Gersthofen: Bericht über die Podiumsdiskussion Thema: Kinder- und Opferschutz – Reichen neue Gesetze aus ?

v.l.: Dr. Franz-Joseph Freisleder; Justizministerin Frau Dr. Beate Merk, 1. Bürgermeister Herr Schantin (stehend); Prof. Dr. Frank Arloth; Hermann-Josef Borjans
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  • v.l.: Dr. Franz-Joseph Freisleder; Justizministerin Frau Dr. Beate Merk, 1. Bürgermeister Herr Schantin (stehend); Prof. Dr. Frank Arloth; Hermann-Josef Borjans
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Ich hatte in einem anderen Beitrag schon darauf hingewiesen, dass am 23.09.2009 um 19.00 Uhr im großen Sitzungssaal des Gersthofener Rathauses eine Podiumsdiskussion zum Thema
Kinder- und Opferschutz – Reichen neue Gesetze aus ?
Ist der Schutz unserer Kinder bzw. der Bevölkerung durch die neue Gesetzgebung gewährleistet?
Gäste:
Bayerns Justizministerin Frau Dr. Beate Merk
EKHK Hermann-Josef Borjans, Bezirksvorsitzender BDK Bonn, Redakteur Kripo Tipps
Herr Dr. Franz-Joseph Freisleder, Kinder- und Jugendpsychiater

Jeder der diese Podiumsdiskussion nicht besucht hat, hat wirklich etwas verpasst.

Eröffnet wurde die Podiumsdiskussion vom 1. Bürgermeister Herrn Jürgen Schantin. Er wies darauf hin, als die Vorsitzende des Vereins SICHERES LEBEN e.V. auf ihn zukam um das Datum für die Podiumsdiskussion festzulegen, es nicht abzusehen war, dass das gewählte Thema durch die letzten Ereignisse gerade in Bayern an diesem Tag so aktuell wie nie ist. Herr Schantin bedankte sich vor allem bei Bayerns Justizministerin Frau Dr. Beate Merk dafür, dass Sie sich bereit erklärt hat, an dieser Podiumsdiskussion teilzunehmen. Selbstverständlich wurden auch die Herren Borjans und Dr. Freisleder herzlich begrüßt.
Im Publikum wurden Herr und Frau Gilg, Eltern, der im Februar 2002 ermordeten Vanessa, Herr Ostermüller (ehemaliger Vorsitzender des Vereins SICHERES LEBEN e.V.), Frau Hagen vom Jugendamt Augsburg, Herr Pfarrer Gössl sowie drei Stadträte der Stadt Gersthofen als Besucher begrüßt.

Herr Schantin gab zu verstehen, dass man zusammen für die Sicherheit der Kinder, Jugend und der Bevölkerung kämpfen soll.

Hier sei kurz erwähnt, dass die Stadt Gersthofen zusammen mit dem Verein SICHERES LEBEN e.V. nun auch das von der Stiftung Hänsel + Gretel ins Leben gerufene Projekt „Notinsel“ in Gersthofen umgesetzt hat. Näheres dazu in Kürze.

Frau Gabriele Schmidthals-Pluta, Vorsitzende des Vereins SICHERES LEBEN stellte im Anschluss kurz den Verein vor und begrüßte ebenfalls alle Anwesenden, mit besonderem Dank an Herrn Prof. Dr. Frank Arloth, Leiter der Abteilung Justizvollzugs im bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, der kurzfristig als Moderator eingesprungen ist.

Dieser übernahm daraufhin das Wort und begann die Diskussionsrunde.
Frau Dr. Beate Merk wies darauf hin, dass entgegen der oft vorgeworfenen reflexartigen Reaktion auf aktuelle Fälle mit der Forderung nach Gesetzesänderungen, sehr wohl versucht wird bei jedem Fall besonnen zu reagieren und die Ermittlungsergebnisse abzuwarten. Sofern doch Forderungen früh gestellt wurden, dann aus dem Grunde, weil es sich um keine neuen Forderungen handelt, sondern diese schon lange geltend gemacht wurden, aber es meist keine Unterstützung anderer Parteien gab. Zumeist wurden den Forderungen verfassungsrechtliche Gegenargumente entgegengestellt. Dies reicht Frau Dr. Beate Merk aber nicht. Es müsse noch mehr getan werden. Man habe zwar inzwischen auch schon einiges erreicht, hierbei verwies sie auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung die durch Polizeirecht erstmals durchgesetzt wurde, jedoch sieht Frau Dr. Beate Merk noch erhebliche Lücken u.a. bei Ersttätern. Frau Dr. Merk sprach von einem Schnellschuss bei der Verabschiedung des Gesetzes der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Jahre 2004. Insgesamt war man sich darüber einig, dass es noch Lücken bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung zu schließen gibt. Es kann nicht sein, dass bei einem Ersttäter, der als gefährlich eingestuft wird erst neue Tatsachen vorhanden sein müssen um die nachträgliche Sicherungsverwahrung greifen zu lassen.

Entgegen der Meinung, dass man keine höhere Strafen benötigt, da diese einen Täter nicht besser machen, sieht Frau Dr. Beate Merk in den Strafen auch eine Sühne der Täter. Sie fordert für 18-21-jährige Straftäter daher höhere Strafen.
Es wird zudem bemängelt, dass den Tätern geholfen wird beispielsweise mittels Therapien und hier im Haushaltsplan bereits ein bestimmtes Budget eingeplant ist, nicht jedoch für die Opfer. Ab dem Jahr 2010 soll sich dies ändern, d.h. es wird auch ein sogenanntes Opferbudget eingeplant.

Herr Dr. Freisleder informierte darüber, dass es eine dramatische Zunahme und zwar um das 10-fache von Störungen wie z.B. Depressionen u.a. im Vergleich zu vor 10 Jahren gibt. Herr Dr. Freisleder sieht einen Rollenkonflikt bei den Psychiatern, denn zum einen müssen sie Opfer erkennen und behandeln, zum anderen aber auch bei Tätern erkennen, ob die Möglichkeit besteht, sie auf einen besseren Weg zu bringen. Es ist festzuhalten, dass durch Therapien deutlich weniger Rückfalltäter zu verzeichnen sind, als ohne Therapie. Er weist auch darauf hin, dass Täter oft vorher selbst Opfer waren und man diese gefährdeten Kinder früher erkennen muss.
Herr Borjans wies darauf hin, dass sich der BDK viel für den Opferschutz einsetzt, nur können leider nicht alle Taten vermieden werden. Er wies ausführlich auf das Duisburger Projekt RISKID hin, welches durch die erstellte Datenbank das Ärztehopping verhindern will. Der Bund der deutschen Kriminalbeamten (BDK) verleiht daher den Preis „Bul-le-merite” 2009 an die Duisburger Initiatoren der RISKID-Datei. Herrn Spengler bei der diesjährigen Bundesdelegiertenkonferenz des BDK am 07.10.2009 in Suhl.

Allerdings laufen die Ärzte Gefahr sich mit dieser Datei im Sinne des Datenschutzgesetzes strafbar zu machen.

Alle Teilnehmer sind sich einig, dass Kinderschutz über dem Datenschutz steht.

Kann man nur hoffen, dass dies auch entsprechend umgesetzt wird.

Herr Bojans zog ein weiteres ASS aus dem Ärmel und wies darauf hin, dass es seit ca. 4 Jahren im Bereich des BDK Bonn die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung gibt. So haben Opfer die Möglichkeit nach einer Tat die Spuren sichern zu lassen, ohne gleich Anzeige erstatten zu müssen. Die gesicherten Spuren werden dann 10 Jahre lang aufbewahrt. So hat ein Opfer Zeit und kann innerhalb von 10 Jahren immer noch Anzeige erstatten. Auch gibt es ein Opferhilfehandbuch, in dem alle wichtigen Adressen (im Bereich Bonn) eingetragen sind.

Um gefährdete Kinder oder auch Kinder bzw. Jugendliche frühzeitig zu erkennen, die gefährdet sind bzw. zu Tätern werden können, wurden verschiedene Ansatzmöglichkeiten gezeigt. Selbstverständlich reicht keine der genannten Möglichkeiten aus, Taten zu vermeiden, aber je mehr Mosaiksteine zusammenkommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eine Tat zu verhindern.

So waren sich Frau Dr. Beate Merk und Herr Dr. Freisleder auch darin einig, dass es eine Verpflichtung für die Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern geben muss.

Ebenso sollen Möglichkeiten geschaffen werden, wenn Hilfsangebote nicht angenommen werden, dass gefährdete Kinder aus den Familien geholt werden können.

Killerspiele sollten verboten werden. Frau Dr. Merk betonte, dass es nicht sein kann, dass diejenigen, die die Spiele mit auf den Markt bringen auch in dem Gremium sitzen, die die Freiwillige Selbstkontrolle durchführen. Die Zeit zur Überprüfung der Spiele und Filme von 10 Tagen ist für die Anzahl der Filme und Spiele, die ständig auf den Markt kommen viel zu gering. Innerhalb so kurzer Zeit kann keine genaue Prüfung durchgeführt werden. Sofern ein gefestigter junger Mensch ein Spiel kurz spielt, geht vermutlich keine Gefahr davon aus. Die Gefahr besteht vielmehr darin, wenn solche Spiele z.B. 5 Stunden täglich gespielt werden, dass die Gewalt als „Normalität“ empfunden wird.

Herr Borjans wies zudem darauf hin, dass selbstverständlich nicht allein die Killerspiele verantwortlich sind. Auch die Schulen sollten mehr Informationen sammeln, so wenn z.B. ein Schüler durch auffälliges Verhalten oder durch Abgrenzung heraussticht. Dies kann durch Kleidung oder auch entsprechende Bemerkungen geschehen.

Herr Dr. Freisleder forderte zudem, dass in Führungszeugnissen mehr an Aussagekraft gewinnen sollten, d.h. auch Delikte mit geringerem Strafmaß in Bezug auf Kindesmisshandlung etc. aufgenommen werden sollte. Frau Dr. Beate Merk wies darauf hin, dass bestimmte Berufsgruppen, die mit Kindern zu tun haben, diese Informationen jetzt bereits schon bekommen können, dies aber nicht ausreicht. Sie ist vielmehr der Auffassung, auch in Berufen, die im „Normalfall“ nichts mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, sollte diese Information zugänglich sein, damit der Arbeitgeber besser abschätzen kann, an welche Stellen er seinen Mitarbeiter einsetzen kann.

Natürlich kann ich hier nicht alles im Detail widergeben, was in der Podiumsdiskussion zur Sprache kam. Wie bereits oben erwähnt, war diese sehr informativ und vor allem kann man eines festhalten, es gibt noch viel zu tun um den Schutz der Kinder, Jugendlichen und natürlich auch der ganzen Bevölkerung zu erhöhen. Jeder sollte auch den Mut zur Zivilcourage haben und helfend eingreifen. Es wäre wünschenswert, wenn RISKID deutschlandweit eingesetzt werden könnte, ohne dass die Ärzte Angst haben müssen, aufgrund des Datenschutzes Probleme zu bekommen. Diese Daten sind nur den Ärzten zugänglich und wenn damit nur einem Kind geholfen werden kann, hat es sich doch schon gelohnt. Auch die anonyme Spurensicherung sowie das Opferhilfehandbuch finde ich eine gute Idee und man sollte überlegen, ob nicht auch hier die Möglichkeit besteht, dieses umzusetzen.

Bürgerreporter:in:

Tanja Schnepp aus Gersthofen

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