Was nährt uns in der Wüste? - Predigt an Fronleichnam
Liebe Mitchristen!
Wer sich auf einen Weg macht, muss natürlich ein Ziel vor Augen haben. Gleichzeitig aber gehört es dazu, immer wieder mal eine Pause einzulegen und auf den bisherigen Weg zurückzuschauen.
„Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während der vierzig Jahre in der Wüste geführt hat“ – so spricht Mose in der heutigen Lesung zum Volk (vgl. Dtn 8,2-3.14-16a). Das Volk Israel soll also zurückblicken auf den Auszug aus Ägypten und auf den derzeitigen Weg durch die Wüste. Dieser Weg durch die Wüste ist bekanntermaßen nicht leicht. Es fehlt an vielen Dingen. Die Israeliten beginnen zu zweifeln, ob denn Gott noch da ist? Sie lehnen sich gegen Mose auf und machen ihm Vorwürfe. Sie verzweifeln an ihrer Situation.
„Du sollst an den ganzen Weg denken“ – das kann auch eine Einladung für uns sein, das Volk Gottes von heute. Der Weg Europas, der Weg unseres Landes, der Weg unseres Ortes wurden ganz stark vom Christentum geprägt. Ja – natürlich gibt es sie die kleinen und großen Fehler der Kirche, ihre Sünden und Niederlagen. Aber es ist auch viel Großes und Schönes gewachsen auf diesem Weg des Christentums. Angefangen von den Formen christlicher Spiritualität und Liturgie über die großen kulturellen Leistungen bis hin zu den vielen sozialen Einrichtungen. Auch unsere persönlichen Lebenswege sind vom christlichen Glauben geprägt. Wir tragen da sicher positive und auch negative Erfahrungen mit uns herum. Heute geht es uns aber so ähnlich wie dem Volk Gottes in der Wüste. Der Weg der Kirche ist sehr schwer geworden. Vieles spielt da herein – natürlich auch eigene Schuld. Und dabei geht es uns dann ähnlich wie dem Volk Israel in der Wüste. Wir fragen danach, ob Gott überhaupt da ist, ob er noch mit uns geht? Wir beginnen auch zu jammern und zu klagen. Manche möchten zurück zu früheren Formen des Glaubenslebens. Andere drängen weit nach Vorne.
Schauen wir nochmal zurück auf den Weg des Volkes Israel. Wie haben sie in der Wüste überlebt? Auf der einen Seite ist es das Wort Gottes, von dem sie gelebt haben. Der Mensch lebt von allem, was der Mund des Herrn spricht (vgl. Dtn 8,3). Und auf der anderen Seite sind es das Wasser und das Manna (vgl. Dtn 8, 15f). Das Wasser kommt aus dem Felsen und das Manna liegt unter den Tamariskensträuchern auf dem Boden. Auf dem Weg durch die Wüste wurde dem Volk Israel ein wichtiger Proviant geschenkt. Der Proviant des Wortes Gottes, des Wassers und des Mannas. Hörbare, essbare und trinkbare Gegenwart Gottes.
Schauen wir vom Weg Israels wieder zu unserem Weg als Kirche, als Gemeinde, als Christinnen und Christen. Wie können wir heute auf unserer Wüstenwanderung überleben? Wir können nicht nach Vorgestern auswandern und frühere Zeiten zum Leben erwecken. Es ist aber auch nicht möglich, ins Übermorgen vorauszufliegen. Wir leben heute und wir leben mit den Menschen von heute. Wir können auf unserer Wüstenwanderung nicht abbeißen von den steinernen Kirchenbauten. Alte Traditionen und Bräuche – auch wenn sie schön sind – sind nicht die Rettung. Viel Papier, neue Satzungen und nicht enden wollende Pastoralpläne helfen auch nicht wesentlich weiter. Wir brauchen auch heute den Proviant, den Gott seinem Volk schon in der Wüste geschenkt hat: das Wort, das Wasser und das Manna. Das alles kann für uns zu einem Zeichen für die hl. Messe – aber auch zum Zeichen für unseren Glaubensweg werden. Das Wasser ist für uns Christen ein Symbol für die Taufe. Wir alle sind geweihte, gesalbte und von Gott berufene Menschen. Wir sind sein Volk. Wasser und Manna zusammen stehen auch für die Eucharistie. Sie sind Zeichen für die Gegenwart Jesu in den Gestalten von Brot und Wein. Und das Wort Gottes gehört ganz wesentlich zu jeder hl. Messe und zum Leben eines jeden Christen dazu. Wir leben von der Eucharistie und vom Wort Gottes. Bei jeder Messfeier kommunizieren wir eigentlich dreimal. Wir kommunizieren mit Gott, wenn wir sein Wort hören und dieses Wort in uns aufnehmen. Und wir kommunizieren mit Gott, wenn wir Jesus im Brot des Lebens empfangen. Wir kommunizieren aber auch miteinander, weil das Wort Gottes und Jesus in der Eucharistie uns miteinander verbinden.
„Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich in der Wüste geführt hat“. Wort Gottes, Wasser und Manna – Jesus unter den äußeren Zeichen von Brot und Wein. Hörbare und genießbare Gegenwart Gottes. Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist: Gott geht alle Wege mit. Er ist auch heute mit uns auf dem Weg!
Pfarrer Ralf Gössl