Facebook und Co. solidarisieren, informieren?
Eine für die Arbeitsgemeinschaft 60plus der Landsberger SPD ungewohnte Diskussionsrunde fand in der Begegnungsstätte der AWO zum Thema „Ersetzt Facebook und Co. Solidarität wie in Parteien oder Gewerkschaften“ statt. Unter den Teilnehmern fanden sich der Regionssekretär des DGB, Karlheinz Schmidt, der Kreisverbandsvorsitzende der Landsberger SPD, Dr. Albert Thurner, die Vertreterin der Landsberger Jusos Kathrin Pfeffer und als Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Herbert Langen ein.
Eine Solidaritätsverlagerung hin zu den neuen Medien sieht Karlheinz Schmidt nicht. Erfreulicherweise hat die Gewerkschaft in Bayern wieder einen Mitgliederzuwachs, auch von Jugendlichen, zu verzeichnen. Wenn vor 50 Jahren noch Arbeitszeitverkürzung und Lohn-oder Gehaltanpassung Vorrang in der Gewerkschaftsarbeit hatten, rücken heute zusätzliche Themen wie Leiharbeit, Werkverträge, Mindestlohn, Scheinselbstständigkeit oder die Übernahme von Auszubildenden in ein festes Arbeitsverhältnis in den Vordergrund. Hier gilt es der Regierung und den Parteien ins Stammbuch zu schreiben, Missbrauch oder Schlupflöcher durch geeignete Maßnahmen abzustellen. Staatspolitische Bildung in den Schulen hat heute keinen großen Stellenwert. Insbesondere bedauert Karlheinz Schmidt, dass Wirtschaftsverbände, die Bundeswehr und Vereine dort sehr wohl ein Informationsportal haben. Gewerkschaften in den Kreis der Informanten einzubinden wird jedoch von vielen Schulleitern abgelehnt. Berufsinformationsveranstaltungen der Arbeitsverwaltung in Form von Messen oder Events, in die Sozialpartner mit einbezogen wurden, gehören der Vergangenheit an. Jetzt gilt es die neuen Medien wie Facebook und Co. zu nutzen, um die Jugend über Ziele und Forderungen von Gewerkschaften oder über Parteiprogramme zu informieren.
Die Gewerkschaften sollten durch die politische Arbeit der SPD wieder stärkere Unterstützung erfahren, so Dr. Albert Thurner. Beide haben ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung. Während die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene immer besser funktioniert, ist auf Bundesebene noch Handlungsbedarf vorhanden. Gerade die jetzt von den Gewerkschaften aufge-griffenen Themen bedürfen einer parlamentarischen Umsetzung und hier-für kann nur die SPD als Partner in Frage kommen.
Solidarität wird von der jungen Generation heute anders gesehen, wirft Kathrin Pfeffer von den Landsberger Jusos ein. Die junge Generation kommt häufig mit Topabschlüssen von Schule oder Studium und stellt beim Eintritt ins Berufsleben selbst Forderungen, um Entlohnung oder Arbeitszeit auszuhandeln, z. B. eine 35-Stundenwoche. Allerdings räumt Kathrin Pfeffer auch ein, dass es einen größeren Anteil von jungen Arbeitnehmern gibt, die mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden sind, die sich auch schlechten Konzessionen anpassen, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Hier müssen Gewerkschaftsmitglieder vor Ort Flagge zeigen und sich offen zur Gewerkschaft bekennen, betroffene Kolleginnen und Kollegen ansprechen, um Missstände öffentlich zu machen, fordert Herbert Langen.
Im Weiteren führt Kathrin Pfeffer aus, dass allgemein aber deutlicher in der jungen Generation eine nicht zu übersehende Politikverdrossenheit festzustellen ist. Die Meinung, dass von oben nach unten regiert wird, nimmt ein sehr breites Feld ein. Hier ist Facebook und Co. ein geeignetes Mittel an der Meinungsbildung mitzuwirken. Allerdings haben Gewerkschaften und Parteien noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Es sind geeignete Portale anzubieten. Vor allem ist sicherzustellen, dass die Portale ausgelesen und in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Neben vielen Vorteilen, die dieses Medium bietet, zeigt es allerdings auch seine Schattenseiten. Dazu zählen Cyber-Mobbing, Diffamierungen und dergleichen. Hier müssen Anbieter Möglichkeiten wahrnehmen, den Täter zu stoppen. Professionelle Hilfe wie Reputationsmanager oder Suchmaschinenoptimierer sind Arbeitsposten, die auch bei Gewerkschaften und Parteien in Zukunft nicht fehlen dürfen.
Werner Gutmann von 60plus verweist auf Art. 21 unseres Grundgesetzes, der besagt, dass die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken und sieht ebenfalls wie die Diskussionsteilnehmer, Parteien und Gewerkschaften in der Pflicht auch die neuen Medien in die Willensbildung des Volkes einzubinden. Keinesfalls darf dies aber dazu führen, auf diesem Weg Mehrheitsmeinungen abzufragen und in die Tagespolitik umzusetzen. Wir kommen an den neuen sozialen Netzwerken nicht mehr vorbei. Sie zählen zu den Informationsträgern die die junge Generation in der Handtasche mit sich führt, jedoch sind sie kein Ersatz für Solidarität am Arbeitsplatz oder in der Parteiarbeit. Werner Gutmann bedankt sich für die lange und rege Diskussion.
Bürgerreporter:in:Hans Bucsek aus Landsberg am Lech |
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