Junger Liberaler mit Friedberger Wurzeln: Ein Interview mit Thomas Beck
Thomas Beck ist seit 2009 stellvertretender Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen im Landkreis Aichach-Friedberg. Er besuchte die Konradin-Realschule und die Fachoberschule in Friedberg und hat ein inniges Verhältnis zur altbairischen Herzogstadt. myheimat unterhielt sich mit Thomas Beck über die Wurzeln seines politischen Engagements, die aktuelle Krise der FDP, eine programmatische Erneuerung der Partei und seine Wünsche an eine „Politik-Fee“.
myheimat: Herr Beck, Sie engagieren sich bei den Jungen Liberalen im Landkreis Aichach-Friedberg und sind seit 2009 stellvertretender Kreisvorsitzender, stellvertretender Bezirksvorsitzender und ehemaliges Landesvorstandsmitglied dieser Nachwuchsorganisation. Wo liegen die Wurzeln Ihres politischen Engagements? Wie verlief Ihre politische Sozialisation?
Beck: Ich habe schon früh damit begonnen, meine Umwelt kritisch zu hinterfragen. Die langjährige Arbeit in der Schülermitverantwortung an der Friedberger Real- und Fachoberschule, die Teilnahme bei „Jugend debattiert“ und diverse kritische Auseinandersetzungen mit meinen Sozialkundelehrern taten dann ihr übriges. Der größte Motivationsschub jedoch kam durch meinen ersten kleinen kommunalpolitischen Erfolg: Die Auseinandersetzung um den Anbau der Friedberger Realschule. Der starke öffentliche Druck, den ich damals als Schülersprecher der Fachoberschule aufgebaut habe, hat den Entscheidungsprozess des Kreisrates nicht unwesentlich beschleunigt. Dabei habe ich erstmals gelernt, dass man selbst mit wenig Mitteleinsatz durch Politik vor Ort viel erreichen kann. Die Realschüler von heute dürfen sich über das Ergebnis freuen. Bald ist der Anbau fertig.
myheimat: Wenn wir die Adjektive „liberal“, „konservativ“ und „sozial“ nicht im parteipolitischen Sinne, sondern als Bezeichnung für eine grundsätzliche politische Denkrichtung verstehen: Welche Attribute würden Sie wählen, um Ihre politische Grundeinstellung zu charakterisieren?
Beck: Ich bin wie eine ökologisch-sozialliberale Ampel - umweltpolitisch grün, sozialpolitisch rot und wirtschaftspolitisch gelb. Nur mit Schwarz hab ich so meine Probleme. Wer denkt diese Profile seien nicht miteinander vereinbar, der irrt.
myheimat: Die FDP-Bundespartei erlebt gerade schwierige Zeiten. Für den Sieg bei der Bundestagswahl 2009 wurde Guido Westerwelle noch überschwänglich gefeiert. Nur ein Jahr später scheint der Außenminister ein Parteivorsitzender auf Abruf. Ist jetzt plötzlich alles falsch, was vorher richtig war?
Beck: Was momentan mit der FDP passiert, muss in einen größeren Zusammenhang gerückt werden. Unsere Republik hat ein Kernproblem: Es gibt eine große Differenz zwischen dem, was tatsächlich in den Parlamenten geschieht und dem, was am Ende beim Bürger wahrgenommen wird – kurz: Menschen lassen sich in ihrer Meinung von Medien viel zu leicht beeinflussen. Vermengt man also den künstlich aufgebauten medialen Druck - neudeutsch: „Guido-Bashing“ - mit den starken Verzögerungen der großen liberalen Reformprojekte, lässt sich das Drama der FDP leicht erklären. Auch wurde vielfach falsch reagiert. Hinzu kommt, dass allgemeine gesellschaftliche und politische Phänomene wie Wechselwählerei und Politikverdrossenheit ein Ventil brauchen. Dieses Ventil ist zurzeit die FDP. Sie ist der Sündenbock der Republik. Das heißt aber nicht, dass das Profil und die Grundsätze der Partei überkommen sind. Die Freien Demokraten sind mit Wirtschaftskompetenz und Bürgerrechtsprofil groß geworden. Auf diese unsere Stärken müssen wir uns zurückbesinnen und ein klares Konzept entwickeln, das künftig auch wieder von glaubwürdigen Persönlichkeiten vertreten wird. Das neue Grundsatzprogramm wird dazu Wesentliches beitragen. Guido Westerwelle als Parteivorsitzenden zum Rücktritt zu zwingen, halte ich dagegen für absurd.
myheimat: In der Öffentlichkeit wird die FDP fast ausschließlich als eine Partei wahrgenommen, die sich für Steuersenkungen einsetzt. Welche Vorschläge hätten Sie, um aus dieser programmatischen Verengung wieder herauszukommen? Liberalismus bedeutet doch weit mehr als die Frage nach einem niedrigeren, einfacheren und gerechteren Steuersystem, oder?
Beck: Da die Medien den Großteil der öffentlichen Agenda bestimmen, ist diese Feststellung folgerichtig. Das Dogma des Liberalismus, die individuelle Freiheit, wurde im Wahlkampf auf zu wenige Aspekte reduziert. Den Umständen der damaligen Zeit entsprechend, war diese Entscheidung sicherlich klug. Die FDP konnte dadurch ungeheuerlich viele Wechselwähler aus der unentschlossenen bzw. verdrossenen bürgerlichen Mitte binden. Als man jedoch erkennen musste, dass man diese Versprechen nicht verwirklichen kann, haben wir uns erst einmal lange Zeit selbst belogen und programmatisch nicht rechtzeitig gegengesteuert. Das eigentliche Problem liegt aber auch hier ein wenig tiefer: dass die Freiheiten, die wir fordern, immer auch mit sozialer Verantwortung korrelieren, wurde vielfach vom einseitig wirtschaftsliberalen Programm der FDP überschattet. Nur mit glaubwürdigen Lösungskonzepten auch für die sozialen und ökologischen, nicht nur für die ökonomischen Herausforderungen unseres Jahrhunderts und geeignetem politischen Nachwuchs, der sich der Umsetzung dieser Ideale verpflichtet, können wir das große Vertrauensvakuum wieder füllen.
myheimat: Im März 2010 absolvierten Sie ein Praktikum in der FDP-Landtagsfraktion. Welche Einblicke konnten Sie in das Räderwerk der Politik gewinnen?
Beck: Ich habe hautnah erlebt, wie schwer es manchmal sein kann, mit einem Koalitionspartner zu kooperieren, der über 50 Jahre parlamentarischen Absolutismus gewöhnt ist. Das ist nicht leicht. Auch wenn man nicht viel davon hört, hat die bayerische FDP in dieser kurzen Zeitspanne allerdings bereits viel erreicht. Die Mühlen der bayerischen Landespolitik mahlen zwar immer noch langsam, seit aber die FDP in Bayern an der Macht ist, mahlen sie wenigstens in die richtige Richtung.
myheimat: Für welches Politikfeld interessieren Sie sich am meisten?
Beck: Sozialpolitik. Sie birgt zweifelsohne das größte Konfliktpotential. Wenn wir nicht bald die richtigen Antworten finden, bricht die Demografie unserer Demokratie vielleicht das Genick. Dieser Bedrohung entgegenzuwirken, ist mein größter persönlicher Ansporn.
myheimat: Sie studieren Politikwissenschaften an der Katholischen Universität Eichstätt. Wenn Sie die politische Theorie mit der Praxis vergleichen: Welche gravierenden Unterschiede stellen Sie fest?
Beck: Das Praktikum hat mich gelehrt, dass sich nicht alles so schnell verändern lässt, wie man es gerne hätte. Auch habe ich erlebt, dass gefährliches Halbwissen oft zu Meinungsbildern führt, die unseren Volksvertretern das Verständnis für ihre Arbeit schwer machen. Allerdings halte ich es mit Kant, der einmal sagte: „Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.“ Es braucht also immer beides.
myheimat: Eine politische Karriere ist kaum planbar, aber nehmen wir an, es käme eine Fee und würde Ihnen eine reizvolle Laufbahn in Aussicht stellen. Die einzige Bedingung wäre, dass Sie sich für eine bestimmte politische Ebene entscheiden müssten. Was reizt Sie am meisten: Kommunal-, Landes- oder Bundespolitik?
Beck: Zunächst würde ich der Fee danken und mich dann für die Kommunalpolitik entscheiden. Hier kann man zweifelsohne am meisten bewirken. Erste Erfahrungen habe ich ja bereits. Aber natürlich weiß man nie, was das Leben mit sich bringt. Ein Narr ist, wer die Chancen, die sich ihm auftun, nicht nützt.
myheimat: In der FDP wimmelt es geradezu von hochbetagten, respektablen Persönlichkeiten wie Hans-Dietrich Genscher oder Walter Scheel. Haben Sie ein bestimmtes politisches Vorbild, an dem Sie sich orientieren?
Beck: In jüngster Zeit hat mich vor allem Barack Obama fasziniert. Er gehört zu einem neuen Typus Politiker, der begriffen hat, wie wichtig es ist, mit den Menschen, statt immer nur über sie zu sprechen. Dass er die Erwartungen, die man in ihn gesetzt hat, so schnell nicht erfüllen konnte, wussten wir alle. Nichtsdestotrotz ist es ihm gelungen, die Politik nach Jahren der Entfremdung von Bürger und Staat wieder zurück in die Herzen der Amerikaner zu holen. Etwas Ähnliches würde ich mir auch für Deutschland wünschen.
myheimat: In seiner Schrift „Politik als Beruf“ nennt Max Weber drei Eigenschaften, die ein Politiker besitzen sollte: Leidenschaft - Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Um welche vierte Tugend würden Sie diese Aufzählung ergänzen?
Beck: Die Ausdauer. Ganz im Sinne Webers.
myheimat: Zum Abschluss noch eine private Frage: Sie besuchten die Konradin-Realschule und die Fachoberschule in Friedberg und haben sicher immer noch ein inniges Verhältnis zur altbairischen Herzogstadt. Was schätzen Sie an Friedberg besonders?
Beck: Von der wunderschönen Altstadt, über das historische Schlossgelände, hin zur berühmten „Friedberger Zeit“ bietet Friedberg alles, was das Herz begehrt – übrigens auch für junge Leute. Ich kann es nicht erklären, aber irgendwie freue ich mich jedes Mal wieder, wenn ich von einer längeren Reise in meine Heimatstadt komme. Das ist ein Bauchgefühl – Sie wissen schon. Man spürt: Hier sind meine Wurzeln. Hier möchte ich alt werden.
myheimat-Team:Joachim Meyer aus Friedberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.