Tausendsassa in Tonstudio und Orchestergraben: Klaus Hillebrecht - Südliche Sonne als Inspirationsquelle
Den Ruhm ernten meist die anderen, während sie selbst allenfalls zum Schlussapplaus mal aus ihrem Unterstand ins Rampenlicht treten dürfen. Die (Damen und) Herrn „Kapellmeister“ fristen ansonsten ein eher verstecktes Dasein. Dabei sind sie es, die bei einer Musicalinszenierung die meiste Arbeit stemmen - lange vorher, währenddessen und mitunter auch noch danach. Die Show steht und fällt damit, ob der Chef im Orchestergraben sein Handwerk versteht oder nicht. Schwingt da eine Niete den Stock, können die Darsteller weiter oben noch so gut drauf sein, die Show ist gelaufen. (Das gilt aber auch umgekehrt.)
Den musikalischen Leiter einer Produktion zu geben ist nicht jedermanns Sache. Kann auch nicht jeder. Dazu gehört schon ein bisschen mehr, als eine Partitur entschlüsseln und interpretieren zu können. Es gibt zwischen Niebüll, Eupen, Garmisch und Eisenhüttenstadt eine Menge fähiger und erfahrener Dirigenten, doch der Kreis der wirklichen Top-Leute ist dahingehend überschaubar. Aber selbst deren Namen sind den meisten Fans des Genres nicht geläufig.
„Dope“ gegen Grippe
Klaus Hillebrecht ist einer von ihnen. Donnerstag vor Pfingsten beispielsweise saß er noch mit einer dicken Erkältung im Tonstudio seines schmucken Häuschens hoch über Santa Ponsa. Für die Schönheit der mallorquinischen Südwestküste, die sich hinter dem Panoramafenster seiner Ideenküche ausbreitete, hatte der Mann in diesem Moment kein Auge. Hillebrecht musste, quasi auf den letzten Drücker, erst noch seinen eigenen (Gitarren-)Part für die vier Tage später anstehende Eröffnungs-Gala in Tecklenburg büffeln, mit der die dortigen Freilichtspiele traditionell die neue Spielsaison einläuten und für deren musikalischen Rahmen er sich verantwortlich zeichnet. Mit den Arrangements für die Musiker und Sänger hatte er in den Wochen zuvor gut zu tun gehabt. Wäre doch zu blöd gewesen, sollte die praktische, finale Umsetzung des Ganzen an einer profanen Grippe scheitern. Tat es auch nicht. Gedopt mit Antibiotika stand der Wahl-Mallorquiner die Show gewohnt souverän durch und leitete seine spielfreudigen Band-Mitstreiter mit Schmackes durch die Partituren.
Drei Tage später holte er dann "Manitus Treter" aus dem Schuhschrank. Auch beim diesjährigen Hauptstück am Münsterländer Sommerbroadway, „Der Schuh des Manitu“, war Hillebrecht als musikalischer Leiter wieder engagiert. Ein Projekt, dessen Umschreibung und Bearbeitung ihn seit Januar beschäftigt hatte und dessen Vorbereitung dank moderner Kommunikationsformen wie Facebook, email und Skype eine persönliche Anwesenheit vor Ort erst zur endgültigen 4-wöchigen Probenphase zwingend machte. Gleiches galt im Vorfeld für die Interaktion mit den anderen Kreativen der Inszenierung. Hier hat die Internettechnik gegenüber früher vieles einfacher gemacht.
Heimspiele am Deutschen Sommerbroadway
Die Erfolgsstory der Tecklenburger Bühne ist inzwischen untrennbar mit dem Namen Hillebrecht verknüpft. Seit 2001 steht der Mann als musikalischer Leiter in der ersten Reihe des Orchestergrabens, hat nahezu alle Saison-Hits der vergangenen Jahre verantwortet und diesen seinen klangvollen Stempel aufgedrückt. Ob das nun die 3 Musketiere, J.C., Les Misérables, Dracula, Aida, Camelot oder Hair war. Dabei ist die Arbeit mit dem Orchester nur ein Teil seines Jobs. Bevor die ersten Musiker am Spielort eintreffen hat Hillebrecht schon mit den Hauptdarstellern, dem Ensemble und dem Chor das ganze Stück musikalisch durchgearbeitet. Besonders in der Interaktion und Kooperation mit den Solisten kommen ihm seine Fähigkeiten als erfahrener Gesangscoach zu Gute. Mit den Künstlern arbeitet er intensiv und streng rollenspezifisch an deren gesanglichen Interpretationen ihrer Partien. Egal ob Musicalstar oder Nebenrolle, jeder Sänger bekommt die (Proben-)Zeit mit ihm, die nötig ist, um die Rolle musikalisch perfekt umzusetzen.
Ganz „nebenbei“ komponiert der Tausendsassa seit vielen Jahren auch die Musik für die Kindermusicals, die in Tecklenburg jeweils parallel zu den beiden großen Sommerproduktionen laufen. Das fängt bei Robin Hood an und hört bei Michel aus Lönneberga noch lange nicht auf. Die Inspiration dafür sowie alle anderen Projekte holt er sich unter der südlichen Sonne: „Uns geht es doch allen besser, wenn wir schönes Wetter haben“. Und das ist auf Malle ja meist der Fall.
Aber es ist keineswegs so, dass der Mann mit dem jungenhaften Charme das ganze Jahr über am Strand faulenzt und sich einen schlauen Lenz macht. Auch wenn das viele mit dem Namen Mallorca assoziieren. Dafür bleibt keine Zeit.
Als Filmkomponist international erfolgreich
Die musical-ischen Ambitionen des bekennenden Buddhisten sind nämlich nur die Spitze des Eisbergs: Noch erfolgreicher und umtriebiger ist der studierte Komponist noch auf einem anderen Feld, dem der Filmmusik. 2011 war er sogar knapp an einem Emmy vorbei geschrammt. Die NDR-Produktion „Wildes Japan“, zu der Hillebrecht die Musik beigesteuert hatte, war seinerzeit in der Sparte Dokumentation für den bedeutendsten internationalen Fernsehpreis in New York nominiert. Allerdings gewann dann aber der kanadische Beitrag den Pott mit wenigen Millimetern Vorsprung.
Bereits seit 1998 ist Hillebrecht in diesem Genre aktiv und hat sich einen Namen gemacht. Zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen zeugen davon. Ob ARD, National Geographic oder Arte, vielen bedeutende Dokumentationsfilmer, TV-Anstalten und Produktionsfirmen stehen auf „Music by Klaus“. Deshalb, weil er immer den richtigen, dem dramaturgischen Aufbau entsprechenden Ton findet und klangvolle Stimmungsbilder entstehen lässt, die die Sache, um die es geht, auf den Punkt bringen und den Eindruck des Gezeigten phantasievoll verstärken. Natur, Geografie und Tierwelt sind dabei die Schwerpunktthemen. Da geht es um Wildschweine im Teutoburger Wald ebenso wie um das Bismarck-Archipel auf Neu-Guinea, Deutschlands wilde Wölfe, die Feldberger Seenlandschaft oder Straußenvögel, die Sprinter der Kalahari.
Mit 7 Jahren die erste Klampfe
Die Zahl der Dokus, zu denen Klaus Hillebrecht die Musik komponiert hat, ist inzwischen fast unüberschaubar. Und die Ideen dazu und für Anderes drohen ihm noch lange nicht auszugehen. Dabei erweist sich auch das mediterrane Flair seiner Wahlheimat, in die es ihn seinerzeit der Liebe wegen verschlagen hatte, als sehr inspirierend. Hillebrecht lebt (und arbeitet) mit Lebensgefährtin Eva Maciás, einer Katalanin, und Töchterchen Abril seit 2004 ganzjährig auf des Deutschen liebster Urlaubsinsel. Und die Liebe zur Musik scheint ihm schon in die Wege gelegt worden zu sein. Bereits als siebenjähriger Knirps hatte er damit begonnen, klassische Gitarre zu spielen. Gerade mal neun Jahre alt, vertonte er auf der Klampfe Fabeln von Jean de la Fontaine sowie Goethes Zauberlehrling. Drei Jahre später wurde elektrifiziert und die erste E-Gitarre in den Verstärker gestöpselt. Für seine ersten eigenen Bands komponierte und textete er die Songs natürlich selbst.
Nach Musikstudien in Lübeck, Boston und Los Angeles standen dem jungen Musikus viele Türen offen. H. arbeitete in Folge an verschiedenen Theatern als Musikalischer Leiter, Arrangeur und Orchestrierer, wirkte an diversen Band-Projekten mit und schrieb seine ersten eigenen Musicals. Er komponierte Radiowerbungen, spielte auf unterschiedlichen Fernsehshows und begleitete Künstler wie Mary Roos, Matthias Reim und andere in Fernsehsendungen und auf Konzerten. Als Musiker erlebte bzw. hörte man ihn auch während der Premieren-Spielzeit von Mamma Mia in Hamburg.
Und was steht als Nächstes auf seinem Programm?
Derzeit bastelt „das Kläuschen“ an der Musik für einen Vierteiler über Australien. Eine Auftragsarbeit von National Geografic. Und er ist auch wieder als Komponist fürs Theater engagiert: Für das internationale Edinburgh Musik-und Theaterfestival kreiert er die Partitur für eine neue Tanzshow mit einer Adaption von Romeo und Julia. Stilistisch trifft hier brasilianische Capoeira auf argentinischen Tango. Na, wenn das keine explosive Mischung ist.
Mehr Informationen unter klaushillebrecht.com