Deutschland: (Wohn-)Häuser ohne Heizung

Das Energiekonzept der Bundesregierung denkt an einen vollständigen Umbau des Wohnungsbestandes bis 2050, also innerhalb von nur 40 Jahren. Wohnungen sollen so gebaut werden, dass sie keine Heizung brauchen – und, so darf man ergänzen, auch ihren Wärmebedarf für Warmwasser selbst decken. Viele Altbauten lassen sich nicht, oder nicht mit vernünftigem Aufwand ,dieser Zielsetzung entsprechend nachrüsten.
Die offizielle Begründung ist der Schutz des Weltklimas, die Einsparung von Kohlendioxyd (CO2). Wir wollen also weniger Kohle, weniger Erdöl, weniger Erdgas verbrennen. Sehr gut. Aber da eben diese Kohle, dieses Erdöl, dieses Erdgas trotz unserer Ersparnis gefördert wird, wird es auch verkauft werden und von den jeweiligen Käufern verbrannt werden. Dem Weltklima ist also mit unserer Ersparnis wenig gedient.
Trotzdem aber ist das Ziel der Bundesregierung richtig, nur eben mit einer anderen Begründung. Deutschland muss sich unabhängig von den Einfuhren an Kohle, Erdöl, Erdgas machen, um nicht von den Lieferländern durch Lieferverweigerung oder Preiserhöhungen abhängig und damit erpressbar zu sein. Und wir müssen uns von diesen heute wichtigen Einfuhren unabhängig machen, weil es immer böse Leute gibt, die schnell mal ihre Interessen durch Sanktionen und Blockaden durchsetzen wollen.
Aber mit welcher Begründung auch immer, das Ziel der Bundesregierung ist richtig. Prüfen wir die Folgen.
Gehen wir einmal davon aus, dass 20 Millionen Wohnungen unter dieser Zielsetzung abgerissen und neu gebaut werden müssen. Dies bedeutet ein jährliches Neubauvolumen von (20.000.000 / 40 =) 500.000 Wohneinheiten pro Jahr. Dies entspricht ungefähr dem, was wir in den Aufbaujahren nach dem Krieg hatten – und was uns einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung brachte („Wirtschaftswunder“).
Nehmen wir weiter an, dass jede Wohneinheit (als Durchschnitt) 100.000 Euro kosten soll, dann bedeutet dies einen jährlichen Finanzaufwand von (100.000 * 500.000 =) 50.000.000.000, also 50 Milliarden Euro. Das ist nicht nur zehn mal mehr als die als Konjunkturprogramm gedachte Auto-Abwrackprämie. Dieses Konjunkturprogramm bleibt auch über Jahrzehnte erhalten, muss nicht aus Steuermitteln vom Staat aufgebracht werden und die Wertschöpfung bleibt – technisch bedingt – vollständig im Lande. Hier werden Einkommen geschaffen. Hier werden Arbeitsplätze geschaffen.
Auch der Staat hat dadurch höhere Einnahmen, die dann auch wieder als Anreize und Förderung eingesetzt werden können. Allein die Mehrwertsteuer mit 19 Prozent bringt pro Wohneinheit (100.000 - (100 / 1,19) =) 16.000 Euro, die als Baukosten-Zuschuss oder Zinsverbilligung eingesetzt werden können.
Und wer soll das alles bezahlen? Wir! Aber sehen wir etwas genauer hin. Die Verwaltungs- und Bewirtschaftskosten werden sich bei dem Tausch alt gegen neu nicht ändern. Auch die (kalkulatorischen) Instandhaltungskosten dürften nicht entscheidend anders sein. Bleiben die Kapitalkosten, also Zinsen und Tilgung. Die Abschreibung mit 2 Prozent, also innerhalb von 50 Jahren, ist ja nur die kalkulatorische (Um-)Rechnung für die Tilgung, die damit auf nominell 2 Prozent gesetzt wird. Und die Zinsen liegen derzeit ab 3,5 bis 4 Prozent, könnten – und werden – aber auch wieder steigen. Bleiben die Kapitalkosten also bei (4 + 2 =) 6 Prozent und bei steigenden Zinsen sagen wir 8 Prozent, was bei unseren angenommenen 100.000 Euro/Wohneinheit 6.000 bis 8.000 Euro pro Jahr und Wohnung ausmacht oder 500 bis 670 Euro pro Monat. Dem stehen die Einsparungen bei den Heizkosten entgegen, das mögen, je nach dem wie schlecht der ersetzte Altbau ist 800 bis 1.200 Euro pro Jahr oder eben 67 bis 100 Euro pro Monat sein. Als Mittel mag man annehmen dürfen, dass rund 10 Prozent der jährlichen Kapitalkosten durch die Heizkostenersparnis aufgebracht wird. Eine „Selbstfinanzierung“ ist das also sicher nicht.
Eben wurde die Abschreibung mit 2 Prozent, also in 50 Jahren, angegeben. Welchen Wert hat das Haus, die Wohnung dann? Üblich ist der Gedanke, ein Haus stehe mindestens 100 Jahre oder vielleicht 200 oder gar 300 – es gibt ja etliche dieser Überbleibsel alter Zeiten. Aber Vorsicht.
Wie ist das mit unserem geliebten Auto? Erst ist es neu, wird gepflegt, dann kommt es in die Jahre, Beulen bleiben, Kratzer, Lackschäden auch, es regnet durch das Schiebedach und die Polster sind zerrissen. Welchen Wert hat dieses Auto? Die Bremsen mögen noch ziehen, der Motor stinkt auch nicht (Elektromotor?), die Beleuchtung stimmt – der TÜV sagt: gute Fahrt. Dieses Auto hat zwar keinen Handelswert mehr, im Falle des Verkaufs wird kein positiver Preis erzielt, aber es hat einen Gebrauchswert fast wie ein Neuwagen. Fahren tut es noch. Und trotzdem wird es verschrottet.
So sollten wir auch unsere Häuser und Wohnungen ansehen. Sie mögen zusammengeflickt und umgebaut sein, man kann noch drin leben – aber haben sie noch einen Verkaufswert? Mindern die erforderlichen Abrisskosten nicht sogar den Wert des Grundstücks?
Wir sollten uns also langsam daran gewöhnen: mit 50 Jahren kommt das Haus, die Wohnung in die Jahre, die einst aufgenommenen Fremdmittel sind bereits seit gut 20 Jahren abgezahlt, wir sollten das Gemäuer durch einen Neubau ersetzen. Und genau dies wird durch das Energiekonzept der Bundesregierung angeregt. Also ans Werk: bauen wir neu!

27.09.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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