Hadsch - Die Pilgerfahrt
Liebe Leser,
während wir uns hier in Deutschland in der Kälte auf das Weihnachtsfest in ca.6 Wochen vorbereiten , beginnt für die Muslime in aller Welt in einer Woche am 30.11.2008/01.12.1429 der Monat der Pilgerfahrt.
Was ist die Pilgerfahrt eigentlich ? Sie ein sehr wichtiger Baustein des muslimischen Glaubens - des Islam.
Die PILGERFAHRT
Einmal in seinem Leben sollte ein Muslim, wenn es ihm möglich ist, wenigstens die große Pilgerfahrt, die Hadsch nach
Mekka zum Hause Abrahams und nach Medina zur Moschee
des Propheten, Friede sei mit Ihm, unternehmen !
Die Hadsch ist gebunden an verschiedene Auflagen:
Derjenige, der die Hadsch durchführen will, muss Muslim
sein, er muss gesund und fähig sein, die Hadsch unternehmen
zu können, d.h. er muss finanziell dazu in der Lage sein, ohne
sich dabei zu verschulden. Er muss sein Haus bestellt haben,
d.h. er muss eine eventuell zurückbleibende Familie versorgt
haben und ein gültiges Testament hinterlassen. Erst wenn all
das geregelt ist, kann er sich auf den Weg machen. Frauen können die Hadsch nicht alleine durchführen. Es muss immer ein
männlicher Verwandter dabei sein.
Die Hadsch kann man nur im Monat Zhul Hidschra, welches der 12. Monat des islamischen Jahres ist, durchführen,
und ist damit während der Hadsch an feste Riten und Vorraussetzungen gebunden, ohne die die Pilgerfahrt gar nicht gültig
wäre, und deren Erfüllung dem Muslim helfen soll, das religiöse Bewusstsein zu erreichen, das der Bedeutung dieser Reise zu den Heiligen Stätten des Islam angemessen ist.
Man kann natürlich, wenn man Muslim ist, das ganze Jahr
über die Heiligen Stätten besuchen, ein solcher Besuch gilt
dann als kleine Pilgerfahrt ‚Al-Umrah’ genannt.
Eines ist jedoch sowohl bei der Hadsch als auch bei der ‚Umrah’ gleich. Man trifft Brüder und Schwestern aus allen Erdteilen, und egal, ob groß, ob klein, hoch oder niedrig, arm oder
reich, ob aus Süd oder Nord, Ost oder West, alle tragen während der Pilgerzeit den „IHRAM“, ein Gewand aus zwei ungesäumten Tüchern, weiß, und absolut einer gleich dem Anderen,
denn vor Gott sind wir alle gleich. Diese zwei Tücher symbolisieren gleichzeitig die Leichentücher, in die man gehüllt wird,
wenn man gestorben ist, denn wir nehmen nichts mit von dieser
Welt, außer unseren guten Taten!
Jede gut absolvierte Pilgerfahrt bringt einen in den Zustand
eines Neugeborenen, frei von Sünden, man beginnt also ein
völlig neues Leben.
In der Pilgerzeit, in der man nicht streiten darf, in der niemand
verletzt werden darf, auch nicht mit Worten, in der man sich
nur um sich selbst und um sein Seelenheil kümmern soll, und
um das seiner Mitmenschen, ist man eingebunden in eine welt-
weite Gemeinschaft von Gläubigen, die alle nur ein Ziel haben,
eine erfolgreiche Pilgerfahrt zu vollenden!
Im Schabaan 1412 / Februar 1992, zwei Jahre nach meinem Eintritt in den Islam, ein halbes Jahr nach meiner Beschneidung,
mit 35 Jahren , eigentlich ist die Beschneidung nicht zwingend erforderlich, aber ich wollte ganz und gar dazu
gehören, richtiger Teil der großen Familie und Gemeinschaft der Gläubigen sein und mich in eine
Reihe stellen von Abraham an bis heute und ich hätte mich selbst nicht wohl und nicht dazugehörig gefühlt unbeschnitten die heiligen Stätten zu besuchen , ich bin also dann zu meiner ersten, und ich hoffe und
bete, dass noch weitere folgen werden, Umrah aufgebrochen !
Schon die Anreise über Dschidda nach Medina, wo wir, zwei
Freunde aus Marokko und ich, die erste Woche verweilten, war
für mich ein Traum.
Wir hatten uns in einem Hotel genau gegenüber der Propheten-Moschee eingemietet und konnten von dort aus immer
pünktlich zu Gebet sein.
Wir haben außerdem die Moscheen Quba, Quiblatin und
Dschumma besucht und einen Abstecher nach Uhud zum Grab
von Hamza(r), dem Onkel des Propheten, Friede sei mit Ihnen,
unternommen.
Hatten wir für Medina eine Hotelvorbuchung vorgenommen,
so galt das für Mekka nicht. Wir fuhren mit einem Taxi einfach
drauflos. Die Karawanenstraße von einst ist heute eine zum
Teil 6-8-spurige Autobahn, doch die Reise war wunderschön.
Es hatte in der Nacht zuvor geregnet und die Wüste blühte zum
Teil in den buntesten Farben. Zu jeder Gebetszeit fand sich eine
Raststätte oder ein Fleckchen, wo wir unsere Gebete verrichten
konnten.
Spät nachmittags kamen wir in Mekka an, und da wir nichts
vorreserviert hatten, klapperten wir ein Hotel nach dem anderem ab. Und beim dritten oder vierten wurden wir fündig,
wir bekamen ein schönes Zimmer exakt gegenüber dem Bab
El Umrah (Umrah-Tor)! Besser konnte es schon gar nicht mehr
sein!
Und dann - Eintritt in die große Moschee: alles weiß, nur die
KAABA, der Würfel, in schwarze Tücher mit goldener Schrift
gehüllt, ein unglaublicher Kontrast. Meine Freunde sagten mir
später, ab diesem Moment sei ich nicht mehr ich selbst gewesen. Ich sei irgendwie auf einer völlig anderen Ebene gewan-
delt. Obwohl ich alles bewusst wahrgenommen habe, die 7 Umrundungen der KAABA, das Gebet am Platz des Abrahams,
der Lauf zwischen den Hügel von Safwa und Marwa mit der
symbolischen Wassersuche und schließlich das Wasser selbst.
Das Wasser des Brunnen Zam-Zam ist kühl erfrischend und
belebend, noch nie habe ich soviel Wasser getrunken und so
köstliches Wasser!
Nirgendwo sonst bin ich mir der Gemeinschaft der Gläubigen
so bewusst geworden wie bei dieser ‚Umrah’ und speziell hier
in der großen Moschee von Mekka.
Nirgendwo sonst habe ich die Brüderlichkeit hautnaher erleben können als auf dieser Reise. Nirgendwo sonst habe ich mich
der Majestät GOTTES näher gefühlt als dort. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, nach dem Morgengebet die Sonne hinter
der KAABA aufgehen zu sehen, erst ist es schwarz, dann wird
es dunkelblau, lila, rot, orange und gelb und ich schaue hinter
mich und dort ist es noch schwarz – ein unglaubliches Schauspiel!
Ebenso wunderschön und unbeschreiblich ist es, mit über
100.000 Menschen zu beten. Die große Menschenmenge ist mir
zu keiner Zeit, und das ist fast ein Wunder, denn wo es geht,
meide ich normalerweise große Menschenansammlungen, da
ich Platzangst bekomme, bedrückend oder laut vorgekommen.
Im Gegenteil: sie, und ich mittendrin, verrichten unser Gebet
in einem Unisono der Stille, nur unterbrochen von zeitweiligen
Qur‘an-Lesungen.
Die Menge der Gläubigen, räumt jedem Betenden seine Individualität ein, obgleich er aufzugehen scheint in der Masse.
Und wenn 100.000 und oder mehr oder weniger ‚AMIN’ sagen,
scheint die Erde zu zittern und die Seele bekommt Flügel.
Tausende umgleiten die KAABA, fast lautlos. Ein hypnotisierender Effekt, man könnte sie mit einem wogenden Ährenfeld oder der wogenden See vergleichen, eine unendliche Bewegung zu Vollkommenheit.
Ist man dort mitten drin und umkreist selbst die KAABA, was zu deutsch „Würfel“ heißt, diesen „Still Point“, den symbolischen Dreh- und Angelpunkt unserer Religion, dann begreift
man, dass ALLAH (t) weder im Osten noch im Westen ist, sondern jenseits von Zeit und Raum. Und man fühlt sich wie ein
kleines Rädchen in einem großen Räderwerk, wie ein Elektron,
das den Atomkern umkreist. Man weiß, man ist angekommen
und man glaubt, das, was mit ‚SALAM’ (Friede) gemeint ist,
mit den Händen greifen zu können.
Und nicht nur Menschen umkreisen die KAABA; es gibt in
Mekka unglaublich viele Tauben und andere Vögel, doch ich
habe beobachtet, dass kein Vogel auf der KAABA sitzt oder
dort kotet, ja wenn die Vögel tiefer als die Minarette fliegen,
fliegen sie um die KAABA herum, als würden sie selbst Tawwaf (die Umkreisungen) ausführen. Nur wenn sie höher als die
Minarette fliegen, queren sie die KAABA, aber auch dabei lassen sie nie etwas fallen!
Würde, Ästhetik, Glaubensintensität, Internationalität, all
das ist die große Moschee –Al-Masdschid al Haram- mit ihrem großen offenen Innenhof, in deren Mitte die schwarz umhüllte KAABA steht, ein Gebäude von großer Schlichtheit.
Wenn GOTT, um mit Ibn Sina zu sprechen, auch das Einfache
in höchster Potenz ist, dann ist dieses Gebäude in Form eines
einfachen Würfels, die bestmögliche Entsprechung dazu!
Es war für mich nicht einfach, Mekka bzw. die große Moschee wieder verlassen zu müssen, ja selbst bei unseren Ausflügen nach Mina, Muzdalifa und zum Berg der Gnade in Arafat
sehnte ich mich immer wieder zur KAABA zurück.
Der schwarze Stein, der so gut roch, die Brüder und Schwestern, die ich dort traf und mit denen ich zwischen den Gebetszeiten manchmal noch lange plauderte, die Atmosphäre von
Frieden und Glückseligkeit, anders kann ich es nicht beschrei-
ben, fehlt mir sehr. Ich danke ALLAH (t) dafür, dass ich es
schon einmal erleben durfte, und hoffe, es mindestens noch
einmal erleben zu können.
Inscha-Allah – Wie Gott will, es liegt alles in Seiner Hand
!
Auf dieses Ereignis bereiten sich nun die Muslime vor und es ist einer unserer wichtigsten Momente in unserem Leben. Ich wünsche allen Geschwistern auf der Pilgerfahrt ein gutes Gelingen und glückliche Heimkehr !
Bürgerreporter:in:Jürgen-Hartmut WEHMER aus Langenhagen |
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