Wahre Weihnachtswunder: Ein Interview mit dem Friedberger Bestseller-Autor Georg Lehmacher
Seit 1995 ist der Friedberger Georg Lehmacher als Buchautor tätig und feiert erstaunliche Verkaufserfolge. Sein Werk „Das kleine Buch der guten Wünsche“ verkaufte sich bis heute sage und schreibe 400.000-mal. Ein ähnlicher Erfolg wurde „Das kleine Buch vom Glücklichsein“. Im September 2011 erschien das erste Buch mit Erzählungen „Wahre Weihnachtswunder“ beim Pattloch-Verlag. Die Gesamtauflage der zahlreichen Geschenkbücher beträgt mittlerweile 1,5 Millionen Exemplare. myheimat unterhielt sich mit dem Bestseller-Autor über einschneidende Kindheitserlebnisse, unerwartete Wendungen, glückliche Fügungen und das aristotelische Menschenbild.
myheimat: Herr Lehmacher, durch prägende Kindheitserlebnisse kamen Sie schon sehr früh mit dem Themenkomplex „Tod und Trauer“ in Berührung. Im Jahr 1966 lebten Sie mit Ihrer Familie in den USA und mussten ein schreckliches Unglück mit ansehen. Was passierte damals genau?
Georg Lehmacher: Ich war beim Spielen. Auf dem nahegelegenen vierspurigen Highway wurde ein etwas älterer Spielkamerad von einem Auto erfasst. Ich hörte Bremsgeräusche und den amerikanischen Rettungsdienst. Als ich nachschauen wollte, was passiert war, hat mich ein Ehepaar, das in der Nähe war, unter irgendeinem Vorwand anderweitig beschäftigt und abgelenkt, so dass ich nicht zum Ort des Geschehens kam. Trotzdem kapierte ich, was los war und der Junge kehrte dann ja auch nicht mehr zurück.
myheimat: Es folgten etliche weitere Unglücks- und Sterbefälle. Fortan hatten Sie lange Zeit Angst vor Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Ein außenstehender Betrachter kann es kaum nachvollziehen, dass Sie sich dann im Jahr 1983 mit Antritt des Zivildienstes für die Rettungsdiensttätigkeit entschieden haben. War das eine Art von „konfrontativer Selbsttherapie“?
Georg Lehmacher: Ich wollte damals etwas tun, was nicht ganz leicht war. Zu jener Zeit galten die Wehrdienstverweigerer als „Drückeberger“. Als solcher wollte ich aber nicht dastehen. Deshalb stellte sich für mich die Frage: „Was würde mir schwer fallen?“ Unter diesem Gesichtspunkt kamen „Altersheim“ oder „Rettungsdienst“ infrage.
myheimat: Verlassen wir mit Schiller und seinem Wallenstein-Prolog etwas die schwermütigen und traurigen Seiten menschlichen Daseins. „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ steht dort geschrieben. Seit 1995 haben Sie sich einen Namen als Autor zahlreicher Geschenkbücher und „moderner Märchen“ gemacht. Ihre Verkaufserfolge sprechen für sich. Wie empfinden Sie persönlich den Gegensatz zwischen „heiler Geschenkbuchwelt“ und „knallharter Rettungsdiensttätigkeit“?
Georg Lehmacher: Wenn ich nach einer Nachtschicht beim Rettungsdienst wieder in mein Büro zurückkehre, muss ich doch schmunzeln, wenn ich sehe, welche vermeintlichen Probleme es auf der Welt gibt. Dazu zählen dann so Dinge wie „Verschiebung von Druckterminen“ oder kleinere Druckfehler. Wenn ich gerade vergeblich versucht habe, einem jüngeren Menschen das Leben zu retten und werde dann mit zwei Kommafehlern konfrontiert, dann relativiert sich doch vieles.
myheimat: Ihre Geschichten im Buch „Wahre Weihnachtswunder“ handeln von „Hoffnung, Versöhnung und Liebe“. Es sind moderne Märchen wie zum Beispiel die Geschichte eines gestrandeten Mannes, die am Ende doch noch ein wunderbares Ende nimmt. Wie wichtig ist Ihnen dieser „optimistische Grundansatz“ bei Ihren Erzählungen?
Georg Lehmacher: Der ist mir extrem wichtig, weil ich darin einen Gegenpol zum weitverbreiteten Pessimismus sehe. Mit einem pessimistischen Ansatz, mit Geschichten, die „schlecht“ ausgehen, stößt man kaum auf Widerstand. Wenn man dagegen eine Erzählung optimistisch anlegt, hört man oft Fragen wie: „Kann so etwas überhaupt passieren? Ist das nicht zu abgehoben? Wie kann es denn so glückliche Fügungen und Wendungen geben?“ Das geht so weit, dass Menschen zu mir kommen und sagen: „Ich habe zwar schon mal etwas ähnlich Tolles erlebt, aber Ihre Geschichte ist doch völlig unwahrscheinlich.“ Das ist dann schon skurril.
myheimat: Dabei handelt es sich doch um fiktionale Literatur…
Georg Lehmacher: …in der aber durchaus reale Erlebnisse und Ereignisse verarbeitet sind. Manchmal ist das positive Ende einer Geschichte auch eine sehr konkrete Anlehnung an etwas selbst erlebtes Positives – eine Erinnerung an etwas Unerwartetes. Ein Wunder ist für mich nicht zwingend etwas Übersinnliches. Das Motiv einer „unerwarteten Wendung“ taucht bei mir immer wieder auf.
myheimat: Verfolgen Sie mit Ihren Büchern eine „pädagogische, moraldidaktische“ Absicht? Glauben Sie an die „erzieherische Funktion“ von Literatur?
Georg Lehmacher: Ich will von mir hoffen, dass ich keine erzieherische Absicht verfolge. Aber ich habe schon ein Anliegen. Ich möchte zu mehreren Dingen anregen. Es wäre schön, wenn Menschen, die meine Bücher lesen, dazu animiert werden, über ihre eigenen Geschichten nachzudenken. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass die Leser Ungewöhnliches oder Besonderes in ihrem Lebensweg nicht verdrängen. Das bezieht sich auf positive und negative Erlebnisse. Dazu gehören auch die Themen Tod und Endlichkeit. Das Buch ist im Übrigen eine überaus faire Methode, dem Menschen nicht zu sehr erzieherisch zu Leibe zu rücken. Er kann es jederzeit auch beiseite legen. Wenn man dagegen jemanden in ein Gespräch verwickelt, kann man ihn viel stärker unfair in eine Ecke drängen.
myheimat: Lassen Sie uns abschließend noch ein wenig über Ihr Menschenbild sprechen. Ist der Mensch aus Ihrer Sicht eher ein mürrischer, von Neid zerfressener, aggressiver Einzelgänger, wie ihn Thomas Hobbes beschreibt oder ist er ein von Natur aus auf die Gemeinschaft hinstrebendes Wesen, ein „Zoon Politikon“, wie Aristoteles meint?
Georg Lehmacher: Ich bin da näher bei Aristoteles, wenngleich jeder Mensch auch sicher Schattenseiten hat. Jeder Mensch hat gute und schlechte Eigenschaften. Von Oscar Wilde stammt der sehr treffende Satz: „Jeder Heilige hat eine Vergangenheit und jeder Sünder hat eine Zukunft.“
myheimat-Team:Joachim Meyer aus Friedberg |
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