„Als die Schwester noch mit dem Fahrrad kam...“
Anlässlich des 150. Geburtstags der Henriettenstiftung in Hannover besuchten Mitglieder des Deutschen-Hausfrauen-Bundes Ortsverband Laatzen e.V. die Ausstellung „Als die Schwester noch mit dem Fahrrad kam...“. Diese Erlebnisausstellung ist ein Streifzug durch die Geschichte der ambulanten Pflege und widmet sich den Gründerinnen der häuslichen Krankenpflege, der „guten, alten Gemeindeschwester“.
Zu Beginn der Veranstaltung informierte die Leiterin des Projektes „ZeitFenster“, Ulrike Tüpker, die Teilnehmerinnen über die Arbeit der Diakonissen im Wandel der Zeit. Die Diakonissen waren für ihr Mutterhaus unterwegs und fuhren mit ihrem Fahrrad über Land. Sie kamen als „Dienerinnen der Barmherzigkeit“ ganz nah an den Menschen heran, gingen von Haus zu Haus und pflegten dort Arme und Kranke. In ihrem Gepäck befand sich die Bibel, die Gemeindetasche und u.a. der bekannte und „teilweise verachtete“ Lebertran. Sie hatten aber auch immer ein Wort des Trostes für die Erkrankten und dieses mag so manches Mal zur Genesung beigetragen haben. Aber nicht nur für die Versorgung der Kranken waren sie da, sondern erledigten dazu auch noch die Hausarbeit, versorgten die Kinder und bekochten die Familien. Sie selber erhielten keinen Lohn für ihre Arbeit, sondern lediglich ein Taschengeld, welches ihnen das Mutterhaus zukommen ließ. Ärzte und Pastoren sahen diese Tätigkeit natürlich mit großem Vorbehalt, da sie sich nicht sicher waren, ob die richtige ärztliche Versorgung gewährleistet wurde. Somit hatte die Schwester den Anweisungen des behandelndes Arztes zu folgen. Auch das seelische Wohl der Patienten sollte die Diakonisse im Auge behalten, „dabei dem Pastor allerdings nicht in die Arme zu greifen“.
Ganz am Anfang der Gemeindepflege, im 19. Jahrhundert, war die Diakonisse noch zu Fuß unterwegs. 1899 wurde die Schwester mobil und durfte das Fahrrad benutzen, obwohl „der Arzt dem Radfahren der Schwester noch mit sanitären Bedenken gegenüberstand“. Für die Flensburger Diakonissen gab es sogar eine Radfahrordnung.
Die Motorisierung der Gemeindeschwestern – in den 1950er Jahren per Moped, in den 60er per Auto (jedoch sehr vereinzelt) – war schon eine revolutionäre Neuerung.
Bis in die siebziger Jahre versorgten Gemeindeschwestern vor allem Arme und Alte zu Hause. Sie waren praktisch rund um die Uhr im Einsatz.
In der heutigen Zeit wird die Betreuung von Diakonie- und Sozialstationen übernommen. Die Pflegekräfte, auch „Rennschwestern“ genannt, fahren mit dem Auto zu den Menschen und die Versorgung wird im Minutentakt abgerechnet. Für besondere Zuwendungen und Gespräche bleibt kaum oder überhaupt keine Zeit.
Die Teilnehmerinnen informierten sich in der Ausstellung ausführlich über die Arbeit der Diakonissen. Mit zahlreichen Fotos, Zeitdokumenten und Gerätschaften erinnert diese Erlebnisausstellung an eine vergangene Epoche. Alle waren von dem Streifzug durch die Geschichte der ambulanten Pflege äußerst angetan und abschließend der Meinung, dass diesen Frauen nach wie vor zu wenig Wertschätzung entgegengebracht wird.
Bürgerreporter:in:Ingrid Pawelczak aus Laatzen |
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