Am 15. September 1942 war es zu spät
Ich bin gestolpert, habe gesucht und habe noch mehr Frage und Emotionen gefunden.
,,Bitte bemerken Sie, dass ich Waise bin und hat das vielleicht Zweck. Es ist zu traurig, in welcher Situation ich eben dastehe, hier mutterseelenallein, und drüben niemand, der mir helfen könnte. Meine Verwandten wollen zwar nach Möglichkeit etwas tun, aber vor mir kommen immer noch andere. Das Mitleid ist zwar sehr groß, aber helfen tut niemand. Sehr verehrte Familie Sondheim, ich vertraue auf Sie, dass Sie mich nicht im Stich lassen. Es ist heute das erste Gebot, die Auswanderung so rasch als nur möglich zu bearbeiten."
So der Wortlaut der Hilferuf nach USA von Ingbert Fuld an einen Freund des bereits verstorbenen Vaters. Es waren die Mühlen der Bürokratie, die sehr langsam arbeiteten. Für Ingbert Fuld 23 Jahre alt, seinen nur 11 jährigen Halbbruder und die Haushaltshilfe Dora Selig 40 Jahre alt zu langsam. Der Freund des Vaters hatte bereits für die Familie gebürgt und wollte die Jungen nach USA holen. Zu spät! Am 15. September 1942 wurde die Familie aus Gießen deportiert. Wahrscheinlich starben sie noch im Oktober gemeinsam in Treblinka. Vor ihrem Wohnhaus in der Westanlage 28 wurden 3 Steine verlegt.
3 Steine erinnern an eine Familie, die eigentlich noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hätte, wenn die Mühlen der Bürokratie doch nur schneller gemahlen hätten. Dieses Schicksal ist eines von vielen in Deutschland, das gebe ich zu. Aber dieser Brief, dieser Hilferuf ist so geschrieben,
er könnte auch heute geschrieben worden sein. Von einem Flüchtling der versucht aus dem Leid einer krisengeschüttelten Region zu entkommen.
Die Stolpersteine sollen uns an die Schicksale der im 3. Reich verfolgten Familien erinnern. An Ihr Leben unter den eigentlich bekannten, vertrauten Nachbarn. An die Ängste, die sie durchlebten, als man bemerkte, was mit den Juden in Deutschland geschah. Wir sollten aber auch aus diesen Familiengeschichten lernen. Dieser Brief ist so aktuell, dass es einen gruselt und doch wurde er weit vor dem 15.September 1942 geschrieben. Ein Stolperstein auf dem Gehweg hat mich Stolpern lassen. Hat mich suchen lassen. Was ist dass für eine Familie gewesen?? Warum haben die Jungs einen anderen Namen als die Frau, die auch nicht alt war?? Der Link erklärt einiges
http://www.stolpersteine-giessen.de/dokumentation/...
Warum müssen immer noch Menschen wegen ihres Glaubens Angst um ihr Leben haben? Warum mahlen die Mühlen der Bürokratie scheinbar immer noch so langsam das für einige Menschen eine Flucht nicht mehr möglich ist, auch wenn Verwandtschaft und Bekannte sich für die Familie einsetzen??
Warum ist der Brief von Ingbert Fuld immer noch so furchtbar aktuell?
Bürgerreporter:in:Nicole Freeman aus Heuchelheim |
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