Tod und Leben

Derzeit wohne ich noch nicht in Gersthofen. Übergangsweise habe ich eine Wohnung in Augsburg-Oberhausen bezogen. Wenn ich dort aus dem Fenster meines Arbeitszimmers blicke, dann sehe ich direkt auf den Nordfriedhof. So mancher findet die unmittelbare Nachbarschaft zu einem Ort des Todes befremdlich. Mich stört das nicht. Im Gegenteil: So ein Friedhof strahlt eine ungeheure Ruhe aus.
Seit ein paar Tagen ist an der Friedhofsmauer der Frühling eingekehrt. Ein kleiner Baum schmückt sich über und über mit einem weißes Blütenkleid. Ich musste das einfach fotografieren, denn diese Kombination aus dem Friedhof und der Natur, die vor frühlingshafter Kraft explodiert, ist für mich ein österliches Bild, wie geschaffen für die Osterzeit. Den bedrückend schweren grauen Steinen auf den Gräbern zum Trotz, setzt das Leben einen Farbtupfer in die Welt, der daran erinnert, dass selbst der längste Winter endet.
An diesem blühenden Baum kann ich mich nicht sattsehen. Er ist für mich ein Symbol der Hoffnung. Und ein Zeichen, das mich mahnt, nicht allein auf das Schwere zu starren, mich nicht vom Ernst des Lebens erdrücken zu lassen und meine Tage nicht wie Steine mit mir herum zu schleppen, sondern den Blick auf das Leben zu richten. Die Osterbotschaft der Hl. Schrift erzählt davon. Während sich die Frauen, die an das Grab Jesus gehen, noch fragen, wer ihnen denn den Stein vom Grab wegwälzen wird, hat sich bereits das Leben durchgesetzt. Männer in weißen Gewändern künden von der Auferstehung und mahnen die Frauen, nicht beim Anblick des Todes stehen zu bleiben, sondern ins Leben zurückzukehren.
Gerade in dieser für viele Menschen belastenden Zeit kann das für uns eine reinigende und beruhigende Übung für die Seele sein: Nicht bei dem stehen zu bleiben, woran wir derzeit schwer zu tragen haben. Das meldet sich von selbst und nimmt sich oft mehr Raum, als uns guttut. Dafür aber Ausschau zu halten nach den Zeichen, die vom Leben erzählen, nach den kleinen Aufbrüchen, die unsere Hoffnung wecken und nach den schönen Dingen des Lebens, die uns trotz allem dankbar werden lassen. Vielleicht sind das ganz selbstverständliche Dinge. Mein Baum blüht bestimmt jedes Jahr aufs Neue. Aber von diesen kleinen, oft unscheinbaren Dingen, gibt es in jedem Leben so viele zu entdecken (trotz den Gräbern, die auch Lockdown, Einschränkungen, Sorgen und Zukunftsängste heißen können), dass sie in uns die Zuversicht wachhalten: Am Ende wird sich Leben das Leben durchsetzen. Das ist für mich der Kern der österlichen Botschaft: In der Auferweckung Jesu zeigt uns Gott, dass er kein Interesse am Untergang des Menschen hat, sondern daran, dass er lebt und liebt und lacht.
Und damit ich das nicht vergesse, hat er mir einen blühenden Baum geschenkt.

Bürgerreporter:in:

Markus Dörre aus Gersthofen

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