"Ich will das Schwein nicht sehn!"
Bericht über die Lesung von Frau Martje Herzog vor dem Landsberger Autorenkreis am Freitag, dem 07.07.2006
„Ich will das Schwein nicht sehn!“
Verständlich, der Wunsch der kleinen Gretel, dass sie die stinkenden, schmutzigen Schweine eines Bauernhofes nicht sehen will – doch wenn dieser lautstarke Ausruf gerade in dem Augenblick erfolgt, als Adolf Hitler in einem Autokorso die Straße an dieser Stelle passiert, ist es für die Eltern ein weniger schönes Vergnügen!
Kurz: Sie ging gut aus, diese heikle Szene aus dem autobiographischen Romananfang von Martje Herzog, die sie als Kind mit ihrer älteren Schwester im fiktiven Rungold in Schleswig-Holstein erlebte.
Weit und durchaus steinig war der literarische Weg, den Frau Herzog in ihrer Lesung vor dem Landsberger Autorenkreis am vergangenen Freitag nachzeichnete. Während der Dreharbeiten mit ihrem Mann Werner Herzog zu dem weltbekannten Film „Aguirre oder Der Zorn Gottes“ entstanden äußerst anspruchsvolle Gedichte über die Inkas und die Campesinos, in denen die heute schwierige kulturelle Situation dieser Region wie ein Aufschrei zum Ausdruck kommt. Branntweinbetäubt, Coca-kauend und fernab jeder Hoffnung fristen diese Inka-Nachkommen ihr ärmliches Dasein.
Englische und französische Gedichte, Bildbeschreibungen und Kurzimpressionen gaben einen beredten Eindruck von der Sprach- und Ausdruckskraft der Autorin. Während Stimmen aus dem Zuhörerkreis meinten, ihre Gedichte würden zu viel weglassen und seien zu anspruchsvoll, habe ihr ein Verlag mitgeteilt, diese seien zu deutlich und würden zu viel ausdrücken. Hier offenbart sich nichts weiter als das Grunddilemma lyrischen Schaffens.
Von inhaltlicher und sprachlicher Brillanz erwies sich das Vorwort zu ihrem eingangs zitierten Roman, das sich mit der Unmöglichkeit, einen Roman zu schreiben „über ein Leben, das nur aus Fetzen besteht“, befasst. Die Zuhörer erleben hautnah Szenen aus dem Leben der kleinen Emma mit: ihre Schulspeisung, ihre erste Begegnung mit Hitler und ihr Spiel im Wald, bei dem sie auf einem Baum die Leiche eines erhängten Kriegsverbrechers entdeckt.
Zuletzt kommt die Autorin in ihrer Fuchstaler Heimat an, aus der sie plastisch schildert, wie Freundinnen die Ermordung eines allzu peniblen Kaminkehrers planen. In diesem ausgefeilten Krimi wird diesem jedoch sein eigener Übereifer zum Verhängnis.
Die gekonnte Artikulation sowie die klare Aussprache der Autorin ließen den Abend zu einem literarischen Hochgenuss werden.
Bürgerreporter:in:Roland Greißl aus Fuchstal |
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