Lobbyismus
Die Familienunternehmer- wie Konzerne die Politik steuern

Denken wir an Familienunternehmen ist dieser Begriff meist positiv besetzt, scheint es sich doch ausschließlich um Betriebe wie die des Handwerksmeisters zu handeln, der für Finanzminister Christian Lindner (FDP) immer dann dafür herhalten muss, wenn es wieder einmal gilt, die Diskussion um eine Vermögenssteuer abzuwürgen.

Oder vertritt Lindner etwa damit heimlich die Interessen einer ganz anderen Klientel?
Etwa die des Zusammenschlusses „Die Familienunternehmer e. V“., ein Verband teils multinational agierender Konzerne mit milliardenschweren Umsätzen? Die mit großzügigen Spenden an FDP und CDU für sie unliebsame Gesetzesvorhaben, oder schon die Diskussion darüber zu verhindern versuchen?

abgeordnetenwatch.de* und Zeit Online haben interne Protokolle des Vereins ausgewertet. Darin sind dessen Strategien und Erfolge beschrieben. So habe man hinsichtlich der Energiepolitik „meinungsbildend sowohl auf die FDP als auch auf die Mittelstandsvereinigung der CDU“ gewirkt. Und bereits 2018 rühmte man sich damit, dass „Forderungen des Verbands im Koalitionsvertrag der großen Koalition verankert werden konnten“.

In fast jeder politischen Talkshow sitzen, dem Konzernverband gewogene, Parteienvertreter*innen wie beispielsweise Gitta Connemann, MdB und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU/CSU, die am liebsten das Streikrecht der Arbeitnehmer*innen beschränken würde. Seit Jahren schon kommt auch gerne Marie-Christine Ostermann, frisch gewählte Präsidentin der Familienunternehmer und FDP Politikerin, um alles, was Unternehmensgewinne schmälern könnte, niederzumachen. So ließ sie sich kürzlich über die vermeintlich überzogenen Lohnforderungen der Gewerkschaft Verdi aus. Eine 1:1 Übertragung dieser Gehaltszuwächse auf ihre Mitarbeiter (200 an der Zahl) könne sich ihr hart kämpfendes Familienunternehmen (Umsatz 2022 im hohen zweistelligen Millionen Bereich) auf keinen Fall leisten, so die Lobbyistin in fast weinerlichem Ton. Gerne setzt sich auch die ganze Riege ihrer Parteifreunde von FDP bis Union in Talkshows, wenn es gilt, Themen wie Erbschaftssteuer oder eine Vermögensabgabe für Superreiche zu zerreden oder Umverteilungsdebatten bereits im Ansatz abzuschmettern.

Welchen Druck der Verband bei weiteren Gemeinwohl orientierten Ansätzen ausübt, zeigen die Erfahrungen der “Stiftung Verantwortungseigentum”: Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das sogenannte Verantwortungseigentum voranzutreiben. Dabei geht es um eine neue Rechtsform für Unternehmen, die sich freiwillig dazu verpflichten, ihre Profite nicht mehr den Eigentümer*innen, sondern einem vorab definierten Unternehmenszweck zukommen zu lassen,  z.B. im Bereich der Umwelt - wie bereits in der Vergangenheit vereinzelt geschehen. Steuerliche Vorteile und die automatische Übertragung von Stimmrechten auf Unternehmenserben gibt es dabei nicht.

2021 entschied der Lobbyverband der Familienunternehmer, der vermutlich um diese Steuervorteile fürchtete, dass es nach der Bundestagswahl darum gehe, eine eventuelle Bevorzugung dieser Rechtsform zu verhindern.
Anscheinend war er damit erfolgreich: Mittlerweile setzt sich niemand mehr aus den Reihen der Abgeordneten, die das „Verantwortungseigentum“ befürwortet haben, dafür ein. Das teils aggressive Vorgehen dieser „Familie“ gegen Abgeordnete, die den Interessen des Lobbyverbands entgegenstehen, ist ein offenes Geheimnis.

Es ist also zu empfehlen, in Zukunft hellhörig zu werden, wenn es wieder einmal um die Interessen der Familienunternehmen geht.

Der folgende Newsletter enthält weitere Details und hochbrisante andere Themen und kann gerne weiterverbreitet werden.

Quellen:
Recherchen von abgeordnetenwatch.de und Zeit-online unter:
https://www.abgeordnetenwatch.de/newsletter/dr-oetker-henkel-und-co-die-lobbymacht-der-familienunternehmer
(Link kopieren und im Internet-Adressfeld eingeben)

*abgeordnetenwatch.de ist eine überparteiliche Internetplattform, die unter anderem Recherchen zu den Themen Lobbyismus, Parteispenden, Nebentätigkeiten von Abgeordneten veröffentlicht und sich für strengere Transparenzpflichten einsetzt (Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft)

Bürgerreporter:in:

Bea S. aus Gießen

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