Kreistag Marburg-Biedenkopf
Heimatfront soll aufgebaut werden
Die Militarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft schreitet erschreckend schnell voran. Indizien für diese ungute Entwicklung existieren reichlich. Nicht nur die riesigen Summen, die für Kriege und Kriegsgerät bereitgestellt werden, machen fassungslos. Auch die neuen Motive der PR-Bilder des Führungspersonals erstaunen. Waren es früher gelbe Gummistiefel oder kalbende Gletscher, die sich positiv auf die Sympathiewerte der Abgelichteten auswirken sollten, vertrauen immer mehr Berater dem tödlichen Charme und der technischen Eleganz von blankpoliertem Tötungsgerät aller Art. Zu Zeiten von Willy Brandt, Helmut Schmidt oder auch Helmut Kohl undenkbar.
Nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen dringt die militärische Denkweise rasant in die Gesellschaft ein. Heimatschutzregimenter werden aufgestellt. Die Leitartikler der Lokalzeitung fordern „Mehr Wertschätzung für die Bundeswehr“. „Partnerschaften für den Reservedienst“ werden geschlossen (Zum Beispiel hier und hier) Im Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf steht in der nächsten Sitzung am 14. Juli der Antrag der Fraktionen von SPD und CDU „Kooperation von Bundeswehr mit Wirtschaft und Arbeitgebern zur Stärkung des Reservedienstes“ auf der Tagesordnung.
In diesem Antrag wird gefordert eine engere Kooperation zwischen Bundeswehr, Wirtschaft, Arbeitgebern und Landkreis aufzubauen: Interessant an dem Antrag ist vor allem, dass in der schriftlichen Begründung des Ansinnens nicht etwa die Kriege dieser Welt angeführt werden, sondern der Einsatz der Bundeswehr bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie im Landkreis. Bei der Diskussion des Antrages im Ausschuss des Kreistages "Wirtschaft, Infrastruktur und Digitalisierung" wurde dieses Versäumnis korrigiert und auf den Ukraine-Krieg verwiesen.
Dass dieser Antrag nur ein erster Schritt zum Aufbau einer Heimatfront ist, beweist der Hessische Landkreistag. Bei der Präsidiumssitzung am 27. April 2023 wurde beschlossen, den Aufbau eines Heimatschutzregimentes in Hessen grundsätzlich zu unterstützen. Die Fraktion DIE LINKE im Kreistag und der Einzelabgeordnete Dr. Frank Michler von „Weiterdenken Marburg“ werden das Ansinnen ablehnen. Ob über den Protest in der Aussprache zu dem Antrag hinausgehend, noch ein Änderungsantrag gestellt wird, ist derzeit noch offen.
Der Antrag ist ein weiterer Schritt, die gesunde Militärskepsis, die in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg vorherrschte, zum Verschwinden zu bringen. Und ein weiterer Schritt das Friedensgebot des Grundgesetzes auszuhöhlen. Dabei ist die gegenwärtige Politik der Militarisierung nicht alternativlos. Die Friedenslogik bietet die Ansätze zu zivilen Konfliktlösungen.
Bei der Friedenslogik steht das Problem der Gewalt Im Mittelpunkt – und zwar unabhängig davon, wer sie ausübt, wen sie betrifft und in welcher Form sie sich manifestiert. Ziel ist ihre Prävention im Vorfeld. Dort, wo es bereits zur Gewalt gekommen ist, geht es um ihre Beendigung sowie um eine Nachsorge, die auch einem erneuten Griff zur Gewalt entgegenwirkt. Hierbei stellen sich folgende Fragen: Wodurch ist das Problem der Gewalt entstanden? Wie können die ihr zugrundeliegenden Konflikte transformiert werden? Welche eigenen Anteile haben wir selbst am Konflikt? Wer muss einbezogen werden, um gemeinsam eine Lösung zu finden? Welche ethischen Grundsätze sind handlungsleitend? Und nicht zuletzt: Wie wird mit Misserfolgen umgegangen?
Mehr zur Friedenslogik hier und hier
Weiterführende Informationen zu Bundeswehr im Inneren
Verfassungsrechtler hält Corona-Einsatz der Bundeswehr für schwierig
„Grundsätzlich hat die Bundeswehr im Inneren nichts zu suchen“, so die Einschätzung des Verfassungsrechtlers Volker Boehme-Neßler zu Einsätzen der Bundeswehr im Inneren Dies sei eine Lehre aus der Geschichte. „Das Grundgesetz ist eine Antwort auf das total durchmilitarisierte Nazi-Deutschland.“ Bewaffnete Soldaten, die etwa mit gepanzerten Fahrzeugen im Inland Parlamente schützen, seien undenkbar. „Die Bundeswehr darf vom Grundgesetz her nur die Bundesrepublik Deutschland nach Außen verteidigen.“
Hessischer Landkreistag: "Partnerschaft für den Reservedienst mit der Bundeswehr"
Bundeswehr will dem "starken Rückgang der Reservisten" u.a. mit dem Projekt "Kooperation der Bundeswehr mit Wirtschaft und Arbeitgebern" entgegenwirken
Infoblatt der Bundeswehr zum Projekt "Kooperation mit Wirtschaft und Arbeitgebern"
Bürgerreporter:in:Hajo Zeller aus Marburg |
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