Farbexplosion in der Galerie „little ART“: Schlaganfallbetroffene Kinder malen mit Elena Janker

Amos (zweieinhalb) nennt sein Bild "Feuerteufel"
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Augsburg/München. Elena Janker, eine junge Frau mit blonden Locken, sitzt im leuchtend türkisen Malanzug mit zehn Kindern auf dem Boden ihrer Galerie in München-Schwabing. Die Kinder kommen aus dem Augsburger und Münchner Raum und haben ihre Eltern und teils auch ihre Geschwister mitgebracht.
Elena begrüßt alle und kündigt das Programm für den Tag an: „Wir werden schöne bunte Bilder malen.“ Das hört sich zunächst wie ein ganz normaler Malkurs an bzw. wie eine der üblichen Wochenend-Beschäftigungen für Kinder. Doch was da in der Galerie Little ART in der Münchener Amalienstraße stattfindet, hat mit einem normalen Malkurs nichts zu tun. Denn die Kinder, die neben Elena Janker sitzen, haben teils bereits im Mutterleib, teils in den frühen Jahren ihrer Kindheit einen Schlaganfall erlitten. Bei den meisten ist die Ursache gar nicht bekannt. Etwa 400 Kinder pro Jahr haben dieses Schicksal. Bei manchen Kindern gehen die Symptome zurück, andere aber müssen mit Behinderungen und Einschränkungen ganz unterschiedlicher Art leben: Halbseitenlähmung, Entwicklungsverzögerungen, Sprachschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, manchmal kommt noch eine Epilepsie hinzu.

Zurück zur Galerie little ART: Was kann Elena Janker dort für die Kinder nach Schlaganfall tun? „Vor einigen Jahren lernte ich auf einer Veranstaltung Dr. Brigitte Mohn, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, kennen“, erzählt Elena. „Wir kamen schnell ins Gespräch darüber, wie Malen Kindern mit Halbseitenlähmungen helfen kann.“ Schnell wurde Elena Janker für ein Familienseminar der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe verpflichtet, um dort mit den Kindern zu malen. Mit überwältigendem Erfolg: Gelähmte Kinderhände kamen durch den Vorgang des Malens in Bewegung. „Was dabei geschieht, sollte die ganze Welt erfahren“, sagt Elena, die selbst tief berührt war von dieser Erfahrung. Denn die Bilder wurden ausschließlich mit der betroffenen Hand gemalt und finden überall großen Anklang. Vor kurzem wurden im Bayerischen Hof mehrere dieser beim Familienseminar entstandenen Werke zu Gunsten der Schlaganfall-Hilfe versteigert und erzielten beträchtliche Summen. Demnächst wird auch das Flussbett-Hotel in Gütersloh weitere Bilder ausstellen.
Aber das Allerwichtigste: Den Kindern macht es so viel Spaß zu malen und sie sehen selbst deutlich die motorische Fortschritte in der gelähmten Hand. So erging es auch Sabine Frenkenberger aus Oberottmarshausen, deren Tochter Sandra eine der Teilnehmerinnen beim Familienseminar war. Familie Frenkenberger war so begeistert von den Ergebnissen, dass Mutter Frenkenberger, die selbst eine Selbsthilfegruppe für schlaganfallbetroffene Kinder für den Raum Augsburg/München leitet, für die Kinder ihrer Gruppe ein weiteres Malseminar mit Elena Janker organisierte. Auch die knapp zwölfjährige Sandra wollte unbedingt wieder malen. So kam es, dass zehn Kinder im Alter von zweieinhalb bis zwölf Jahren an einem Frühlingssamstag in Schwabing zusammentrafen. „Die Finanzierung des Vorhabens war möglich durch eine großzügige Spende der Dorfgemeinschaft Oberottmarshausen, die hauptsächlich aus dem Erlös des dortigen Christkindlmarktes stammte“, freut sich Sabine Frenkenberger, die 2002 die erste deutsche Selbsthilfegruppe für Kinder nach Schlaganfall gegründet hatte. Die Spende der Dorfgemeinschaft wird sogar noch für einen Teil eines Familienseminars ausreichen, zu dem sich im September 2011 zehn Familien in der Langau (Nähe Wieskirche) treffen werden.

Aber wie läuft nun das Malen bei little ART ab? Zunächst fordert Elena Janker die Kinder auf, ihre betroffene Hand auf den Tisch zu legen. Dann trommelt die mit ihren Fingern auf die Tischplatte und bittet die Kinder, auf die gleiche Weise das Leben in ihrer Hand zu erwecken. Ist das geschehen, suchen sich die Kinder und Jugendlichen eine Leinwand aus (oder verwenden eigene, mitgebrachte Leinwände). Elena erklärt ihnen, welche Farben zur Verfügung stehen und welche man gut kombinieren kann. „Welche Farbe brauchst Du jetzt?“, fragt Elena und die Kinder wissen ziemlich schnell, was sie wollen. Elena unterstützt, indem sie nach Anweisung der Kinder die gewählten Farben aus der Flasche auf die Leinwand gießt. Die Kinder wissen genau, wie viel Farbe sie wollen und wohin genau Elena gießen soll. Dann sind die Kinder an der Reihe: Sie bekommen eine Malerrolle mit Walze in die betroffene Hand. Damit lässt sich die Farbe leichter auftragen als mit einem Pinsel. Viele Kinder wollen instinktiv die Rolle sofort in die gesunde Hand nehmen, aber Elena und einige sie unterstützende Eltern passen auf, dass der Malvorgang ausschließlich mit der betroffenen Hand geschieht. Warum das so sein soll, erklärt die Pädagogin mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen.
Alle probieren das aus und entwickeln schon bald mit großer Freude gewagte und teils absurde, aber im Ergebnis letztlich sehr überzeugende und sogar faszinierende Kombinationen. Wer zunächst noch zögerlich war, der hatte beim zweiten oder dritten Bild schon ungeahnten Schwung und mehr Kraft in der betroffenen Hand.
„Die Kinder und auch wir Betreuer sind immer wieder überrascht, was sich da alles tut“, so die Malerin. „Die Bewegungen wirken wie Krankengymnastik“, erklärt Elena Janker. Die Kinder strahlen und manch einer glühte richtiggehend vor Freude! „Mama glaubt mir bestimmt nicht, dass ich das mit der rechten Hand geschafft habe“, so ein Mädchen.
Elena Janker beeinflusst die Kinder beim Malen nicht, sie gibt nur Anleitung und Hilfe und zeigt an einem Beispiel, wie man die Farbe aufträgt. „Wir Erwachsene malen bewusst, aber die Kinder überlassen mehr dem Zufall und trauen sich mehr etwas auszuprobieren“, sagt sie. Unbefangen und variantenreich gehen sie an ihr Werk heran. Interessant ist, dass gerade die am stärksten betroffenen Kinder die größten Leinwände aussuchen. „Das ist gerade für diese Kinder ziemlich anstrengend. Aber sie wollen es selbst und geben sich daher richtig viel Mühe“, so Elena Janker.
Die ungewohnte Bewegung des Farbauftrags mit einer Rolle kennt die gelähmte Hand nicht. Manche Kinder sprechen daher von Schmerzen in der Hand. „Das ist aber eigentlich ein gutes Zeichen“, sagt Elena Janker. „Von der Hand geht ein Impuls ins Gehirn, das ist für jeden spürbar, der zuschaut. Es ist ein tiefer Prozess, der beim Malen abläuft. Alle Eltern sollten es wissen und verbreiten: Malen ist die beste Krankengymnastik!“ Bei der herkömmlichen Krankengymnastik führen die Kinder die gleiche Bewegung mit vielen Wiederholungen durch. Das sei zwar auch sehr gut, aber nun mal langweiliger als ein Bild zu malen. Denn bei der Krankengymnastik entsteht nichts, beim Malen steht am Ende ein schönes Bild, das die Kinder stolz macht und in ihrer Persönlichkeit stärkt.

Durch die Anstrengung sind die Kinder schnell sehr erschöpft und brauchen zwischendurch immer wieder mal eine Pause. „Sie hören ganz von selber auf, wenn sie nicht mehr können“, sagt Elena Janker, die mit den Kindern ehrenamtlich malte. Es malen daher nie alle gleichzeitig und Elena Janker sich jedem Kind gut widmen. Am Ende sind alle glücklich, aber so richtig „ausgepowert“. Damit sie etwas zur Ruhe kommen, macht Elena Janker noch einige Übungen (Hand streicheln u.a.) mit ihnen.

Als dann zum Abschluss alle Eltern zum Abholen kommen, präsentieren die stolzen Kinder ihre Werke wie bei einer kleinen Vernissage. Unser kleines Kunstmuseum“, schmunzelt Elena Janker. Die Kinder geben ihren Bildern auch Namen, auffallend oft werden Gelb- und Rottöne verwendet.
Interessanterweise kann man beobachten, dass die Bilder der gesunden Geschwisterkinder in Qualität, Farbgebung und Ausdruck in der Regel nicht an die Bilder der kranken Kinder heranreichen. Andererseits ist es schön zu sehen, wie sich die Geschwister gegenseitig helfen. „Für Geschwisterkinder ist das keine einfache Rolle“, sagt Elena Janker. Man merkt, dass gesunde Geschwister manchmal unbewusst eine Mutterrolle für ihren kranken Bruder oder ihre kranke Schwester übernehmen. Für die kranken Kinder aber ist so ein Malworkshop eine ganz tolle Erfahrung, denn sie realisieren: Hier darf ich mehr, hier kann ich auch mehr. Und für Elena Janker ist es „eigentlich fast erfüllender und beeindruckender, mit nicht ganz gesunden Kindern zu malen.“

Info:
Die Galerie Little ART e.V. widmet sich nach dem Motto „für eine bessere Welt, für ein besseres Morgen“ weltweit den Kindern am Rande der Gesellschaft. Alle Workshops sind frei, es fallen nur Materialkosten an. Little ART e.V. gewinnt Sponsoren für alle Projekte. Ausstellungen der entstandenen Werke haben schon an vielen Orten weltweit stattgefunden. Geschäftsführerin und Vorsitzende des Vereins ist Elena Janker (Kulturmanagerin und Pädagogin).
www.little-art.org

Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Projekt „Kinder und Schlaganfall“, Projektleitung: Sabine Dawabi, Tel.: 05241-9770-42, www.schlaganfall-hilfe.de
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe wurde 1993 unter der Schirmherrschaft von Liz Mohn, Gattin des Unternehmers und Gründers der Bertelsmann Stiftung Reinhard Mohn, nach einem persönlichen Erlebnis innerhalb ihrer Familie gegründet. Unabhängig und gemeinwohlorientiert widmet sie sich ihrem Satzungsauftrag, Schlaganfälle zu verhindern und zur Verbesserung der Versorgung von Schlaganfall-Patienten beizutragen.

Bürgerreporter:in:

Sibylle Reiter aus Landsberg am Lech

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