Unseres Herrn Ruhe in Friedberg
Der Barockbildhauer Johann Kaspar Öberl

Friedberg, Herrgottsruh, Gnadenbild um 1496. Foto: Norbert Liesz.
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Es ist dem Wallfahrtsdirektor Pater Hansjoachim Winkens zu verdanken, dass der Heimatverein im nördlichen Seitenschiff vor dem Gnadenbild Platz nehmen durfte, um im Rahmen des heimatkundlichen Stammtischs die Geschichte und Bedeutung sowie die Nachbildungen des Ruhherrles von Johann Kaspar Öberl darlegen zu können.
Der Friedberger Barockbildhauer Johann Kaspar Öberl lebte von 1700 bis 1767. Er entstammte einer Bildhauerfamilie, die vorwiegend von den Aufträgen der Kirche lebte und eine ungeahnte Vielzahl an Öberl-Kunstwerken schufen. Vater Bartholomäus, der unterm Berg 21 seine Behausung hatte, war der erste fassbare Bildhauer der Familie in Friedberg. Zwei Brüder von Johann Kaspar wurden ebenfalls Bildhauer, wanderten aber schon frühzeitig nach Kuttenberg in Tschechien aus.
Unzählige Male hat in dieser Familie offenbar nur Johann Kaspar Öberl den Christus in der Rast aus Holz gefertigt. Als Vorlage diente ihm der „Herr in der Ruhe“ am Gnadenaltar in der Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Friedberg. Öberls Nachbildungen finden sich auch heute noch in Privathaushalten, in Kirchen und vor allem im Museum im Schloss in Friedberg.

Das spätgotische Gnadenbild von Gregor Erhard um 1496

Das Original in der Wallfahrtskirche wird dem schwäbischen Bildhauer Gregor Erhard aus Ulm zugeschrieben, der 1494 nach Augsburg übergesiedelt ist. Er schuf den leidenden Heiland mit Dornenkrone, von der Geißelung gezeichnet, am unteren Drittel des Kreuzesstamm sitzend, nur mit einem Lendentuch bekleidet. Sein Leibrock oder Mantel liegt über den Kreuzesstamm geworfen, sein rechter Fuß steht auf einem der Mantelärmel. Der linke Ellbogen ist aufgestützt auf seinem Knie, die linke Gesichtshälfte ist in die Handfläche geschmiegt. Der rechte Arm hängt über die Innenseite des rechten Oberschenkels. Er sitzt vor dem Golgothahügel und einer Gruppe von sieben Personen. Ihre Kleidung ist spätmittelalterlich, also nicht die Gewandung zu Zeiten Jesu, sondern die Kleidung und Rüstung des ausgehenden Mittelalters, also um 1500. Hinter ihm links (vom Betrachter aus gesehen rechts) gewahrt man die trauernde Muttergottes gestützt von Maria Magdalena und Johannes. In ihrer Gestalt als ehrenhafte Hausfrau tragen beide Haube und Kinnbinde. Ein edler Mantel ist bei Maria Magdalena sichtbar. Der Soldat direkt hinter Christus trägt den  spätmittelalterlichen Eisenhelm mit Nackenschutz, den sog. Schaller, und einem Plattenharnisch (Brustpanzer=). Der neben ihm stehende ältere Mann mit langem Haar und Vollbart hat dem Soldaten den rechten Arm um die Schulter gelegt. Sein Mantel mit großem, vergoldeten Kragen, der goldfarbene Hut mit blauer Krempe verrät ihn als eine Person von Rang und Ansehen. Vermutlich handelt es sich um den reichen Juden Joseph von Arimathäa, der Christus in sein Grab legte. Die anderen beiden Männer in einfacher Kleidung sind vermutlich Simon von Cyrene, der von der Feldarbeit kam und von den Soldaten gezwungen wurde, für Christus das Kreuz mit zu tragen und Nikodemus, der zusammen mit Joseph von Arimathäa den toten Jesus salbte. Ob es sich wirklich um die Darstellung dieser Männer handelt, wissen wir letztlich nicht mit Sicherheit.

Anfänge von Herrgottsruh nur mündlich überliefert

Ebenso wenig ist über die Anfänge von Herrgottsruh nichtssicheres bekannt. Die Stadt Friedberg, zum ersten Mal in einem Schutzbrief 1264 erwähnt, war vielleicht noch nicht einmal hundert Jahre alt, als ein Friedberger Bürger der Überlieferung nach zu den Heiligen Stätten im damaligen Palästina pilgerte. Bei seiner Rückkehr geriet er in türkische Gefangenschaft. Er gelobte, bei glücklicher Heimkehr würde er auf seinem Acker eine Kapelle nach dem Vorbild der Jerusalemer Grabeskapelle errichten. Dies geschah.

Herrgottsruh meinte ursprünglich die ewige Ruhestätte, das Grab Christi

Die erste Heilig-Grab-Kapelle wurde vom Volk alsbaldzahlreich besucht. Man erhoffte sich von der Nachbildung dieselben Gnadenerweise und heilwirkende Kraft, als würde man die Originalstätte in Jerusalem selbst besuchen. Die Entfernung vom ehemaligen Münchner Tor (Osttor) bis zur Kapelle entsprach der Länge des Kreuzwegs vom Haus des Pilatus bis nach Golgotha, etwa 700 Meter. Die Pilger konnten also den Leidensweg des Heilands bis zum Ort seines Todes und Begräbnisses sich vergegenwärtigen. Sie pilgerten zum Grab Christi.

Bedeutungsänderung von Herrgottsruh

Der Strom der Wallfahrer muss so zugenommen haben, dass andie bestehende Heiliggrabanlage eine Kapelle angebaut wurde, die gekürzt etwa dem linkes nördlichen Seitenschiff der heutigen Kirche entspricht. 1496 wurde sie eingeweiht. Den Altar der neuen Kapelle zierte das repräsentative Gnadenbild von Gregor Erhard. Dieses befindet sich auch heute noch dort, ursprünglich am Hauptaltar, heute am linken Seitenaltar. Mit der Aufstellung des Gnadenbilds vollzog sich allmählicheine Änderung in der Deutung des Namens „Unseres Herrn Ruhe“ bzw. „Herrgottsruh“, sowie der damit verbundenen Wallfahrt dorthin. Man pilgerte nicht mehr zum Grab sondern zum Gnadenbilde, zum „Herrn in der Ruhe“. Gemeint ist der leidende Christus, der vor seiner Kreuzigung erschöpft am Fuße von Golgotha ausruht. Dieser Bildtypus Christus in der Rast ist erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden. Das heutige Gotteshaus ist dem Stadtpfarrer Freiherr von Eckher zu verdanken, der beseelt war von dem Gedanken, ein für die Wallfahrt würdiges Gotteshaus zu errichten. Dass der „Herr in der Ruhe“ in vielen Notlagen geholfen hat, belegen die vielen Votivtafeln in der Kirche.1752, da lebte er schon nicht mehr, konnte der Bischof vonAugsburg die Kirche einweihen. Die Kirche erhielt ein Doppelpatrozinium: Die Heilige Dreifaltigkeit und die Heiligen Drei Könige. Das darauf abgestimmte phantastische Bildprogramm schuf Asam im Chor mit Kuppel und nach dessen Tod führte es Matthäus Günter fort.

Johann Kaspar Öberl und das Friedberger Ruhherrle

Als waschechter Friedberger dürfte Johann Kaspar Öberl den Abriss, den Bau sowie die Einweihung von Herrgottsruh hautnah miterlebt haben. 1731 legte man den Grundstein für die Wallfahrtskirche Herrgottsruh. Da Johann Kaspar Öberl nicht nur Bildhauer, sondern auch als ein Steinhauer arbeitete, war er es, der den Grundstein für Herrgottsruh anfertigte.Johann Kaspar Öberl hat bei seinen zahlreichen Nachbildungennur das Ruhherrle ohne die weiteren Personen dargestellt. Der Ölberg ist nur angedeutet, Figur und Sockel sind aus einem Stück geschnitzt. Das Kreuz ist meist nur hinter den Beinen lose hindurchgesteckt. Deshalb ist das Kreuz häufig verlorengegangen. Es war üblich, an Wallfahrtsorten Nachbildungen der lokalenWallfahrtsbilder zu erwerben. Das „Ruhherrle“ wie es im Volksmund auch heute noch liebevoll genannt wird, ist eine „Devotionalkopie“, die gerne von den Wallfahrern gekauft wurde als Andenken und zur Anregung der persönlichen Andacht. So fand vor allem das bis zu 30 cm große, von Johann Kaspar Öberl geschnitzte „Friedberger Ruhherrle“ eine weite Verbreitung und ist zugleich ein Fingerzeig in die frühe Geschichte der Stadt Friedbergs, die mit der mündlichen Überlieferung der Entstehung von Herrgottsruh verbunden ist.

Buchtipp: „Die Bildhauerfamilie Öberl in Friedberg“ von Dr. Adelheid Riolini-Unger mit Bildern von Norbert Liesz ist in der Schriftenreihe des Heimatvereins Friedberg erschienen. Das Buch umfasst 220 Seiten und kostet 29,80 Euro.

Bürgerreporter:in:

Regine Nägele

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