Bon appétit! Futtern wie bei Muttern: In Wald und Feld und in Tante Luises Garten ist der Tisch gedeckt

Mahlzeit! Futtern wie bei Muttern. Weißdorn ist gesund und als Heilpflanze seit dem Mittelalter bekannt. Das hat sich auch bei den Rehen herum gesprochen. | Foto: Siegbert Werner
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Mahlzeit! Nachdem es inzwischen wieder überall grünt und blüht, Bäume und Sträucher ihr Blättergrün entfalten und die Knospen üppig sprießen, finden auch die Rehe in Wald und Feld wieder einen reich gedeckten Tisch vor. Aber auch in so manchem Garten scheint die Tafel eigens für sie hergerichtet – zum Leidwesen der Besitzer.
Diese Wiederkäuer - wir reden jetzt von den Rehen, nicht von den Hobbygärtnern - sind Feinschmecker und, ja, auch ziemlich wählerisch. Laubtriebe, ein- und zweikeimblättrige Kräuter, Schachtelhalme und Farne stehen auf der Speisekarte obenan. An Feiertagen darf’s auch mal etwas Besonderes sein – ein paar zarte Erdbeerpflänzchen aus Tante Luises Frühbeet vielleicht.
Die junge Dame auf dem Foto kennt sich aus. Sie labt sich an einem Weißdornstrauch, weil sie weiß: Das ist eine Heilpflanze, die oligomere Procyanidine und Flavonoide (Hyperosid, Rutosid und Vitexin) enthält. Keine Ahnung, was das für ein Zeugs ist. Aber die Klein-Hirschin scheint, im Gegensatz zu mir, im Chemieunterricht aufgepasst zu haben.

Viel Feind, viel Ehr!?

Weißdorn erweitert die Herzkranzgefäße und verbessert somit die Durchblutung des Herzmuskels. Steht zumindest so in der Apotheken-Umschau. Der Stoff wirkt auch gegen Kurzatmigkeit bei körperlichen Belastungen. Für Reh und Co. sehr wichtig, (über)lebenswichtig. Denn: Die Zahl der Gegner ist groß. Da muss man rennen können und darf nicht so schnell außer Puste geraten. Viel Feind, viel Ehr!? Allen voran der Fuchs. Aber auch Wildschweine verschmähen so ein leckeres Etwas nicht. Der gemeine Haushund, welcher fraglichen Rasse er auch immer entstammen mag, ist ebenfalls, so er die Gelegenheit bekommt, nicht abgeneigt.
Ja, und bei den Autofahrern steht diese Niederwild-Spezies als deformierte Kühlerfigur ebenfalls hoch im Kurs - mitunter aber nicht ganz freiwillig. Im Schnitt nieten die Automobilisten zwischen Kiel und Konstanz, Aachen und Chemnitz pro Jahr 200.000 dieser Tiere auf den deutschen Straßen um. 60.000 Kitzen sterben während der landwirtschaftlichen Mahd, indem sie in die Messer der immer größer werdenden Erntemaschinen geraten. Und da wären ja auch noch die Nimrods. Unsere wackeren germanischen Waidmänner plätten pro Saison über eine Million Stück und sind somit Europa weit unangefochten Spitze. Auf Rang 2 die Franzmänner mit knapp einer halben Million zur Strecke gebrachter Rehe. Die rote Laterne halten die Spanier, die sich mit einer Abschussrate im unteren dreistelligen Bereich begnügen. Begründet wird die Hatz übrigens mit den immensen Verbiss-Schäden, die Rehe im Forst verursachen würden.

Zwischen Symbolik und Sonntagsbraten

Darüber kann man streiten, da kann man durchaus geteilter Meinung sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese scheuen und verfolgten Tiere bei uns, den Deutschen, per se einen Sympathie-Bonus haben. In der Symbolik liest sich das so: „In seiner scheuen und auch schreckhaften Art verkörpert das Reh eine Seite in uns, die sich eher zurückzieht, den Menschen und das Laute scheut und auch sehr verletzbar ist. So ist das Reh vor allem als Symbol unserer Instinktkräfte zu verstehen, es verweist uns gerade aufgrund seiner fehlenden Aggressivität auf eine Seite in uns, die besonders fein, zart, anmutig und empfindsam ist und eines besonderes Schutzes bedarf“. (Hey, ich entdecke völlig neue Eigenschaften an mir).Vielleicht sollten wir uns das mal in Erinnerung rufen, bevor wir im Drei-Sterne-Bürger-Stübli wieder einmal Rehbraten mit Spätzle in Preiselbeer-Sauce bestellen … Guten Appetit!

Mahlzeit! Futtern wie bei Muttern. Weißdorn ist gesund und als Heilpflanze seit dem Mittelalter bekannt. Das hat sich auch bei den Rehen herum gesprochen. | Foto: Siegbert Werner
Ein paar Buchen-Blätter sind auch nicht zu verachten. Bei den weißen Punkten im Ohr des Rehs  handelt es sich nicht um ein Piercing, sondern um die aufblühenden Knospen eines Weißdorn-Strauches. | Foto: Siegbert Werner
Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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