"Balance zwischen Wachstum, Innovation und Tradition"
Gersthofens Erster Bürgermeister Michael Wörle resümiert im Interview die Entwicklungen in der Stadt
myheimat: Es gab in der Vergangenheit schon diverse Ideen und Ansätze zur Aufwertung des Zentrums und der Gestaltung einer neuen Mitte Gersthofens. Welche Pläne gibt es zu diesem Vorhaben aktuell und welche Entwicklungen sind rückblickend auf das Jahr 2018 zu verzeichnen?
Michael Wörle: Vorneweg: Auch wenn es für Bürgerinnen und Bürger so aussah, als wäre in der Sache in den letzten Monaten nichts passiert, kann ich versichern, dass wir intensiv an dem Thema gearbeitet haben. Es gab diverse Gespräche und zugesicherte Termine von Seiten des Investors, die dann jeweils allesamt kurzfristig von diesem abgesagt wurden. Wir hatten unsere Hausaufgaben zu Bebauung, verkehrlichen Lösungen und Straßeninfrastruktur gemacht und hätten jederzeit mit der Umsetzung starten können und auch wollen.
Durch den Verkauf der Grundstücke Mitte November ist jetzt aber wieder neue Bewegung und ein ganz anderer Wind in die Sache gekommen. Mit dem neuen Besitzer, der JVP Wohnbau GmbH, ist ein Neustart möglich: Wohnen und Handel, in Verbindung mit den für uns in puncto Stadtentwicklung elementaren Themen Aufenthaltsqualität, Verkehrsberuhigung und zukunftsfähige Gestaltung unserer Stadtmitte. Wir stecken bereits mitten in den Gesprächen zur Umsetzung des Projekts.
Der Grundstückseigentümer wie auch wir sind an einem schnellen Projektstart interessiert, sofern die Rahmenbedingungen für alle Beteiligten passen und vor allem: Sofern für unsere Bürgerinnen und Bürger eine innovative und attraktive Lösung für ein modernes Stadtzentrum geschaffen werden kann!
myheimat: Die Umbauarbeiten in der Augsburger Straße wurden gerade von Anwohnern und ansässigen Unternehmen stark kritisiert. Beispielsweise wurde viel über die neuen Verkehrsinseln diskutiert. Wie zufrieden sind Sie mit der Umgestaltung der Augsburger Straße?
Wörle: Dass das Thema heiß diskutiert wurde, haben wir im Rathaus natürlich mitbekommen. Die Mitarbeiter des zuständigen Sachgebiets waren nahezu jeden Tag vor Ort, haben die Situation genau beleuchtet und Nachbesserungsarbeiten eingeleitet. Was man aber ganz deutlich sagen muss: Es handelt sich bei dieser Maßnahme nicht um eine willkürliche Entscheidung der Verwaltung, sondern um einen Stadtratsbeschluss, den wir entsprechend umgesetzt haben. Verkehrsexperten und Polizei haben mehrfach darauf hingewiesen, dass Zebrastreifen an einer derart vielbefahrenen Straße, in der Augsburger Straße zu Spitzenzeiten mehr als 1.000 Autobewegungen pro Stunde, keinen sicheren Fußgängerüberweg darstellen. Dazu gibt es Richtlinien, welche die Gestaltung dieser Überwege regeln. Darum wurde im Zuge der notwendigen Straßensanierung auch die Umrüstung auf Querungshilfen geplant und umgesetzt.
Und die Erfahrung der letzten Monate zeigt: es funktioniert. Natürlich ist es eine Umstellung, aber etwas nur so zu belassen, weil es der Gewohnheit gefällt, entspricht eben nicht dem Wandel des Verkehrs und den damit verbundenen Richtlinien. Wir wollen Verkehre fördern, die auf gegenseitiger Rücksichtnahme basieren. Das funktioniert in Gersthofen genauso, wie in anderen Kommunen, die bereits erfolgreich mit Querungshilfen arbeiten.
myheimat: Gersthofen wächst rapide. Ziel der Stadt ist es, das Wachstum moderat zu halten, daher soll die Stadt im Idealfall im Jahr 2030 nicht mehr als 27.000 Einwohner zählen. Wie will die Stadt sich zum einen der Herausforderung des maßvollen Wachstums annehmen. Zum anderen, welche Pläne für Neubaugebiete gibt es bereits und wie könnte eine mögliche Nachverdichtung aussehen?
Wörle: Wir wollen wachsen – das ist richtig. Aber bitte durchdacht und strukturiert. Darum hat sich der Stadtrat auch dagegen entschieden, das maximale Potential an Zuwachs auszuschöpfen. Wir könnten in Gersthofen in einigen Jahren nämlich auch 33.000 Bürger sein. Allerdings wollen wir gesundes Wachstum, bei dem wir die Infrastrukturen im Hintergrund noch sinnvoll und zukunftsfähig steuern können. Das beginnt bei einer größer dimensionierten Kanal- und Wasserversorgung und endet beim Bau neuer Kindertagesstätten. Wir wollen Bürgerinnen und Bürger eine solide Basis für ihr Leben bieten, ob für Job, Freizeit oder Familie. Darum haben wir uns mit 27.000 Einwohnern bis zum Jahr 2030 ein machbares Ziel gesetzt.
Dafür arbeiten wir einerseits an der Nachverdichtung bestehender Gebiete und Bebauungen und wollen andererseits neue Baugebiete ausweisen.
Konkret haben wir bereits das Areal nördlich der Thyssenstraße in Angriff genommen, wo auf ca. 6,5 Hektar insgesamt 2.500 Menschen ein Zuhause finden können. Aber nicht auf engstem Raum, sondern mit viel Grünflächen und Cityhäusern kombiniert mit Geschosswohnungsbau. Perspektivisch gesehen gibt es aber noch weitere Potentialflächen.
myheimat: Aufgrund des Wachstums steigt auch der Bedarf an Kita- und Schulplätzen rasant. Wie schwierig ist die Herausforderung, immer neue Plätze zu schaffen?
Wörle: Wir haben hier rigoros umgedacht. Wo früher nur mit den aktuell bekannten Kinderzahlen geplant und gebaut wurde, beziehen wir heute Bevölkerungsprognosen in unsere Planungen ein. Wir haben dafür extra ein Institut beauftragt, welches uns sehr genau voraussagen konnte, in welchem Zeitraum wir wie viele Kinder welcher Altersklassen zu erwarten haben.
Wir eröffnen momentan nahezu jährlich eine neue Kita und auch 2019 kommen weitere Gruppen hinzu, wir erweitern dafür an bestehenden Einrichtungen. Mit dem Bau einer komplett neuen Einrichtung an der Ostendstraße entsteht jedoch ein völlig neues Projekt für noch mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Und auch für Familien haben wir etwas getan: Die Krippengebühren werden zum Jahreswechsel um 24 Prozent gesenkt.
myheimat: Auch die Themen Verkehr und Mobilität sind in Gersthofen wichtige Eckpfeiler der städtischen Politik. So soll der öffentliche Personennahverkehr weiterhin ausgebaut werden und es gibt Debatten um eine Erneuerung der Buslinienführung. Wie könnte beziehungsweise sollte die Mobilität der Zukunft in einer Stadt wie Gersthofen aussehen und welche Maßnahmen ergreifen Sie dahingehend?
Wörle: Bis zum Sommer 2019 soll ein ganzheitliches Mobilitätskonzept erarbeitet werden. Hier gilt es die Belange der Fußgänger, der Rad- und Autofahrer, des ÖPNV bis hin zur Bahn zu analysieren und zukunftsfähige Planungen zu erarbeiten. Dabei werden verschiedene Szenarien gegenübergestellt, sodass der Stadtrat am Ende eine faktenbasierte Entscheidung treffen kann. Ein wichtiger Punkt hierbei ist auch die Verbesserung der Busanbindung von bisher unterversorgten Gebieten.
Parallel arbeiten wir an einem Konzept, das den ÖPNV bereits kurzfristig attraktiver macht. Mit der Bezuschussung durch die Stadt wollen wir es den Gersthoferinnen und Gersthofern ermöglichen, für 20 Euro pro Monat mit den Bussen in Gersthofen und für 30 Euro pro Monat mit Straßenbahn und Bus bis nach Augsburg unterwegs zu sein, also in der Zone 10 und 20.
Damit machen wir den ÖPNV deutlich attraktiver, denn seien wir mal ehrlich: häufig geht es auch um den Preis.
Natürlich genügt es aber nicht, nur den ÖPNV zu betrachten. Ich denke, das Thema Elektromobilität wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigten, darum rüsten wir unsere Tiefgarage nun mit E-Tanksäulen auf. Und auch für E-Bikes werden Lademöglichkeiten entstehen.
Neben diesen Punkten werden wir für ein breiteres Carsharing-Angebot sorgen. Da hat uns leider bisher der Gesetzgeber einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber jetzt geht es endlich einfacher. Wir werden in Kürze zusätzliche Carsharing-Parkplätze ausweisen, welche verschiedene Anbieter für sich nutzen können.
myheimat: Gersthofen als Wachstumsregion ist gleichzeitig auch attraktiver Wirtschaftsstandort. Wie steht es um die Entwicklung der verschiedenen Industrie- und Gewerbegebiete in Gersthofen?
Wörle: Kurzum: Wir sind ausgebucht. Es gibt kaum freie Flächen mehr. Das liegt natürlich zum einen an der bevorzugten Lage direkt an der B2/B17/A8, doch auch die kurzen Wege in der Verwaltung überzeugen. Ich habe einen direkten Draht zu vielen Unternehmern und immer ein offenes Ohr für Anliegen und Wünsche. Wir versuchen eine sinnhafte Ansiedlungspolitik zu betreiben, bei welcher die verschiedenen Unternehmen auch voneinander profitieren können. Bisher gelingt dies sehr gut und wir setzen viel daran, dass dies so bleibt. Das machen wir unter anderem auch deswegen, damit weiterhin viele Bürger bei uns einen wohnortnahen Arbeitsplatz finden. Im Moment sind das innerhalb unseres Stadtgebiets übrigens 13.000.
myheimat: Nächstes Jahr wird die Stadt Gersthofen 50 Jahre alt. Das Jubiläum der Stadt fällt auch mit den Jubiläen vieler großer Vereine in Gersthofen zusammen. Was ist für das Jubiläumsjahr geplant und was erwarten Sie sich von den zahlreichen Feierlichkeiten?
Wörle: Wir arbeiten bereits seit über einem Jahr intensiv an unserem großen Festjahr. Wir wollten ein Programm auf die Beine stellen, das sich erstens nicht auf eine einzige Festwoche beschränkt und zweitens nicht gänzlich vordiktiert wird. Darum haben wir verschiedene Traditionsveranstaltungen in ein neues Licht gerückt, wenn wir zum Beispiel am 30. April eine große Maibaumfeier auf dem Rathausplatz geben und dabei das Holz des alten Maibaums versteigern. Wir haben aber auch mit zusätzlichen Events ein buntes Angebot für Jung und Alt geschaffen, sei es eine Party im Festzelt, die Taufe unseres neuen Gasballons oder das Open-Air-Theater mit „Brandner Kasper“ auf dem Rathausplatz. Und on top können Gersthoferinnen und Gersthofer beim Festjahr auch direkt mitmachen: Wir fahren zu vielen Terminen mit einem Fotocaravan durch die Stadt und lassen uns erzählen, was die Stadt für unsere Bürger denn so besonders macht. Einen Vorgeschmack darauf und alle weiteren Informationen gibt es unter www.50jahre-gersthofen.de.
Ich erhoffe mir, dass am Ende des Jahres die Bürger sagen: Wir haben unser Jubiläum gemeinsam gefeiert und genossen! Ganz nach unserem Festmotto: Gemeinsam. Erfolgreich. Leben.
myheimat: 50 Jahre Gersthofen – wie hat sich die Stadt in Ihren Augen in den letzten Jahren entwickelt und was macht Gersthofen für Sie besonders?
Wörle: Vom alemannischen Straßendorf zum wirtschaftsstärksten Standort der Region – ich glaube damit ist schon vieles gesagt. Gersthofen hat es geschafft, sich die Balance zwischen Wachstum, Innovation und Tradition zu bewahren. Natürlich bleiben Veränderungen durch den rasanten Anstieg an Bewohnern und Unternehmen nicht aus. Doch man darf nicht vergessen, dass dieses Wachstum und die solide Gewerbesituation die Gründe dafür sind, dass wir in Gersthofen Dinge planen und umsetzen können, von denen andere Kommunen nicht zu träumen wagen. Ich sage nur eine Mittelschule mit Dreifachturnhalle für 33 Millionen Euro – eine wichtige Investition in Bildung und die Zukunft unseres Nachwuchses. Oder die Neubauten im Bereich Kinderbetreuung, Hort- und Mittagsbetreuung: in Gersthofen hat aktuell jedes Kind, wenn es die Eltern wünschen, einen Betreuungsplatz. Wir planen außerdem gerade ein Mehrgenerationenhaus, bei dem Jung und Alt unter einem Dach leben und voneinander profitieren. Und on top unterstützen wir unsere bunte Vereinslandschaft, das sind übrigens knapp 120 verschiedene Vereine, mit Förderungen. Damit können den Mitgliedern verschiedenste Freizeitaktivitäten angeboten werden.
Trotzdem bleibt natürlich weiterhin viel zu tun, aber genau darum ist es in Gersthofen auch so spannend. Wir können und wollen Zukunft gestalten! Auch in den nächsten 50 Jahren!
myheimat: Vielen Dank für das Interview, Herr Wörle!
Bürgerreporter:in:Michaela Dempf aus Walkertshofen |
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