1. Mai DGB-Vorabendfeier in Landsberg
Toni Reich, der Landsberger DGB-Vorsitzende, begrüßte Gewerkschaftsmitglieder und Gäste in der Gaststätte Lago di Garda zu einer Vorabendveranstaltung zum 1. Mai. Mit einer Beschreibung der vorherrschenden Arbeitswelt, in der Arbeitsplätze durch Jobs entwürdigt werden, Burnout zur Volkskrankheit wurde und die Schere zwischen arm und reich ständig weiter auseinander geht, identifizierte er sich weitestgehend mit den politischen Forderungen der SPD. Eine massive Kampfansage gilt der Altersarmut, der Jugendarbeitslosigkeit, der Diskriminierung der Frauen am Arbeitsplatz, dem Mietwucher.
In Vertretung des Landsberger Oberbürgermeisters, Mathias Neuner, überbrachte der SPD-Stadtrat, Dieter Völkel die besten Wünsche für die zukünftige Arbeit der Gewerkschaft. Für mich als Mitglied der SPD, betonte Dieter Völkel, ist soziale Gerechtigkeit kein leeres Schlagwort, sondern die zentrale Forderung, um die durchzusetzen, brauchen wir Gewerkschaften. Ein Glück, dass es sie gibt.
Mit einem Blick auf Europa zitierte Dr. Albert Thuner, der SPD-Landtagskandidat, den EU-Kommissar Laszlo Andor. Vom deutschen Modell, Wettbewerbsfähigkeit im Exportgeschäft durch moderate Löhne zu erkaufen, riet Andor der Süddeutschen Zeitung gegenüber ab. Viel-mehr sollten die heimische Nachfrage durch höhere Löhne angeregt und auf breiter Basis Min-destlöhne eingeführt werden. In der Eurozone müssten auch die Überschussländer ihre Politik ändern, nicht nur die Krisenstaaten. Wenn nicht, driftet die Währungsunion auseinander. Der Zusammenhang ist schon halb verloren, ist einem Artikel von AFP vom 29.04.2913 zu entnehmen. Dass Deutschland den Euro braucht und auch davon profitiert, daran ließ Dr. Albert Thur-ner keinen Zweifel aufkommen.
Das zentrale Referat bestritt die Personalratsvorsitzende der Münchner Finanzbehörde und Bundestagskandidatin der SPD, Angelica Dullinger. Der diesjährige erste Mai beginnt mit dem Motte „Gute Arbeit“. Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte setzen sich dafür ein, zusammen mit den Beschäftigten die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gute Arbeit steht im krassen Widerspruch zu den Arbeitsplätzen, an denen der Alltag von Stress und Burnout dominiert wird. Vor allem psychische Belastungen nehmen immer mehr zu. Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind keine Privatsache der Beschäftigten. Neben der Arbeitsverdichtung greift die heute geforderte Flexibilität weit ins Privatleben und Familie ein. Daher ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder unter drei Jahren ein gesellschaftlicher und gleichstellungspolitischer Quantensprung. Für SPD und Gewerkschaften ist es deshalb unabdingbar, dass mit dem Ausbau der Betreuungsplätze entsprechend mehr Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet und eingestellt werden müssen.
Für all diejenigen, die das bestehende Schulsystem durchlaufen haben, kommt eine weitere Durststrecke: die Ausbildung. Für viele Auszubildende ist es alltäglich, dass ausbildungsfremde Tätigkeiten und Überstunden verlangt werden, oft fehlt die Betreuung durch Ausbilderinnen und Ausbilder. Vor allem die Hotel- und Gaststättenbranche möchte immer wieder Nacht- und Wochenendarbeit für Minderjährige und damit das Jugendarbeitsschutzgesetz aufweichen. Das wird der DGB nicht hinnehmen und hat die Kampagne „Hände weg vom Jugendarbeitsschutzgesetz" gestartet.
Der Wirtschafts-Lobby fehlen angeblich die Fachleute. Dieser Mangel ist hausgemacht: nur noch jedes fünfte Unternehmen bildet selbst aus. Die Weiterbildung und Qualifizierung gibt ein ähnlich armseliges Bild ab. Statt "Fast-Food-Weiterbildung", ein Schlagwort, das zum Beispiel Kurse beinhaltet, die das Bewerbungsverhalten oder soziales Verhalten trainieren, sind heute an der Tagesordnung. Selbst die Bundesagentur für Arbeit bietet kaum noch abschlussbezogene Weiterbildung an. Hier fordern wir, dass rund 200.000 Fachleute pro Jahr qualifiziert werden. Außerdem sollten Betriebe zur beruflichen Weiterbildung verpflichtet werden.
Für die Hochschulen haben die Studierenden im Januar immerhin erreicht, dass endlich die Studiengebühr abgeschafft worden ist. Aber noch immer schaffen es von hundert Kindern nur 24 aus nicht-Akademiker-Familien an die Hochschule. Was jetzt fehlt, ist eine Erhöhung des BAföG, damit wie in den 70er Jahren, wieder ein Anteil von 50 Prozent bei den Studierenden erreicht werden kann.
Arbeit, die gleich gut ist, aber nicht gleich entlohnt wird, nennen wir Ausbeutung, argumentiert Angelica Dullinger. Bei rund 22 Prozent der Frauen in Deutschland ist das immer noch der Fall. Teilzeitarbeit und Arbeitsunterbrechungen wirken sich negativ auf das berufliche Fortkommen aus. Wir wollen Tarifverträge mit transparenten Eingruppierungen. Dazu bedarf es eines Entgeltgleichheitsgesetzes. Es muss Betriebe und Unternehmen verpflichten, die Entgeltstruktur auf Geschlechtergerechtigkeit hin zu überprüfen. Daneben arbeiten viele Frauen in Minijobs, das ist Arbeit zweiter Klasse. Minijobs müssen ebenso ausgestattet werden wie reguläre Arbeitsverhältnisse, mit Recht auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Wir brauchen den gesetzlichen Mindestlohn als Lohnuntergrenze. Zwei Drittel der mehr als 6 Millionen Beschäftigten, die hier zu niedrigsten Löhnen arbeiten müssen, sind Frauen. Damit bin ich bei der Armut in Deutschland gelandet, führt Angelika Dullinger weiter aus. Es gibt jetzt 20 Jahre „DieTafel“ in Deutschland. Das ist kein Grund zum Feiern, sondern zeigt, wie sich unsere Gesellschaft zunehmend spaltet. Ein menschenwürdiges Leben wird mit einer warmen Mahlzeit am Tag nicht erreicht. Wir fordern deshalb für Obdachlose und bedürftige Menschen eine Mindestsicherung für die soziale, kulturelle und politische Teilhabe am Leben.
Beste Ausbildung, ein sicherer Arbeitsplatz, gerechte Bezahlung und gute Arbeit sind Voraus-setzungen, die für eine sichere Rente sorgen. Die "Rente mit 67“ ist nicht nur eine Rentenkürzung. Sie verpflichtet zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit, schränkt die Selbstbestimmung ein und führt dazu, dass für junge Menschen keine Arbeitsplätze frei werden.
Worum hierzu Lande die Gewerkschaften so mühsam ringen, wird derzeit in unseren europäischen Nachbarländern zerstört. Es war nicht allein die Korruption oder die schlechte Wirt-schaftsleistung, die Griechenland in den finanziellen Ruin getrieben hat. Vor fünf Jahren hat der Finanzcrash tiefe Gräben in die Stabilität aller Staaten gerissen. Unsere Regierung hat von den vielen Vorschlägen zur Finanzkontrolle, Finanztransaktionssteuer so gut wie nichts umgesetzt. Stattdessen wurden Milliardenbeträge zur Bankenrettung locker gemacht, die mit einer Zerstörung von sozialen Systemen einhergehen. Die Rechte von Arbeitnehmern werden systematisch demontiert. Wer z. B. in Griechenland ohne Arbeit ist oder nur in einem prekären Arbeitsverhältnis ohne soziale Absicherung beschäftigt wird, ist de facto von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen; von Altersarmut bedroht. Viele Menschen verzweifeln. Viele werden gewalttätig. Dieser Entwicklung dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Sie erinnert zu sehr an die Geschichte, in der Gewerkschaftler und sozialdemokratische Politiker zu Tode geprügelt wurden. Dies darf sich nicht wiederholen. Mit viel Beifall, einer allgemeinen Solidaritätsbezeugung und einem Tusch von Berti aus Landsberg an seinem Keyboard fand die Veranstaltung einen würdigen Abschluss.
Bürgerreporter:in:Hans Bucsek aus Landsberg am Lech |
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