Kommunalfusionen in Südniedersachsen Teile 6 Historie - Kreiensen

Historie.
Am 9. Dezember 2010 ist in Kreiensen die Welt noch in Ordnung. An diesem Tag wird – wie in Kreiensen üblich einstimmig - der Haushalt 2011 verabschiedet. Dass in der angehängten 15. Fortschreibung des Konsolidierungskonzepts von einer Erhöhung der Hebesätze bei der Grundsteuer um 20 Punkte und bei der Gewerbesteuer um 10 Punkte gesprochen wird, interessiert zu dieser Zeit niemand. Anlässlich dieser Ratssitzung nehmen die drei Fraktionsvorsitzenden den Mitarbeiter des Gandersheimer Kreisblatts zur Seite und präsentieren ihm den neuen parteilosen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten, einen Mitarbeiter der kreiensener Gemeindeverwaltung.
In der um die Hälfte größeren Nachbargemeinde Bad Gandersheim war vor einigen Jahren der Blitz eingeschlagen: Man hatte das Schuldenmachen überzogen mit rund 30 Millionen Kassenkrediten und einem geplanten Defizit von weiteren drei Millionen war den Oberen die Geduld zu Ende. Die Stadt Bad Gandersheim wurde durch Druck des Landes, dem sich nun gehorsam der Landkreis anschloss, gezwungen, „freiwillig“ - es drohte sonst die Einsetzung einer Zwangsverwaltung und die Entmachtung des Rates – und scheinbar in eigener Zuständigkeit im Stadtrat die erforderlichen Sparbeschlüsse zu verabschieden. - Kreiensen glaubte zu dieser Zeit, dass ihm so etwas nie passieren könnte.
Am 17. Dezember 2010 war das neue NkomVG verabschiedet und mit einigen Teilen am 24. Dezember 2010 in Kraft getreten. Die SPD im Landkreis Northeim erkannte ihre Chance. Da die Partei keinen Landratskandidaten hatte, der amtierende gehörte zwar der SPD an, wollte aber gerade mal nicht nach der Parteipfeife tanzen und drohte gar als unabhängiger Kandidat auch gegen die SPD in den Landratswahlkampf zu gehen, legte man den parteiinternen Streit bei, versöhnte sich schnell, verkündete, dass der Landkreis fusionieren wolle, und beließ den amtierenden Landrat ohne Neuwahl im Amt – das neue Gesetz machte es möglich.
Anfang 2011 verließ in Kreiensen den Rat und den Bürgermeister der Mut: Die eben noch geplante und bezogen auf das Haushaltsdefizit nur symbolische Erhöhung der Hebesätze wurde nur teilweise beschlossen: Bei der Grundsteuer um zehn Punkte (macht ungefähr 20.000 Euro). Offen ist, ob Wissende bereits zu diesem Zeitpunkt an eine Fusion mit Einbeck dachten.
Anfang 2011 soll der Ministerpräsident irgendetwas gemurmelt haben: Ab 2013 wird bei den Kommunen fusioniert, wer es vorher „freiwillig“ tut, wird dabei nicht mehr angefasst. Dieses Gemurmel eines Ministerpräsidenten, der aber das nach der Landtagswahl im Januar 2013 vermutlich nicht mehr sein wird, löste in Kreiensen aus Angst vor der Zwangsfusion Selbstmordstimmung aus: wenn schon Fusion, dann lieber gleich. Jedenfalls nach den wiederholten Aussagen des kreiensener Bürgermeisters war genau dieses Gemurmel der auslösende Faktor. Zwischenzeitlich sickert durch, dass das Land die Fusion als Lösung der Finanzprobleme „angeregt“ habe – und Kreiensen ist bisher derartigen „Anregungen“ stets gefolgt, aber eben auch (fast) nur dann zu Sparmaßnahmen bereit gewesen.
Die offizielle Begründung für die Fusionsabsichten in Kreiensen wurde in einer Presseerklärung des Bürgermeisters am 26. April 2011 mitgeteilt: Es ging um die jährliche Neuverschuldung von 500.000 Euro, um die Möglichkeit sich zulasten des Landes um rund 5,4 Millionen Kassenkredite zu „entschulden“ und um die mögliche „Einwohnerveredelung“, wiederum zulasten des Landes. Diese Angaben des Bürgermeisters sind prinzipiell richtig.
Bisher sind für die Fusion überhaupt und insbesondere mit Einbeck lediglich und allein diese finanziellen Gründe genannt worden. Hesse verlangt in seinen Gutachten stets eine Reihe weiterer Merkmale, zu prüfen und abzuwägen. In der Praxis geschieht nichts davon, dies zeigt einmal mehr, wie wenig Wert „wissenschaftliche“ Gutachten für die Praxis haben.

31.10.2011
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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