Betteln beim Bettler

Ich ging als Bettler von Tür zu Tür die Dorfstraße entlang. Da erschien in der Ferne dein goldener Wagen wie ein schimmernder Traum, und ich fragte mich, wer dieser König der Könige sei.
Hoffnung stieg in mir auf: Die schlimmen Tage schienen vorüber; ich erwartete Almosen, die geboten wurden, ohne dass man um sie bat, und Reichtümer, die in den Sand gestreut wurden.
Der Wagen hielt an, wo ich stand. Dein Blick fiel auf mich, und mit einem Lächeln stiegst du aus. Endlich fühlte ich mein Lebensglück kommen. Dann strecktest du plötzlich die rechte Hand aus und sagtest: „Was hast du mir zu schenken?“ Welch königlicher Scherz war das, bei einem Bettler zu betteln!
Ich war verlegen, stand unentschlossen da, nahm schließlich aus meinem Beutel ein winziges Reiskorn und gab es dir. Doch wie groß war mein Erstaunen, als ich am Abend meinen Beutel umdrehte und zwischen dem wertlosen Plunder das kleine Korn wiederfand – zu Gold verwandelt.
Da habe ich bitterlich geweint. Und es tat mir leid, dass ich nicht den Mut gefunden hatte, dir mein alles zu geben.

Rabindranath Tagore

Bürgerreporter:in:

Christl Fischer aus Friedberg

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8 Kommentare

Bürgerreporter:in
Petra Kinzer aus Meitingen
am 05.06.2010 um 00:32

Weise Worte und eine schöne Geschichte.

Bürgerreporter:in
Karola M. aus Peine
am 05.06.2010 um 12:38

Christl .... die Geschichte gefällt mir sehr .... arm und dennoch bereit zu Geben oder zu Teilen :-))

Bürgerreporter:in
Natalie Parello aus Sarstedt
am 06.06.2010 um 07:18

die, die darben, geben gerne.Weil sie eigenes