400.000 kanadische Robben-Babys auf der Schlachtbank: Flauschige Pelze für die faltigen Hälse reicher Zicken
Desillusionierte Zyniker behaupten, der Mensch sei die größte Bestie auf diesem Planeten. Zyniker? Oder doch eher Realisten? Das Schlachten der Babyrobben, das, alle Jahre wieder, in wenigen Wochen vor den Küsten Kanadas beginnt, scheint diese Behauptung zu stützen. Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte sich im Dunklen ausziehen. Hat meine Omma immer gesagt. Gilt auch in diesem Fall. Uns Deutschen ist es ja beispielsweise auch egal, welches Schicksal die Wurst im Kühlregal der Discounter in ihrem vorigen anonymen Leben hat erdulden müssen. Und welche Tortur das filetierte Lendenstück hinter sich hat, bevor es uns, bereits fertig gewürzt, aus der Auslage der Fleischereitheke im großen Supermarkt heraus anlächelt und das Wasser im Munde zusammen laufen lässt. Gilt natürlich auch für den Hähnchenschenkel und die Putenbrust. Hauptsache billig. Geiler Geiz!
Und dass der Metzger unseres Vertrauens den leibhaftigen, damals noch kompletten Vorbesitzer jedes seiner gut abgehangenen Steaks angeblich persönlich und mit Vornamen gekannt hat, möchten wir auch allzu gerne glauben. Deshalb steht es uns eigentlich nicht zu, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aber es muss sein. Weil hier Emotionen ins Spiel kommen, und Bilder, schreckliche Bilder. Aufwühlende Bilder. Das Robbenschlachten, zu dem die Kanadier in wenigen Wochen wieder blasen, lässt keinen, der sich auch nur noch einen Funken Mitgefühl für seine Mitgeschöpfe bewahrt hat, kalt. http://www.youtube.com/watch?v=A-4HmHKqyTg
Die Killer aus dem Ahornstaat, der sich der zivilisierten, moralisch ach so integeren Wertegemeinschaft der westlichen Welt zugehörig fühlt, richten mit Förderung und ausdrücklicher Billigung ihrer Regierung Jahr für Jahr ein Blutbad unvorstellbaren Ausmaßes an. Sie fiebern schon dem Saisonstart entgegen, wetzen die Messer, schärfen ihre " Hakapiks", polieren die Knüppel, ölen die Knarren. Die Hubschrauber sind auch schon aufgetankt. 400.000 Robbenbabys werden den Jägern beim nächsten Feldzug im kommenden Frühjahr wieder zum Opfer fallen. Diese irrsinnige Zahl an Tieren hat das kanadische Fischereiministerium ungeachtet weltweiter Proteste erneut zum Abschlachten freigegeben. Dann ist das Eis an den Küsten und auf den Schollen rot getränkt. Das größte Massaker an Säugetieren weltweit. Und es gibt noch nicht einmal den Hauch einer Rechtfertigung dafür.
Die grönländischen Sattelrobben-Babys, die seit Tausenden von Jahren auf den im Merr treibenden Eisinseln an Kanadas Küsten, auf Neufundland, Baffin Island und Pribilof Island in Alaska zur Welt kommen, haben keinerlei Chance, ihren martialisch hochgerüsteten Häschern zu entgehen. Diese Tiere haben wahrscheinlich noch nie feste Nahrung zu sich genommen; viele von ihnen konnten noch nicht einmal schwimmen lernen, bevor sie getötet werden. Sie müssen teilweise sogar noch dabei zusehen, wie ihre Artgenossen zu Tode geprügelt werden, bevor sie das gleiche blutige Schicksal ereilt. Den sanftmütigen Wesen wird der Schädel eingeschlagen oder man erschießt sie aus unmittelbarer Entfernung. Einige Tiere werden angeschossen, können ins Wasser fliehen und verbluten dort. In der Regel werden sie jedoch erschlagen, doch auch das gelingt nicht immer gleich auf Anhieb. Die Jäger zertrümmern ihre Augen, Wangen oder den Mund und ziehen sie dann an Schiffshaken über das Eis und häuten sie häufig sogar bei lebendigem Leib. Muttertiere, die ihre Kleinen verteidigen, werden natürlich zuerst eliminiert.
Zierde für die faltigen Hälse reicher Schicksen
Und das alles nur, um irgendwelche pervertierten und künstlich erzeugten bzw. künstlich aufrecht erhaltenen Modetrends irgendwo auf der Welt zu befriedigen. Damit reiche Schicksen ihre faltigen Hämatom-bedeckten Hälse mit dem weichen, flauschigen Fell der gemeuchelten Kulleraugen schmücken, verwöhnte Jet-Set-Tussies oder sich selbst den besseren Kreisen zugehörig fühlende Geldtrampel ihre Revuekörper darin einpacken können. Wir krank ist das eigentlich? Da gibt es doch heute kleidsamere Sachen aus wesentlich besseren synthetischen Materialien. Es gibt keinen einzigen Grund, wehrlosen Tieren dafür das Fell vom Leib zu reißen oder über die Ohren zu ziehen. Der Mensch hat andere Optionen und Möglichkeiten, sich chic zu kleiden.
Und es geht bei diesem Mord(s)geschäft auch keineswegs darum, natürliche Bedürfnisse wie beispielsweise Hunger zu stillen. Das Fleisch der Robben ist völlig uninteressant und bleibt unverwertet. Es geht einzig und allein um den Rohstoff Fell. Und natürlich um Geld. Um viel Geld.
Die Nachfrage nach Robbenfellen ist ob internationaler Ächtung drastisch eingebrochen. Die Europäische Union, die USA, Taiwan, Mexiko und sogar Russland (Nota bene!), dankbarer und williger Abnehmer von bislang 95 Prozent der kanadischen Pelze, haben Robbenprodukte bei sich verboten. In weltweit 34 Ländern gilt mittlerweile ein Handels- und Importverbot dafür. Gerade erst hat die Schweizer Nationalversammlung ein solches beschlossen. Die Norweger sind, weil selbst Täter, da weniger kooperativ. Die skandinavischen Fischer killen Jahr für Jahr zwar nicht so viele dieser Tiere wie ihre Kollegen in Kanada, aber 32.000 Exemplare pro Jagdsaison sind ja auch 32.000 zu viel. Immerhin hat die norwegische Regierung ihre Subventionen für die kommerzielle Robbenjagd inzwischen gestrichen. Umgerechnet 1,43 Millionen Euro war ihr die bislang pro Jahr wert.
Die Pelzindustrie: Das grausamste Gewerbe der Welt
Aber es gibt immer noch Absatzmärkte genug, beispielsweise in Asien. Die Pelzindustrie gilt als eines der grausamsten Gewerbe weltweit – ganz egal, ob es um das Erschlagen von Babyrobben geht, den Tod durch Elektroschock von unter grausamsten Zuständen auf Farmen dahin siechenden Nerzen oder den zerschmetterten Brustkorb von Füchsen in Fallen.
Aber was die Kanadier (und mit Abstrichen die Hägars) da treiben, macht wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn. Der Staat erhält künstlich einen eigentlich völlig überholten, überflüssigen und aussterbenden Industriezweig, der nur ganz wenigen saisonal Lohn und Brot beschert, am Leben. Das kommerzielle Robbenschlachten ist laut der Tierschutzorganisation lediglich ein Zugewinn für einige weniger Fischerei-Unternehmen in der Nebensaison und macht ganze 1% der neufundländischen Wirtschaftsleistung aus. Wobei der Begriff "Leistung" in diesem Zusammenhang schon ziemlich nach Zynismus stinkt. Auch sei das Abschlachten der Robben keineswegs eine Lebensgrundlage für Kanadas Ureinwohner. Was bei den Inuits auf den Tisch kommt, macht gerade mal 3% dieser pro Saison gemeuchelten Wesen aus.
Dass Robben, so die bemühte Rechtfertigung für die Massaker, für die schwindenden Kabeljaubestände verantwortlich sind, ist Quatsch. Überfischung durch den Menschen und dessen Habgier sind die wahren Gründe. Biologen haben festgestellt, dass Kabeljau lediglich einen winzigen Teil in der Ernährung einer Robbe ausmacht. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von einer Fischart, die nicht kommerziell befischt wird, nämlich dem Kapelan oder dem Dickmaul.
Und was können wir an der germanischen, tausende Kilometer vom Tatort entfernten Heimatfront gegen diesen schöpfungsverachtenden Irrsinn tun? Unser Handlungsrahmen ist da eher begrenzt. Wir können eine der zahlreichen Petitionen zeichnen, die, von Organisationen wie PETA oder dem Internationalen Tiefschutz-Fonds (IFAW) initiiert, derzeit wieder im Internet kursieren: http://hilfmit.ifaw.org/robben-petition/
http://www.peta.de/robbenmassaker#.VHjGWmcWOBI
Damit soll, steter Tropfen höhlt den Stein, die kanadische Regierung aufgefordert werden, den Massenmord an den Robben zu stoppen. Ob die Harper-Administration sich von diesem vieltausendstimmigen Appell sonderlich beindrucken lässt, steht auf einem anderen Blatt.
Wir könnten theoretisch vor dem nächsten Pelzgeschäft in der Fußgängerzone von unserem Versammlungsrecht Gebrauch machen, dort eine Girlandenparty veranstalten, uns Wunderkerzen in die Ohren stecken und "Der Wildschütz" pfeifen. Dies, um dem Rauchwaren-Dealer, einem der letzten Nutznießer in der unsäglichen Verwertungskette, etwas in die Profitsuppe zu spucken und den Umsatz zu verhageln. Der nächsten Passantin, die mit einer Pelzjacke um die Ecke kommt, die Klunker aus den Ohrläppchen zu ziehen, oder ein Bein zu stellen, empfiehlt sich aus strafrechtlichen Gründen eher nicht. Außerdem hieße das ja am Symptom zu kurieren statt die Ursache zu bekämpfen.
Aber damit wären die Optionen schon nahezu erschöpft. Fast. Wir könnten beginnen, etwas vor der eigenen Haustüre zu fegen. Indem wir uns sehr genau überlegen, was bei uns auf den Teller kommt, wann und woher es stammt. Vielleicht sogar aus dem eigenen Garten… Und bei der Textilauswahl ließe sich sicherlich auch einiges zum Guten wenden. Wer braucht eigentlich Schuhe aus echtem Wildleder? Das wäre immerhin ein Anfang. Apollo-11-Kommandant Neil Armstrong hätte es so formuliert: Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer für die Schöpfung!
Dein ist mein ganzer Pelz!
Wie Leute ticken, die meinen, ohne pelzigen Chic nicht auskommen zu können, offenbart diese SPIEGEL-Dokumentation:
http://www.dctp.tv/#/filme/mode-mit-tradition-pelz...
Das Motto: „Dein ist mein ganzer Pelz“. Die Autoren werfen einen Blick auf die Moskauer High Society und ihren Tanz ums flauschige Fell. Bis zu 200.000 Dollar sind russische Geldsäcke und –säckinnen für ein besonders handverlesenes Exemplar bereit zu zahlen. Aber das ist kein Phänomen, das alleine die Iwans betrifft, sondern ein weltweites. Nur im Wettkampf um die dümmlichste Begründung liegen die Putinianer derzeit knapp in Führung: Pelze müssten einfach sein, da es in diesem Land ja schließlich oft extrem kalt wäre, war sich eine interviewte „Lady“ (Model und Schriftstellerin in Personalunion) nicht zu blöde zu behaupten. Schließlich würde kein anderes Material so nachhaltig wärmen. Außerdem könne man /frau durch das Tragen eines Pelzmantels auch seinen gesellschaftlichen Status ausdrücken. Noch Fragen? Dümmer geht’s nimmer!
Bürgerreporter:in:Jürgen Heimann aus Eschenburg |
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