Kreistagssitzung am 21. Juni: Mehrheit nickt Breitbandkonzept ab
DIE LINKE. Marburg-Biedenkopf
Fraktion im Kreistag
Marburg im Juni 2013
Kommunalpolitik ist spannend. Die Entscheidungen betreffen die Bürger_innen unmittelbar. Zudem haben der Kreistag und die Gemeindevertretungen den Vorteil, dass die Entscheidungsträger direkt befragt werden können: Warum hast Du jetzt so entschieden und nicht so.
Auf der Sitzung des Kreistages standen unter anderem diese Themen auf der Tagesordnung: Jahresrechnung 2010, flächendeckendes schnelles Internet im Landkreis, Medizinische Versorgungszentren, Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes, Armutsbekiämpfung oder die Fortschreibung des Schulentwicklungsplanes - für die Bevölkerung des Landkreises durchaus wichtige Themen.
Die vollständige Tagesordnung mit den Vorlagen finden Sie hier.
Nachfolgend Stellungnahmen der Fraktion DIE LINKE zu einigen Tagesordnungspunkten:
Aktuelle Stunde:
Rückkauf von E.ON-Mitte
Die Fraktion DIE LINKE beantragte eine Aktuelle Stunde zum Thema „Rückkauf von E.ON-Mitte durch die kommunalen Anteilseigner – Sachstand der Verhandlungen und mögliche Auswirkungen auf den Landkreis“. Seit Wochen wabern Gerüchte durch die Gazetten ohne dass Landrat Fischbach offiziell dazu Stellung nimmt. Auch die Meldung über die Gründung des Konsortiums „Stadtwerke Mitte“ und die Auswirkungen auf die Rekommunalisierung bleiben von offizieller Seite unkommentiert. Die Aktuelle Stunde sollte das Informationsdefizit des Kreistages beenden. Die Aktuelle Stunde wurde von der Mehrheit des Kreistages von der Tagesordnung abgesetzt. Sie fühlte sich offensichtlich gut informiert.
Anna Hofmann die Fraktionsvorsitzende sagt: „Es ist unfassbar. Eine der wichtigsten kommunalpolitischen Entscheidungen wird in geheimen Verhandlungen ausgekungelt und der Kreistag darf das Ergebnis hinterher abnicken. Und die Kolleginnen und Kollegen im Kreistag lassen sich das gefallen. Sie haben offenbar nichts aus den Fehlern in anderen Kommunen gelernt, in den wichtige Verträge unter Ausschluss der Gremien zustande kamen. Geheimverhandlungen haben in einer Demokratie und in der kommunalen Selbstverwaltung nichts zu suchen. Und dass der Landrat sich hinstellt und sagt: Ich darf nichts sagen, die Verhandlungen sind geheim. Diese Aussage ist in einer Demokratie eine Frechheit.“
Dringlichkeitsanträge „Ärztlicher Bereitschaftsdienst“ und Dringlichkeitsantrag „Kein Stellenabbau am UKGM“
Die beiden Dringlichkeitsanträge beschäftigten sich mit der Gesundheitsversorgung im Landkreis. Sowohl zum UKGM als auch bei der Neuregelung der Bereitschaftsdienste im Landkreis hat der Kreistag in der Vergangenheit deutlich Stellung bezogen. Deshalb war es für die Fraktion überraschend, dass den beiden Anträgen die Dringlichkeit nicht zugesprochen wurde, zumal die nächste Sitzung des Kreistages erst Ende September stattfindet.
Beim UKGM-Antrag sollte die kürzlich vorgelegte Studie von Notruf 113 zur Bewertung der „Gemeinsamen Vereinbarung“ von Landesregierung, Rhönklinikum und den beiden beteiligten Universitäten in Gießen und Marburg als Grundlage für eine erneute Willensbildung des Kreistages dienen, um die Patient_innenversorgung am Klinikum zu verbessern und den Stellenabbau zu verhindern.
Der Antrag zu den ärztlichen Bereitschaftsdiensten enthielt die Forderung, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe die juristischen Möglichkeiten des Kreistages zum Stoppen der „Reform“ zu prüfen und auszuloten.
Dr. Ingeborg Cernaj (Kreistagsabgeordnete DIE LINKE) sagte: Es ist doch ziemlich verwunderlich. In der letzten Sitzung wurden vom Kreistag scharfe Worte Richtung kassenärztlicher Vereinigung gerichtet. Die zeigt sich völlig unbeeindruckt. 45 niedergelassene Ärzte und fünf Psychotherapeuten entscheiden auf einer Versammlung über die Gesundheitsversorgung von über sechs Millionen Hess_innen. Das sollte nicht sein.
Und es wäre nicht schlecht, nicht nur auf dem Papier einen scharfen Protest zu formulieren, denn Papier ist bekanntlich geduldig. Meine Fraktion wird jedenfalls ernsthaft darüber nachdenken, mit welchen juristischen Mitteln diese deutliche Verschlechterung der ambulanten Versorgung der Bevölkerung im Landkreis doch noch verhindert werden kann. Und wenn es Möglichkeiten gibt, werden wir sie nutzen, das verspreche ich“
TOP 6 und 7 „ Flächendeckende Breitbandversorgung im Landkreis Marburg-Biedenkopf“ Vorlage des Kreisausschusses
Das Vorhaben, im gesamten Landkreis eine flächendeckende Breitbandversorgung mit leistungsfähigen Leitern zu installieren, ist völlig unumstritten. Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist nicht in Ordnung. Wieder verweigert der Landrat - zumindest in den Ausschüssen - zwingend notwendige Informationen. Der Kreistag soll bei der Finanzierung eine Art Blankoscheck ausstellen. Ohne zu wissen, wer zu welchen Bedingungen, welche Leistungen konkret anbieten wird, soll der Landkreis mit roundabout 10 Millionen Euro in Vorleistung treten.
Anna Hoffmann, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE, sagt: „Die Vorlage des Kreisausschusses ist eine Zumutung. Erst kommt sie verspätet. Dann sind nur die Vorleistungen des Landkreises beziffert. Die Zustimmung des Kreistages heißt, die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen. Offensichtlich hat der Landrat nichts aus den Desastern in anderen Kommunen gelernt. De Verträge gehören offengelegt und auf den Tisch. Und danach kann sauber beurteilt werden. Alles andere sind Verfahren aus der Feudalzeit und die soll ja vorbei sein, oder nicht?“
TOP 9: Beratung und Beschlussfassung über den zweiten doppischen Jahresabschluss des Landkreises Marburg-Biedenkopf für das Haushaltsjahr 2010 und Entlastung des Kreisausschusses
Dieser Tagesordnungspunkt ist ein ganz trauriges Kapitel. Hajo Zeller, Geschäftsführer der Fraktion, kommentiert: „Das ist ein Armutszeugnis für den Kreistag, dass er den Jahresabschluss ohne Aussprache und Diskussion absegnet. Welch großartige Redeschlachten liefern sich die Protagonisten bei der Verabschiedung des Haushaltes. Dabei vergessen sie, dass bei der Verabschiedung des Haushaltes über Pläne geredet wird, über virtuelle Zahlen. Die können stimmen oder auch nicht.
Richtige Zahlen, reale Zahlen, ein Abbild der Realität liefert nur der Jahresabschluss. Und diese Zahlen weichen zum Teil erheblich von den Planzahlen ab. Und das wird nicht diskutiert? Nach den Gründen gefragt? Eigentlich unfassbar. Zudem: Auch der Jahresabschluss 2010 ist nicht gesetzeskonform. Er wurde viel zu spät erstellt und vorgelegt. Vielleicht sollte der künftige Landrat doch einmal darüber nachdenken, ob in der Kämmerei und im Rechnungswesen ausreichen Planstellen vorhanden und auch besetzt sind?
TOP 10: „Änderung der Geschäftsordnung für den Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf“
DIE Fraktion sieht in der geänderten Geschäftsordnung (GO) nicht nur keine Verbesserung, sonder eine „Verschlimmbesserung“ der bisherigen. Die neue GO enthält, wie die alte, zahlreiche Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten. Hier hilft nur eine von Grund auf erneuerte GO. Die Fraktion wird bis Jahresende in Zusammenarbeit mit dem kommunalpolitischen Forum Hessen eine völlig neu konzipierte und unzweideutige GO vorlegen. Und darauf hoffen, dass die Vorteile klarer und unzweideutiger Formulierungen auch den Kolleg_innen in den anderen Fraktionen einleuchtet.
TOP 11: Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend "Kostenfreie Kinderbetreuung während der Kreistagsitzungen
Possenspiel im Kreistag - the same procedure as every session
Die Fraktion DIE LINKE bringt einen Antrag ein. Benennt ein Problem. Mal kleiner mal größer. Und macht einen Lösungsvorschlag. Diesmal war es eine Kinderbetreuung für Notfälle an Sitzungen des Kreistages. Das Problem wurde angemessen beschrieben und der Lösungsansatz war akzeptabel. Das sahen andere Fraktionen im Kreistag auch so. Aber anstatt dem Antrag zuzustimmen oder zu verbessern, stellte die regierende Koalition dem Antrag einen Alternativantrag entgegen. Entweder - oder. Dieser Alternativantrag war etwas allgemeiner gefasst und war als Ergänzung durchaus brauchbar, ein entweder - oder der beiden Anträge war sprachlich und inhaltlich nicht gegeben. Deshalb formuliert DIE LINKE ihren Antrag um. Die Formulierung war eine durchaus gelungene Synthese der beiden Anträge. Und sinnvoll.
Doch was passiert? Die Koalition pocht auf ihren Alternativantrag und zeigt, wo die Mehrheit im Kreistag sitzt. Hajo Zeller, Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE, merkt an: „Das ist Kasperletheater. Und die Fraktion wird jede Möglichkeit nutzen, dieses Verhalten in die Öffentlichkeit zu tragen. Nicht polemisch, nur informativ. Nur Vorgänge und Sachverhalte schildernd. Und dann werden wir sehen, über wen zuletzt gelacht wird. Ich bedaure, dass das Ansehen des Kreistages durch solche Spielchen herabgesetzt wird. Das sollten die Verfechter der „Alternativanträge“ bei nächster Gelegenheit bedenken.
Antrag DIE LINKE:„Kostenfreie Kinderbetreuung während der Kreistagssitzungen“ Alternativantrag Koalition: „Kostenfreie Kinderbetreuung während der Kreistagssitzungen“
Änderungsantrag DIE LINKE (Synthese): „Kostenfreie Kinderbetreuung während der Kreistagssitzungen“
TOP 12 Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend "Medizinische Versorgungszentren
Hier das gleiche Spielchen wie unter TOP 11, diesmal von der SPD. Mit ihrem „Alternativantrag“ bringt sie zwar inhaltlich keinerlei neuen Aspekt ins Spiel. Aber DIE LINKE als ernsthaften Mitspieler im Kreistag akzeptieren? Das geht nicht. Dr. Ingeborg Cernaj, Kreistagsabgeordnete DIE LINKE, ist darüber zu Recht erbost. „Wenn denn tatsächlich Alternativen in diesen Anträgen steckten, dann könnt ich ja noch zustimmen. Aber die unsinnige Regelung in der Geschäftsordnung bei Alternativanträgen nur einem der beiden Anträge zustimmen zu können, wird hier als Machtinstrument missbraucht. Die Macht der Mehrheit, eine Minderheit um öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen. Unsäglich albern und unredlich.“
Bürgerreporter:in:Hajo Zeller aus Marburg |
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