Armer Nikolaus
Max wurde zu Beginn des 2. Weltkrieges geboren. Für die Allermeisten eine schlimme Zeit. Auch Friedberg schickte viele junge Männer ins Feld. So auch den Vater von unserem Max. Nur während des Fronturlaubs konnte er seinen kleinen Sohn auf dem Arm halten.
Bei einem solchen Urlaub geschah das, was Maxls Mutter eigentlich befürchtete, wenn er an der Front sich aufhielt. Hilfsbereit sprang er bei seiner Firma ein und kam dabei bei einem tragischen Arbeitsunfall ums Leben.
Max und seiner kleinen Schwester, die 4 Monate nach diesem Schicksalsschlag zur Welt kam, stand nun ein Leben ohne die Hand eines liebevollen Vaters bevor.
War das Leben auch hart für diese kleine Familie, ließen sie sich nicht von den Unbilden dieser schrecklichen Zeit einschüchtern. Die Mutter bemühte sich redlich, ihre Kleinen nicht hinter Gleichaltrigen in der Stadt zurück stehen zu lassen.
Ob Geburtstag, Ostern oder auch in der Weihnachtszeit versuchte sie Vater und Mutter zu gleichwohl zu sein.
So sollte zu Max und seiner Schwester Finni auch einmal der Nikolaus kommen, wie Mutter in Erfahrung gebracht hatte. Dummerweise brauchte jedoch eine kranke Tante ausgerechnet an diesem Tag Mutters Beistand was diese arg bedrückte. So schnell wie möglich wollte sie zu Max und Finni zurückkehren, versprach sie ihnen. Diese trösteten die Mutter und behaupteten stolz, keine Angst vor dem Nikolaus zu haben. Mutter sollte ruhig zur Tante gehen.
Doch kaum schlug die Tür hinter der guten Frau zu, überlegten die Zurückgebliebenen was denn wäre, käme der Nikolaus bevor Mutter wieder zurück ist. Sie wären so ganz ohne deren liebevollen Schutz. Immer mehr steigerten sie sich in eine Aufregung und ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Was könnte wohl passieren? Hatten sie nicht schon von anderen Kindern und Freunden, die diesen strengen Mann schon erlebt hatten, aufregende und spannende Geschichten erfahren? Mutter ging doch sonst nie ohne ihre Trabanten fort? Doch hatten sie ihr nicht erklärt, dass sie sich nicht fürchteten! Haben sie nicht die Mutter großmütig ziehen lassen! Sie gaben nun zu, dass sie insgeheim die Hoffnung hatten, Mama überlege es sich anders und bliebe zuhause. Nun gut, muss Kind halt beweisen, dass keine noch so dramatischen Berichte von den ach so Gutmeinenden und ohne Falsch denkenden Gefährten ihrer Kindheit einen ins Boxhorn jagen kann. Die beiden Dreikäsehoch steckten ihre Köpfe zusammen und beratschlagten was im Falle eines Falles passieren soll.
Natürlich kam vom Maxl, diesem Lausbub eine super Idee.
Schnell suchte er die Taschenlampe, er hatte die Mutter beobachtet wo sie dieselbe aufgeräumt hatte, hervor. Mit diesem Utensil bewaffnet, verkroch sich der Bengel unter dem Küchentisch. Seiner 4 Jahre jüngere Schwester, die in dieser hochaufregenden Abendstunde zu ihm ausnahmsweise bedingungsloses Vertrauen hatte, gab er Anweisung sich hinter dem Tisch zu platzieren. Ihre Herzen klopften heftig als sie plötzlich ein lautes Gerassel. vernahmen. Wie besprochen verschwanden die Kinder auf ihren vorhin beschlossenen Ort der Handlung. Unerwartet ging nun auch noch das Licht aus und alles wirkte noch unheimlicher. Leise quietschend ging die Küchentüre auf. Mutter hatte irgendwie nicht daran gedacht, sie zu ölen. Nun schnarrte sie in den Ohren des aufgeregten Nachwuchses lauter als sie es jemals vorher erlebt hatten,
Langsam schob sich eine dunkle Gestalt mit einem Gegenstand in der Hand, der aussah wie ein riesiger Bierkrug, herein. Diesen Gegenstand, den der Nikolaus, als solchen hatten ihn die Beiden inzwischen erkannt, immer in Bewegung hielt, machte jenes laute Gerassel, das den nicht so heilig aussehenden Mann angekündigt hatte. Wirklich, dieser Nikolaus sah gar nicht aus, wie ihn die Spielkameraden den Geschwistern weiß machen wollten. Der Mantel hatte Ähnlichkeit mit dem Schlafmantel der Mutter. Einen alten Rubbfasack, wie der alte Mehlsack im Keller war wie eine Kapuze über den Kopf gezogen. Jetzt mussten die beiden ängstlichen Kinder handeln und das geschah auch prompt.
Max leuchtete wie abgesprochen mit der Taschenlampe unter dem Küchentisch heraus und in das Gesicht des unheimlich wirkenden Mannes. Seine Schwester Finni warf im selben Augenblick einen bereitgelegten etwas derben schweren Hausschuh in Richtung des Eindringlings. So, jetzt konnte Jener eigentlich nur noch das Weite suchen!
Doch der Schrei nach dem Volltreffer von Finnis gelungenem Wurf erschreckte die beiden Unglücksraben noch mehr, als alles andere zuvor.
Schmerzerfüllt hat er geklungen. Ungemach witternd schlichen die Missetäter zu der jammernden Gestalt und stellten nun bei näherer Betrachtung fest, dass das gar keine männliche Person und schon gar nicht der Nikolaus war. Es war die Mutter in diesem sonderbaren Aufzug, der sie so erschreckt hatte. Immer noch war es unheimlich dunkel und die schmerzgepeinigte Frau musste zuerst die Sicherung wieder eindrehen.
Jetzt entdeckten die Beiden sich furchtbar schlecht fühlenden Pechvögel einen Eimer, der vorher noch nicht da gewesen war. Er lag umgestoßen auf dem Fußboden und es kullerten Dinge wie Lebkuchen, Schokoladennikoläuse, Äpfel und andere unvorstellbar leckere Dinge heraus.
Doch nun war die noch immer tränenüberströmte, schluchzende Mutter wichtiger. Finni hatte nämlich mit der harten Sohle des Hausschuhs die Mutter mitten ins Gesicht getroffen. Kleinlaut baten die beiden um Verzeihung und versprachen alles, wenn sie nur wieder gut mit ihnen sei. Nach einer Weile beruhigte sich die Mutter wieder und kleinlaut doch neugierig machten sich Max und Finni nun über den Inhalt des umgefallenen Kübel, der als Ersatz eines Sackes diente, her.
Die Mutter sah ein, dass sie sich selber die Schuld an diesem Drama zuschreiben musste. Haben sich die Sprösslinge doch nur selber schützen wollen und die Angst hat über die Erwartung eines noch nie erlebten Besuchs des Nikolaus gesiegt.
Es blieb auch bei diesem einen Besuch. In den folgenden Jahren betrat kein Nikolaus dieses Haus. Nur zwei kleine Beutel mit den Gaben des heiligen Mannes standen vor der Haustür und immer nach einem schon bekannten Rasseln, das aus dem Steinkrug in dem Kugeln kreisten, kam. Das erfuhren sie jedoch erst später.
Vom Nikolaus hörten sie nur noch durch Erzählungen der Freunde, welche brav und artig den hohen Besuch begrüßten und nicht mit Hausschuhen traktierten.
Bürgerreporter:in:Christl Fischer aus Friedberg |
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