Ein Tenor mit Starkstromerfahrung
„Wo man singt, da lass Dich nieder“, heißt es im Volksmund. So betrachtet, müsste der Weidenweg in Gersthofen eine bevorzugte Wohngegend sein. Denn im Weidenweg 13a wird gut und gerne gesungen. Freunde des klassischen Gesangs wissen vielleicht schon wer der Sänger ist, der im folgenden Bericht vorgestellt werden soll.
Kammersänger Ulrich Reß empfängt den myheimat-Mann in seinem Haus. Er teilt es mit seiner Frau Petra, den drei Söhnen Christian, Johannes und Maximilian sowie mit Tochter Katharina. Nicht zu vergessen: Labradorhund Bruno ist mit von der Partie. Er kredenzt eine Tasse Kaffee und stellt sich geduldig den Fragen des Pressemannes. Der möchte gleich wissen: wie wird man Kammersänger? Und jetzt kommt schon die erste Überraschung – Reß ist gelernter Starkstromelektriker. Seine Eltern hatten schon recht früh die Sangesfreude ihres Sohnes bemerkt und ließen ihn ab dem 6. Lebensjahr die Albert Greiner-Singschule unter dem damaligen Schulleiter Reinhard Lampart besuchen. Aber das Kind sollte ja auch etwas „Gescheites“ lernen und der junge Reß trat deshalb eine Lehre zum Starkstromelektriker bei den Stadtwerken Augsburg an. Ab dem 2. Lehrjahr ging er zur Gesangsausbildung ins Leopold Mozart-Konservatorium. Sein Tagesablauf sah zu dieser Zeit etwa so aus: von 8 bis 16 Uhr Lehrlingsausbildung und danach Singen im Konservatorium. „Diese anstrengende Zeit hat mir viel für das Leben gegeben“, bekennt Reß. Er beendete erfolgreich seine Starkstromelektriker-Ausbildung, setzte dann aber auf Rat von Professor Franz Kelch ausschließlich auf die Ausbildung seiner Stimme. 1975 wurde ein Studium zum Opernsänger beim Konservatorium angetreten. Zugleich erfolgte die Aufnahme im Extrachor der Städtischen Bühnen in Augsburg, dem er drei Jahre angehörte. 1978 freute er sich über das erste Engagement bei den Städtischen Bühnen Augsburg als Tenorbuffo. Nach erfolgreichem Studiumabschluß kam 1984 ein Angebot von der Bayerischen Staatsoper München unter Professor Wolfgang Sawallisch. Opernsänger Reß bekam zunächst einen 1-Jahresvertrag, dann 2- und 4- Jahresverträge; mittlerweile sind es 24 Jahre bei der Staatsoper. 1988 erfolgte sein Debüt als David bei den „Meistersingern von Nürnberg“ bei den Bayreuther Festspielen. 1994 wurde er mit dem Titel „Bayerischer Kammersänger“ infolge hervorragender Leistungen ausgezeichnet. Seit 1984 hat Reß in München bei ca. 2.000 Vorstellungen in 50 verschiedenen Opernpartien in gesungen. Und das noch in fünf Sprachen. Er trat u. a. auf in der Zauberflöte als Monostatos, im Fliegenden Holländer als Steuermann oder im Rosenkavalier als Valczacchi auf. Mit Schmunzeln erinnert er sich an seine Rolle als Rechtsanwalt „Dr. Blind“ in der Operette Fledermaus. „Ich wurde als Modeguru Rudolf Mooshammer mit Plüsch-Daisy aufgebaut – ein kleiner Gag. Der richtige Mooshammer kam in eine Vorstellung und amüsierte sich köstlich.“ Zu seinen Gesangspartnern gehörten u. a. Stars wie Rene Kollo, Kurt Moll, Lucia Popp, Hermann Prey oder Placido Domingo. Er arbeitete mit so namhaften Dirigenten wie z. B. Sir Colin Davies, Giuseppe Patane oder Wolfgang Sawallisch zusammen. Der Erfolg hat aber auch seinen Preis. Tägliches Üben, zuhause oder bei der Staatsoper in München –hier mehrstündige Proben- und Abendvorstellungen; da ist der Tag lang und Reß kommt oft erst nach Mitternacht in den Weidenweg zurück. Lampenfieber hat er übrigens immer noch: „Das gehört zu jeder guten Vorstellung“, erklärt der Tenor.
Was kann der Mann außer singen und mit Starkstrom hantieren noch? Jetzt kommt die zweite Überraschung: er kocht leidenschaftlich gerne. Die Familie schätzt seine Kochkünste und Frau Petra überlässt ihm gerne die Küche, wenn er z. B. sein Leibgericht „Kalbshaxe mit Spätzle“ zubereitet. Das dadurch –eventuell- zusätzlich anfallende Gewicht trainiert er wieder mit Skifahren und Tennisspielen ab. Spaziergänge mit Familie und Hund Bruno sind für ihn ebenfalls wichtig. Das alles zeugt von einer gesunden Lebenseinstellung, die von dem Motto „Leben und leben lassen“ getragen wird. In seinem Fall vielleicht besser „Singen und singen lassen“, womit wir wieder bei seinen Sangeskünsten angelangt sind. Würde sich der Kammersänger noch über eine Einladung zu einem Gastspiel auf „Brettern, die die Welt bedeuten“ freuen? Ja, natürlich. Da wäre die Wiener Staatsoper oder die Metropolitan in New York zu nennen.
Singe, wem Gesang gegeben. Ist noch jemandem in der Reß-Mannschaft Gesang gegeben? Ja, Vater Reß freut sich über Tochter Katharina. Sie singt mit 10 Jahren bereits im Kinderchor der Städtischen Bühnen Augsburg und spielt außerdem Cello. Und da gibt es noch den Bruder Wolfgang Reß, der seit 16 Jahren die Albert-Greiner Singschule in Augsburg leitet.
Zum Schluss frotzelt der Pressemann noch etwas. Reß hat Gastspiele in Barcelona, Monte Carlo, Paris. Rom, Tokio hinter sich – nur um einige Auftrittsorte zu nennen. Und dann immer wieder zurück nach Gersthofen? „Ich bin seit 1984 gerne in Gersthofen, dort fühle ich mich wohl“, lautet die entwaffnende Antwort. Der Pressemann ist beeindruckt. Endlich jemand, der ein Bekenntnis zu unserer „Wohlfühlstadt“ ablegt. Wie schon gesagt: Wo man singt, da lass dich nieder…
Bürgerreporter:in:Gerhard Fritsch aus Gersthofen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.