Einzigartiges FRONHAUSEN: zur 850-Jahr-Feier (1159-2009)

Steinweg: VERCHAU 1958
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Für Rückerinnerungen - Re-Perspektivierung, Retroperspektive – eignen sich besonders gut auch Jubiläen mit runden Jahreszahlen, in denen die Rückschau bezüglich des Lebens (in) einer Gemeinde oder von Stadt und Land stattfindet. Die CHRONIK (von griechisch „chrónos“, Zeit) als Form der Geschichtsschreibung wurde schon in der Antike entwickelt. Sie stellt sich als Bericht über geschichtliche Vorgänge in (zumeist) zeitlicher Anordnung dar, mit dem durch Erinnerungsarbeit auch versucht wird, das Lesepublikum zu belehren und zu bilden. Ein Erinnerungsschock kann durchaus damit einhergehen; denken wir z. B. an die Verbrechen in der nicht zu ignorierenden Nazi-Zeit mit bankrottem Staat. Gedanken, Assoziationen, Erinnerungen werden wach, die für Irritationen, Misslichkeiten und Ernüchterungen – Desillusionierung - sorgen können.

Fronhausens Wahrzeichen ist die KIRCHE: Wer sie aufsucht, kann auf einem dezent-transparenten Schild lesen: Erbauungszeit unbekannt. 1159 erste urkundliche Erwähnung und als Besitz des Reichsstiftes zu Essen a. d. Ruhr bestätigt. Ursprünglich romanischer Baustil. Zeit der gotischen Veränderung nicht belegt. Reste von Graben, Wall, Mauer und der wuchtige Turm weisen auf eine ehemalige Wehranlage hin.

Illusionierend kann Malerei wirken. FRONHAUSEN wurde immer wieder gern gemalt, weil es so idyllische Winkel hat. Besonders das Wahrzeichen Fronhausens – die evangelische Kirche mit dem Wehrturm – hat es Malern und Künstlerinnen angetan. Hier nur drei Beispiele: Den Steinweg-Blick bildete Otto SCHARF in den 1940er Jahren ab (mit Holzstapel; 1947?). Ernst VERCHAUs Gemälde mit Frauen und einem alten Mann auf der Bank vor der Bäckerei Krump mit einer 4er Trachtengruppe vor dem alten Lehrerwohnhaus in Kirchennähe ist datiert 1959; Jahr der 800-Jahr-Feier. Realistisch bilden zwei Foto-Postkarten in Schwarz-Weiß den Blick auf den Steinweg ab: die eine alte Postkarte zeigt viele Fronhäuser in Tracht, die mutmaßlich nach dem Gottesdienst die Kirche verlassen haben; die andere - von mir aus dem ehemaligen Rathaus aufgenommene Fotografie – zeigt im Bild eine der wenigen letzten Trachtenträgerinnen Fronhausens, die in Kirchennähe gewohnt hat. „Brot- u. Feinbäckerei Heinrich Krumm“ steht auf dem Schild. In künstlerischer Freiheit wurde später (1984) ein bemalter Teller von Karl BEDAL entworfen: „Bauernhaus in Fronhausen“ mit zwei Frauen in Marburger Tracht vor einem schmucken typisch hessischen Gehöft; das Uni-Museum in Marburg hat ein großes Modell dieses alten Bauernhauses in seiner Sammlung.

Auch eine populäre („banale“) Dorf-Chronik kann beispielsweise für eine breitere Öffentlichkeit interessant sein, wenn hier Dinge beschrieben werden, die sich so nicht alltäglich im Wandel der Zeiten zugetragen haben. Eine Dorf-Chronik kann als Medium bürgerlichen Selbst- und Traditionsbewusstseins dienen, die zumeist auch Wissen der ortsschulgeschichtlichen Entwicklung vermittelt (vgl. Abb.).

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ ist ein Sprichwort und eine Metapher für den Mehrwert von Bildern gegenüber ausschließlichem Text. Wie „SCHULE“ sich in Fronhausen im Jahr 1906 dargestellt hat, zeigt ein Bild aus der Foto-Sammlung meines Opas – des Lehrers Balthasar KORNMANN: Schulklasse des Jahrgangs 1906. Aus der gleichen Zeit stammt ein Kindergarten-Bild, wo auch zwei Töchter meines Großvaters zu sehen sind. Auch ein Kollegiumsbild meines Großvaters - mit 3 Lehrern & 1 Lehrerin (Frau ALTENBURG) - aus späteren Jahren ist interessant; ebenfalls das Foto meiner Klasse - Grundschuljahrgang (1938) mit Lehrer. In einem Artikel „Von Goethes Ahnen“ (Carl Knetsch in der Monatsschrift „Hessenland“ Nr. März/April 1932) erfuhr ich, dass Balthasar Kornmann Nachkomme einer Lebens-Linie war, wo Vorfahren existierten, die zu GOETHE hinführten (Ahnenreihe TEXTOR (Goethes Mutter) – LINDHEIMER – SEIP – KORNMANN). Lehrer Kornmann wurde 1868 zu Wermertshausen geboren (Bundesstaat Preußen, Verwaltungs-Bezirk Marburg; so im „Militär-Paß“).

Eine Chronik muss heute durchaus nicht nach der Zeitachse gegliedert sein. Sie kann gemischt-chronologisch als collageartiges „Zeitgemälde“ gestaltet sein (vgl. Werke & Arbeiten Walter Kempowskis), in dem Fotos, Texte, Tondokumente, Filme, Gemälde etc. aus einem größeren Zeitraum zu einem „Gesamtkunstwerk“ gebündelt werden. Hier spielt die Dokumentation der Fakten in der Reihenfolge, in der sie passiert sind, eine eher untergeordnete Nebenrolle.

Zur 850-JAHR-FEIER der Gemeinde FRONHAUSEN hat man sich über die Entstehung und Geschichte des Ortes besonders viele Gedanken gemacht. Die „Chronik“ zur 800-Jahr-Feier von 1959 war dagegen eher ein schmales Bändchen. Die geschichtsträchtigen Überlieferungen sollten in einer Dorfchronik ohne Verzerrungen ihre Wirksamkeit entfalten; das Dokumentieren über Schriftstücke, Fotografien und (soweit möglich) Film- und Tonaufnahmen sind geeignete Hilfsmittel für eine Reportage. Auch das Internet kann heutzutage ein hervorragender Ort zur Darstellung eines historischen Sachverhaltes sein, z. B. wenn man etwas über die Fronhausen-Chronik erfahren will – mit Ereignissen aus allen Jahrhunderten und Lebensbereichen, sofern sie dokumentarisch festgehalten werden konnten. Um „Hessische Verhältnisse" in einer historischen Betrachtung - fern des Schlagwortes der momentanen Politik(er)-Verhältnisse im Bundesland Hessen - soll es in meinem hier vorgestellten „ZEITGEMÄLDE“ gehen.

Weitester RÜCKBLICK:

Urkundlich genannt wurde Fronhausen im Jahre 1159 unter dem Namen „Vronehusen“. In der schriftlichen Quelle in Form einer mittelalterlichen PERGAMENT-Urkunde bestätigte der Mainzer Erzbischof dem Kanonissen- bzw. Reichsstift Essen die Unabhängigkeit seiner Kirche in Fronhausen. Originalquellen aus allen Jahrhunderten über Fronhausen sind heute leicht über Online-Recherche im Staatsarchiv Marburg (HADIS) weiter entdeck-und erforschbar; mit vielen Abbildungen direkt ansehbar im DigAM (Digitalen Archiv Marburg).

Ein Beispiel: In einer DigAM-Liste sind die in FRONHAUSEN wohnenden Juden mit dem jeweiligen Datum ihrer Deportation, die am 8. Dezember 1941 bzw. 31. Mai 1942 erfolgt ist, erfasst. Mein damals 12jähriger Bruder hat (ganz niedergeschlagen) von der Deportation am Fronhäuser Bahnhof später erzählt. Im Archiv finden wir auch schnell den „Bericht des Gendarmen Löbermann und des Bürgermeisters Muth in Fronhausen an den Landrat Lademann in Marburg über die Gründung eines antisemitischen Jugendbundes in Fronhausen, 24. Oktober 1891“; in der Satzung des Bundes ist unter 2 („Zweck des Vereins“) zu lesen: „(…) darauf bedacht zu sein, dass die antisemitischen Ideen einen immer weiteren Wirkungskreis finden“. In Nr. 8 heißt es, dass sich jedes Mitglied verpflichtet, „in geschäftlichen Sachen, so viel wie möglich, keinen Juden zu unterstützen, denselben aber auch in keiner Weise zu belästigen“. Mein Bruder erinnert sich auch an die Zeit, als Juden den gelben Stern tragen mussten, in Bussen aus der Umgebung zum Fronhäuser Bahnhof transportiert wurden, um von dort aus in Richtung Gießen zur Arbeit zu fahren. Es war ein weiterer Höhepunkt der Nazi-Repressalien, dass seit 19.09.1941 alle Juden im Deutschen Reich, die älter als sechs Jahre waren, in der Öffentlichkeit den gelben sechszackigen Judenstern tragen mussten. Es markierte den Höhepunkt der 1933 begonnenen, nun öffentlich sichtbaren sozialen Ausgrenzung, Diskriminierung und Demütigung der Juden. Der sichtbare Stern markierte den Übergang (Auftakt) zur offenen Vernichtungspolitik (Holocaust).

Googelt man „Fronhausen“ so stellt sich unter www.fronhausen.de an vorderster Stelle im WEB zur Zeit die Gemeinde an der Lahn vor: mit Bürgerinformationen, Terminvorschau, Veranstaltungshinweisen sowie Informationen zur Verwaltung, Einrichtungen und Vereine. Informationen über FRONHAUSEN, das einmal „Fronhausen/Lahn“ hieß, finden Mann/Frau auch über die Seite „Region Marburger Land" zum Download: Hier gelangt man schnell auf das Wappen der Kommune Fronhausen. Durch Anklicken des Wappens gelangt man direkt auf die Internetseite der Gemeinde „Fronhausen Idylle an der Lahn“.

Das WAPPEN wird gezielt auch als Dorfschmuck während der Festlichkeiten 2009 eingesetzt: Viele Fronhäuser wollen ihre Häuser zum Jubiläum beflaggen; mit Fahnen in den Hessenfarben rot/weiß und dem darin integrierten Fronhäuser Wappen. Ob wir die Beflaggung das ganze Jahr 2009 hindurch überall bestaunen können, ist die Frage; die Flaggen nur zum Jubiläums-Wochenende – 19.06.2009 bis 22.06 2009 – zu zeigen, wäre doch schade! Die für das Jubiläumsjahr kreierte Fahne soll – und das ist sicher - „das ganze Jahr über den Kirchturm schmücken“; so wird es auf der Homepage erklärt. Am 01.01.2009 sah man noch keine Fahne am Wehrturm wehen.
Zum FESTUMZUG am 21. Juni werden wohl die meisten Besucher Fronhausen besuchen. Die „offizielle“ Jubiläums-Eröffnung mit Übergabe der Jubiläumsurkunde wird am 20. 06. im Festzelt (Festplatz auf der Schwärz) stattfinden. Dass sich die 850-Jahrfeier aber nicht auf diese Hauptveranstaltung beschränkt, zeigt der „Veranstaltungskalender“ mit mehreren Veranstaltungen über das Jahr verteilt. Man will nicht die 800-Jahrfeier in 1959 kopieren, sagten die Organisatoren. Das Festjahr hat mit einem Silvesterball und großem Feuerwerk ins Neue Jahr (Bürgerhaus 31.12./01.01.) mittlerweile begonnen.
Das Wappen über FRONHAUSEN gab es zu der Zeit - als ich in Fronhausen/Lahn im noch nicht 7-teiligen Ort aufgewachsen bin - noch nicht: Fronhausen an der Lahn hieß mein Wohnort damals. Die heutigen Ortsteile Bellnhausen, Erbenhausen, Fronhausen (mit Sitz der Gemeindeverwaltung), Hassenhausen, Holzhausen, Oberwalgern und Sichertshausen wurden erst 1974 vereint. Per „Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Biedenkopf und Marburg und der Stadt Marburg vom 12. März 1974“.

Das Gemeinde-WAPPEN, das erst nach Bildung der Großgemeinde kreiert wurde, zeigt im roten Schild einen silbernen (weißen) Wellenbalken als Zeichen für die das Gemeindegebiet durchfließende Lahn sowie den Flügel und die Rauten aus den Wappen der Vögte von Fronhausen bzw. der Schenken zu Schweinsberg. Die Siebenzahl der Rauten verweist auf die Anzahl der Ortsteile.

Mit der Internetpräsentation bietet die Gemeinde eine Orientierungshilfe: Fronhausen als „eine lebendige Gemeinde (…) die ihren Bürgern viel zu bieten hat“; eine ausgezeichnete Verkehrsanbindung (B3), örtliche Nähe zu den Universitäten Marburg und Gießen und (so die Homepage) „hervorragende Infrastruktur und zahlreiche beispielhafte Einrichtungen der Daseinsvorsorge“.

Besonders zu einem Besuch Fronhausens im Jubiläumsjahr 2009 wird auf der HP eingeladen: ein extra auf der Homepage installierter Link verweist auf de große Dorffeier im Jahr 2009 und macht das vorläufige Rahmenprogramm für die 850-Jahr-Feier bekannt.

Etwas genaueres und viel mehr erfährt man momentan in der schön gestalteten FESTSCHRIFT 850 JAHR FRONHAUSEN – ein Heft mit 80 Seiten, das kostenlos beziehbar ist. Dankenswerterweise unterstützt durch viele Anzeigen von Gewerbetreibenden Fronhausens in der Broschüre. In (nicht allen) Geschäften und bei der Sparkasse, Raiffeisenbank und Gemeindeverwaltung Fronhausen wurde die Schrift kostenlos ausgelegt.

In der FESTSCHRIFT (nicht bitte verwechseln mit der CHRONIK) informieren zunächst 13 Grußworte (bis S. 39) die LeserInnen und auf S. 40-41 steht der ausführliche „Veranstaltungskalender“. Auf der Seite 45 erfahren wir, dass - ein Schwerpunkt des Jubiläums - die CHRONIK „Von Essen nach Hessen" mit Beiträgen zur Geschichte von Fronhausen 1159 -2009 sein soll. Diese Chronik, die ursprünglich „bis Weihnachten 2008“ fertig gestellt sein sollte (so in der HP der Gemeinde zu lesen), wird voraussichtlich leider erst im März/April 2009 gedruckt vorliegen können; warum auch immer. Diesen Hinweis bekommt man in der Festschrift S. 61. Das Chronik-Buch werde mit einem Ortsplan sowie mit einer CD verkauft, die „Sprach-/Musikaufnahmen von und über Fronhausen“ enthält (zur CD ausführlich S. 59 ebenda). Über das Buch (die Chronik) informiert ein kurzer Festschrift-Artikel von Friedrich von Petersdorff a. a. Ort (S. 51-57). Unter „Fronhausen im Wandel der letzten 50 Jahre“ berichtet Gunthram von Schenk über die Planungen zum Festumzug als „Höhepunkt im Jubiläumsjahr“ (S. 73-77). Vereine aus Fronhausen und den Orts- und Partnergemeinden sind zur Teilnahme aufgefordert worden; bisher gebe es 36 Zusagen. Das Motto des Festzugs lautet: „Fronhausen im Wandel der letzen 50 Jahre“; es soll hierbei eine „Verbindung“ zu den Jubiläumsfeierlichkeiten vor 50 Jahren geknüpft werden. (So S. 73.)

Die Gemeinde Fronhausen unterhält partnerschaftliche Beziehungen zu drei französischen Gemeinden in der Nähe von Rambouillet: Sonchamp, Clairefontaine-en-Yvelines und La Celle-les-Bordes.

Besonders informativ: Im Februar und im Mai 2009 werden GEMARKUNGS-MÄRSCHE mit interessanten Erklärungen zu den geschichtlichen Grenzen, Grenzsteinen und örtlichen Gegebenheiten stattfinden. Erläuterungen werden hierzu präsentiert - auch mit Graphiken zu den Gemarkungsgrenzen (West- und Ostroute der Märsche), in www.850-jahre.fronhausen.de; mit dem Gemarkungsplan für das Herunterladen.

Im Internet ist Fronhausen auch bei WIKIPEDIA vertreten: http://de.wikipedia.org/wiki/Fronhausen Den gleichnamigen Ortsteil der Gemeinde Mieming – FRONHAUSEN (ohne „h“) - findet man in Österreich. Frohnhausen (mit „h“) bezeichnet mehrere Orte in Deutschland: 3 in Hessen, 5 in Nordrhein-Westfalen und 1 Ort in Rheinland-Pfalz.

Vielfältige Beziehungen verbinden mich als „Kriegskind“ persönlich mit Fronhausen an der Lahn (ohne „h“, was ich Fremden gegenüber immer einmal wieder betonen musste), obgleich ich nicht im Elternhaus, sondern in Marburg an der Lahn 1938 in der Elisabeth-Klinik geboren wurde. Fronhausen/Lahn gehörte bis 1974 als eigengeständige Gemeinde zum Kreis Marburg.

1939 brach der 2. Weltkrieg aus, von dem wir in Fronhausen in Bahn-Nähe (wir wohnten in der Bellnhäusertraße) eine Menge mitbekommen haben. Ich wuchs in Kriegszeiten quasi auf einer „Insel“ auf, dem Flecken-Bereich Bellnhäusertraße & Stöck, der wegen der trennenden Bahnlinie mit einer oft geschlossenen Schranke zum eigentlich Dorfkern „abgetrennt“ war.

Dies hatte Vorteile und Nachteile für ein Kind, das über seine Spiegelneurone (Spiegelzellen des Gehirns) allerhand von den Eltern und der Umgebung des Elternhauses für zukünftiges Leben zu lernen hatte.

Im flachen Lahntalgebiet gab es direkt um uns keinen Wald, aber mehrere für ein Kleinkind „riesengroße Kastanienbäume“ in Straßennähe, die erklettert werden wollten, Eisflächen haben uns im Winter auf überschwemmten Wiesen zum Schlittschuhe-Laufen-Lernen eingeladen. Im Frühjahr-Sommer-Herbst haben mich Gräben mit Wassertieren interessiert, die zum Fangen und Untersuchen der Tiere aufforderten. Auf Getreide-Feldern und Wiesen in unmittelbarer Nähe, die gemäht werden mussten (mit Pferden und Rindern als Zugtieren) lernten wir Maschinen und große Haustiere kennen. Auf Kartoffelfeldern machte ich Bekanntschaft mit Kartoffelkäfern und deren Larven; beim Absammeln-Müssen.
Auch das Rohre-Klettern auf dem nahen Gebiet der Firma FINGER (Betonfertigungswerk; heute dort auch mit zentralem Baumarkt) hat uns im Spiel mit den Freunden aus der Nachbarschaft immer viel Spaß gemacht. Im zentralen Gewerbe-Gebäude von Finger hatte Herr KNORR seine Goldschmiede-Werkstatt; die Tochter Ellen des bekannten Bauern-Malers Karl LENZ (Erdhausen) lernte ich dort damals erstmals kennen - sie ließ sich dort ausbilden. Später forschte ich über Lenz, schrieb Artikel für Zeitungen im Hinterland und Gießen. (Gießener Anzeiger, Juli 1968, in Heimat im Bild – Nr. 27 und 28.) Drei Lenz-Bilder über Fronhausen enthielt die Mappe „Marburger Land“ (1927).

Da der „Inselflecken“ wenige allein stehende Häuser beinhaltete, konnten wir als Kinder aufregende Fangen-Spiele bis in die Dunkelheit hinein veranstalten: wir liefen immer rund um unser Haus und/oder eine große Scheune in der Nachbarschaft (heute Standort für Aldi & Rewe). Ganz in der Nähe der Scheune konnten wir Beckers Dreschmaschinen-Arbeiten zusehen. Ein negatives Erlebnis: In den Dorfkern wagte man sich als Schüler eher seltener, denn man lief Gefahr, dass man von älteren Rabauken verdroschen wurde. Zum Schlittenfahren mussten wir einen weiteren Weg in Richtung Oberwalgern zurücklegen: der „Krautgarten“ und der „Keilsberg“ waren das Ski- uns Rodelgelände der Fronhäuser Jugend. Nicht nur tagsüber auch allabendlich herrschte auf den Bahnen Hochbetrieb; trotz der oft eisigen Kälte. Als ich als Jugendlicher später besonders meinem Hobby Fotografieren frönte und zuweilen Bild-Berichte an die Presse lieferte, entstand auch der Blitz-Schnappschuss dieses Artikels, der an der „Keilsbergsprungschanze“ von mir gemacht worden ist, wo ein mutiger Fronhäuser Junge mit Todesverachtung „fliegen“ konnte. („Blick ins Land“ der OP veröffentlichte am 24.02.1956 das Bild.)

Als „freier Mitarbeiter“ von Zeitungen berichtete ich 1956 nicht nur über ein Wintervergnügen der SG Fronhausen – vom Karnevalstreiben der Sportler der Sport-Gemeinde. Ich erlaubte es mir mit einem aussagekräftigen Foto am 13. 07.1955 die miserablen innerörtlichen Straßenverhältnisse anzuprangern. Mit der Bildlegende: Solche „Straßen“ führen auch heute noch quer durch den ganzen Ort Fronhausen, sofern man sie nicht überhaupt als bessere Feldwege bezeichnet. (…) Lasst sie möglichst bald verschwinden, damit bis zur 800-Jahrfeier 1959 nur noch wirkliche Straßen 1. Ordnung nach und durch Fronhausen führen!“ (7 DM zahlte mir die OP für Text und Bild; so eine Albums-Notiz.)

APROPOS 800-JAHRFEIER: Vier Jahre später glänzte Fronhausen zum Jubiläum. Als „echter Foto-Narr“ (mit eigener Dunkelkammer) hatte sich mein Bild-Gestaltungswille dahingehend verändert, dass ich zu Filmen begann. Ein heute historisch interessantes und wertvolles Produkt war die Erstellung eines 10 Minuten dauernden SCHMALFILMs in FARBE über „FRONHAUSEN-800-Jahre“ (in Normal 8); die Videotechnik für Hobby-Filmer gab es seinerzeit noch nicht. Der Film wurde von mir auch „vertont“ und ist später einmal bei einem Heimatabend in Fronhausen gezeigt worden. Wer alles damals Rang und Namen hatte (Land, Kreis, Kirche, Ort) und der Festzug mit alten und jungen Fronhäusern sind zu sehen. Als Internet-Produktion & Transformation beabsichtige ich diesen historisch einmaligen „Heimat-Film“ - 50 Jahre danach - ins INTERNET zu stellen; sehr viele Personen, die im Film zu sehen sind, leben heute nicht mehr oder sind mittlerweile Fronhausen-Oldies geworden, die oft (wie ich und meine Freunde) nicht mehr in Fronhausen leben. Alle werden sie aber zur 850-Jahrfeier nach Fronhausen reisen. Sie wollen Bekannte und Freunde treffen und besonders den „neuen“ Festzug 2009 bestaunen; die dicke „Chronik“, die über 600 Seiten Bild- und Textmaterial zu bieten hat (mit CD), zu kaufen, ist ein MUSS. Wann und wo mein INTERNET-Film zu „800-Jahre-Fronhausen“ zu sehen sein wird, gebe ich auf meiner Homepage bekannt: http://www.art-and-science.de. Siehe Bilder: Foto-Collage mit 10 Bildern zum Festzug 1959.

Dass mich die Schönheit und Idylle des einmaligen FRONHAUSEN mit den vielen schönen Fachwerkhäusern und der Wehrkirche als eine „Perle im Lahntal“ schon seit Kindheits-Gedenken fasziniert hat, spiegelt sich auch in meinen Fotoalben wider: Hier finde ich auch die drei Postkarten wieder, die ich einmal zum Verkauf in Fingers Laden entwickelt habe: Bilder in schwarz-weiß, 2 PK einteilig – Foto mit Pferdemutter und Fohlen (auch im Film zu sehen!), Steinwegblick mit Wehrkirche & Trachtenfrau - , 1 PK zusammengesetzt 5-teilig mit Schriftzug „FRONHAUSEN/Lahn“; siehe Abbildungen. In Fronhausen gab es damals kein derartiges Produkt zu kaufen, was ich sehr bedauerlich empfand und ändern wollte.
Mein Vater – Jahrgag 1900 – hatte großes Glück, nicht im Dritten Reich zum „Volkssturm“ eingezogen zu werden; als Tierarzt hatte er ein großes Gebiet zu betreuen (Teile des Landkreises Gießen, Marburg, Biedenkopf). Den „Volkssturm“ bildeten Männer von 25 bis 50 Jahren, die einen als kriegswichtig erachteten Beruf ausübten und deswegen unabkömmlich („uk“) gestellt waren. Mein Vater kurierte auch Tiere von Juden, die ein Tierarzt-Kollege des Nachbarkreises Gießen nicht behandeln wollte. Zum Thema Fronhausen & Antisemitismus siehe die Bemerkungen oben.

Die NAZI-Zeit hinterließ auch in Fronhausen Spuren: Da meine Mutter gerne fotografiert hat, besitzen wir heute mehrere Fotoalben, die in Bildern Geschichte dokumentieren.
So weiß ich, wie meine Geschwister und ich damals in der Nazi- und Kriegszeit aufgewachsen sind. Wie unser Opa, die Eltern und wir zu dieser Zeit ausgesehen haben, wie sie lebten. Es waren ganz andere – eher „arme“ Zeiten - verglichen mit heute, wo meine Enkelin als Zweijährige schon die Nordsee und Kanarischen Inseln kennenlernen konnte.

Aus der Reihe tanzte in unseren Alben eine Bildserie mit Bildern vom 4. März 1936 (Jahr der Olympischen Spiele in Berlin): Beim Googeln des Datums konnte ich herausfinden, dass um diese Zeit die Remilitarisierung des Rheinlandes (Rheinlandbesetzung) stattfgefunden hat. Ich kann mir aber heute erklären, warum Fronhausen derart mit einem Hakenkreuz-Fahnenmeer und riesigen Transparenten „verunstaltet“ worden ist:
Die Aufschriften der weit gespannten Transparente lauteten: „Deutschlands Dank! Die Stimme für den Führer.“ - „Der Führer gab Deutschland die Freiheit! Und Deutschland erfüllt seine Pflicht.“ – „Das Ziel des Führers: Ein Frieden der Ehre. Der Weg dazu: Ein einiges Volk.“ Es handelte sich um Wahlkampf: Am 29. März fand eine „Wahl“ statt, in der die Machthaber eine angeblich „grandiose“ Bestätigung erfuhren. Von Göttingen weiß man, dass die Polizei dort vor der Wahl um Politische Leiter aus NSDAP, SA und SS verstärkt worden ist, die nächtliche Kontrollgänge absolviert haben, und den Schießerlass vom 17.02.1933 beachten sollten.

Meine KRIEGSZEIT-Erinnerungen

Bei Flieger-Angriffen im 2. Weltkrieg wurden besonders der Fronhäuser Bahnhof und die Bahn-Stellwerke Zielscheibe. Im durch Balken gestützten Keller harrten wir oft der pontentiell verheerenden Angriffe. Die Fenster waren mit Schwarzpapier abgedunkelt.

Ihre Bedeutung als Eisenbahnknotenpunkt machte indessen besonders Gießen 1944 zur Zielscheibe, was auch für uns Folgen hatte.

An den 6. Dezember 1944, der zum Schicksalstag für Gießen geworden ist, erinnern wir uns besonders. Ca um 20.00 Uhr dröhnte der Luftalarm durch die Stadt Gießen, das seit vier Jahren von der Bombardierung durch die Alliierten noch weitgehend verschont geblieben war. Der Nikolausabend wurde zum Inferno: Im Bombenhagel und Feuersturm kamen in Gießen knapp 400 Menschen ums Leben, wobei das Zentrum mit vielen Fachwerkhäusern fast komplett zerstört worden ist. Dass das alte Gießen damals unterging, ist bis heute ein Trauma. Die nahe Lahnbrücke in Bellnhausen wurde bei Angriffen nicht getroffen.

Gießen war sicher auch Versuchsprojekt für die sogenannten „Christbäume" und Leuchtbomben, die in der Luft stehen blieben. Leicht wurden diese beeindruckenden „Christbäume" - die Markierungslichter der angreifenden Bombengeschwader - vom Wind abgetrieben. Beim Angriff auf Gießen waren sie auch von Fronhausen aus und über Fronhausen zu sehen. Selbst Himmelröte durch Feuersturm auf Frankfurt war am Himmel zu sehen. Das Brummen von Flieger-Angriffen war zu hören.

1944-1945 stand in Fronhausen auf einem Abstellgleis ein Güterzug mit Frachtgut (mit Riesen-Einpackpapier-Ballen), der immer wieder Ziel von Jagdbombern wurde. Stellwerke im Norden und Süden des Bahnhofs wurden beschossen. Bomben fielen auf die Schranken in unserer Nähe; Bombentrichter waren auf der Straße und Wiese zu sehen. Ein nahes Haus neben der Schranke wurde nicht beschädigt. Mit Maschinengewehren wurden aus Flugzeugen auch Häuser in unserer direkten Nachbarschaft beschossen und getroffen; Löcher sah man in der Hauswand. Tiefflieger sollten vor 1944 auch durch eine Flack-Einheit – stationiert in Fronhausen - bekämpft werden.

NACH-KRIEGSZEIT-Lebenserinnerungen

Die Amerikaner kamen aus dem Westerwald über Oberwalgern nach Fronhausen am 28.03.1945. Zuvor zogen deutsche Truppen tagelang an unserem Haus vorbei. Einer versteckte sich bei uns. Auch in Fronhausen hatte man besonders Angst vor Farbigen. Besatzungen kamen auch kurz in unser Haus (Einquartierung). Fotoapparate, Ferngläser und Radios wurden von Soldaten eingesammelt. Wir hatten später „off limits“ an der Haustür stehen, so dass Amerikaner nicht auf das Grundstück duften; der Tierarzt-Beruf war damals wichtig. Im Krieg konnte wegen eingeschränkter Benzin-Zuteilung das Auto selten benutzt werden, so dass der Tierarzt ein Pferd mit Kutsche angeschafft hatte; im Winter wurde ein Pferde-Schlitten zum Patientenbesuch benutzt.

Nach 1945 lag in der Umgebung unserer Wohnung viel Munition im Gelände herum; auch Stahlhelme. Kinder waren verrückt nach den „Fallschirmen“ in sammelbarer Munition (Leuchtpatronen). Geschosse wurden gern gegen harte Wände geworfen, um an die kleinen Schirme und das Pulver darin zu gelangen. Einer im Dorf verbrannte sich beim Pulver-Anzünden im Gesicht. Von einem Bekannten hörte man, dass ein 10jähriger durch Spielereien mit Munition seinen rechten Arm verloren hat. Möglicherweise veröffentlicht die Chronik existierende Bilder von kaputten Panzern an der Lahn.
Flack-Geschütze und 10-15 Scheinwerfer aus dem Krieg (Beutestücke) hatten die Amerikaner auf der Schwärz zusammengetragen. Der Sportplatz zur Schule hin (Fußballplatz) war dort oft überschwemmt (im Winter zugefroren). Mit und in Riesen-Deckeln der Scheinwerfer haben wir begeistert gepaddelt.

Erinnerungen werden auch wach an Beckers Dreschmaschinen in einer Halle und jahrelanges Ährenlesen (für Mehl) sowie Bucheckern-Sammeln (für Öl). Kohlenknappheit und Kartoffelkäferplagen gehörten zum Alltag nach 1945. Später ebenso Haus-Einquartierungen per Verfügung (bei uns ein Ehepaar aus dem Sudetenland, 1947). Das Über-die-Schranken-Springen auf dem Weg zur Schule musste weiter eingeübt werden. Erst viel später wurde eine Bahn-Unterführung gebaut.

Bürgerreporter:in:

W. H. aus Gladenbach

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