Wo das liebe Federvieh die Hölle auf Erden durchleidet: Die perfiden Methoden der Geflügel-Industrie
Der Osterhase pocht mit seinen vom Eierfärben und –schleppen schwieligen Pfoten bereits an unsere Türen. Aber wissen wir genau, woher die bunten Gagas, die Meister Lampe und seine Mümmelmann-Gehilfen uns dann wieder ins Nest legen, stammen, unter welchen Bedingungen sie „produziert“ wurden? Die Gütesiegel, Klassifizierungen, Kürzel und Codes auf den Verpackungen im Supermarkt und die seit 2004 zwingende Kennzeichnung auf den Eiern selbst sollen dahingehend zwar Transparenz herstellen und Orientierung geben, aber hundertprozentige Gewissheit vermitteln sie nicht.
Dass die Eier tatsächlich „artgerecht“ „human“ und schmerzfrei zustande gekommen sind und möglichst auch noch von glücklichen Hühnern entspannt auf die Welt gebracht wurden, kann aller gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz niemand wirklich garantieren - und glauben. Selbst dann nicht, wenn eine Null aufgestempelt ist und sie somit angeblich aus Biohaltung stammen. Die Zahl entsprechender Manipulationsfälle ist ja groß.
Immerhin ist dieses Kennzeichnungssystem ein sicherlich gut gemeinter Versuch, etwas Licht ins peinvolle Dunkel der betroffenen Tiere zu bringen. Dieses Leiden ist auch in vielen Mastanlagen, in denen das Federvieh in Rekordzeit (meisten bleiben dafür nur 30 Tage) unter massivem Medikamenteneinsatz auf sein Schlachtgewicht gepusht wird, oft groß, mitunter unvorstellbar. Daran ändert auch das „FairMast“-Siegel nichts, mit dem sich die Unternehmen als dem Tierwohl verpflichtet zu erkennen geben. Es ist oft nur ein Deckmäntelchen, unter dem sich weiterhin, von der Öffentlichkeit unbemerkt oder ignoriert, so rigoros mit der Kreatur verfahren lässt wie seit eh und je.
Sieglein, Sieglein an der Wand
Nun ist dieses Siegel gerade wieder ins Gerede und in Verruf gekommen, durch verdeckte Ermittlungen der Tierrechtsorganisation PETA in deutschen Niederlassungen der niederländischen Plukon-Food-Gruppe. Die Rechercheure fanden dort haarsträubende Verhältnisse vor, unter denen die zusammengepferchten Tiere dahinvegetieren. Plukon unterhält in Holland, Belgien und Germanien 13 Dependancen, Schlachthöfe, Mast- und Weiterverarbeitungsbetriebe. Konzern-Wahlspruch: „Geflügel ist unsere Leidenschaft“. Wobei der Begriff durchaus eine ambivalente Note hat. Die Betonung liegt auf den ersten beiden Silben. Anders formuliert: Leidenschaft, die Leiden schafft!
Plukon ist der größte Hähnchenproduzent des Kontinents. 6,8 Millionen Hühner (anderen Angaben zufolge 4,2 Millionen) kommen allein in Deutschland bei bzw. durch ihn unters Messer – pro Woche. Die Produkte stehen unter dem Namen „Friki“ in den Regalen und landen, viele Grüße aus dem Schlaraffenland, als Keule, Brust, Filet, Geflügelwurst oder -Pastete in den Einkaufskörben. In anderen europäischen Ländern kennt man die Leckereien unter den Namen Pingo, Maïski, Hencu, Vleesch du Bois oder De KuikenaeR
24 Tiere auf einem Quadratmeter
Die Tierhaltung in konventionellen Mastanlagen scheint systembedingt und per se mit einem kurzen und qualvolles Leben der Insassen verknüpft zu sein. In den riesigen Hallen solcher Betriebe dokumentierten PETA-Mitarbeiter undercover schreckliche Zustände. Die Hühner sind gezwungen, inmitten ihrer eigenen Exkremente zu leben. In einem Stall mit mehreren Zehntausend Exemplaren werden tote Tiere oftmals übersehen; sie verwesen dann zwischen den lebenden Artgenossen. In der Schlussphase der Aufzucht müssen sich bis zu 24 Tiere einen Quadratmeter an Platz teilen. Hochburg der deutschen Geflügelmäster ist mit großem Abstand Niedersachsen, in dem auch Plukon vertreten ist. Hier halten die großen Barone Hof und ihre fabrikgleichen Höfe. Das Bundesland kommt auf 36,5 Millionen Masthühnerplätze und steuert damit mehr als die Hälfte zur deutschen Geflügelproduktion bei.
Vieles ist automatisiert, inzwischen auch das „Ausstallen“. Darunter hat man/frau das Einfangen der Hühner am Ende der Mastperiode zu verstehen. Anschließend werden sie, in handliche Kisten gezwängt und zum nächsten Schlachthof gekarrt. Diesen Job erledigten bisher meist Niedriglohnarbeiter von Hand. Und sie gingen und gehen dabei nicht immer und unbedingt zartfühlend vor. Dabei hilft ihnen neuerdings aber Kollege Maschine, ein sogenannter „Hühnerstaubsauger“. Dies sei, behauptet Plukon, eine besonders schonende Methode. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus, wie heimlich gemachte Filmaufnahmen belegen: http://www.youtube.com/watch?v=GhfTPKXIsSY
Ohne Rücksicht auf Verluste
Die Tiere werden mit Tritten zusammengetrieben. Mit hoher Geschwindigkeit wischt die Fangmaschine, ähnlich wie eine Kehrmaschine zum Aufnehmen von Straßendreck, ein Huhn nach dem anderen auf und schleudert es über ein Fließband in die Kisten. Wenn mehrere Hühner auf engstem Raum in einer Transportbox zusammengepfercht sind, drückt ein Arbeiter den Deckel gewaltsam zu - ohne Rücksicht auf Verluste bzw. darauf, ob Flügel, Beine und Köpfe dabei eingeklemmt bzw. gequetscht werden. „Die Tiere werden behandelt, so wie der Müll von der Straße gekehrt oder das Gemüse vom Feld geerntet wird. Obgleich es sich bei diesen Hühnern um fühlende und intelligente Lebewesen handelt, sind sie für die Tierindustrie nichts als Produkte“, klagt PETA.
Das letzte Wort hat Plukon selbst. Auszug aus der Unternehmensphilosophie: „Die Plukon Food Group steht als Produzent von Geflügel und Mahlzeiten mitten in einer Gesellschaft, die ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Mensch, Tier, Umwelt und Rentabilität fordert. Wir investieren deshalb stark in unsere Mitarbeiter, die Entwicklung neuer und bestehender Tierhaltungssysteme, Produktentwicklung, Lebensmittelsicherheit, Prozessverbesserung und Marktanalyse“.Amen!
Wo gehobelt wird, fallen Späne
Post scriptum: Bei den meistens anderen Branchengrößen, und da fallen einem ja erst einmal Namen Wiesenhof, Sprehe, Stolle und der der Rothkötter-Gruppe ein, passen Anspruch und Wirklichkeit, Theorie und Praxis auch nicht immer ganz zusammen. Und da bleibt es sich egal, ob es um die Mast von Hühner, Puten oder Gänsen geht. Wo Tiere billig und in industriellen Maßstäben „produziert“ werden, zählen Leid und Schmerz von ihrer Geburt an über die „Aufzucht“ bis zur Tötung zu ihren ständigen Begleitern. Vielleicht sollte man sich das vor dem nächsten Griff in die Kühltheke des Supermarktes mal in Erinnerung rufen. Man sieht der frostigen, sterilen verpackten „Ware“ die Vergangenheit ja nicht an.
Bürgerreporter:in:Jürgen Heimann aus Eschenburg |
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