihre Spitze gekappt wurde, ist sie ausgesprochen buschig gewachsen, hat in fast drei Meter Höhe eine Verzweigung im Stamm. Das ist bei Anton natürlich nicht unbemerkt geblieben.
Ich hatte im Sommer 1998 mehrfach beobachtet, wie der Kater unter die Blutbuche ging, von Außen nicht mehr zu sehen war und manchmal erst Stunden später wieder auftauchte. Also bin ich ihm gefolgt, bin unter den Baum gekrochen, fand ihn aber nicht. Folglich konnte er nur hochgeklettert sein. Und tatsächlich, er saß in der Astgabel, sah zu, wie ich vorsichtig neben dem Stamm aufstand und schließlich ‚in’ der Buche stehen konnte.
Als ich mich umsah, wurde mir klar, was Anton hier die ganze Zeit tat: Die Umgebung beobachten ohne selbst gesehen werden zu können. Also blieb ich und blickte ebenfalls aus der Buche heraus, konnte Autos vorbeifahren und Menschen spazieren gehen sehen.
Ab diesem Tag gingen Anton und ich dann öfters zusammen ‘in’ die Buche, diesen getarnten Aussichtspunkt. Wenn ich dabei war, kletterte der Kater fast nie bis zur oberen Astgabel, sondern stand oder setzte sich auf Äste in meiner Augenhöhe. Ich schoss Fotos von Anton, zusammen beobachteten wir ahnungslose Passanten, die nicht einmal ahnten, dass hier jemand war, und nach einer Stunde, manchmal früher, manchmal später, verließen wir die Blutbuche wieder, um andere für Katzen interessante Dinge anzusehen.
Seit dieser Zeit bin ich mir nie sicher, ob mich nicht vielleicht eine Katze beobachtet, wenn ich an einem dichten Gebüsch oder Baum vorbei gehe.
Bürgerreporter:in:B Göpfert aus München |
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