Dylan, frittierte Seepferdchen und die Vorzüge regionaler Vielfalt: "Tag der Region" als Identität stiftende Leistungsschau
Mit "Meggi's Farm" ist jetzt nicht der einst von Bob Dylan wenig wohlwollend besungene Ort gemeint, dem schleunigst den Rücken zu kehren sich der Folksänger 1965 angeschickt hatte. Außerdem schrieb sich der mit "a", im Gegensatz zu dem hoch über Eschenburg-Eibelshausen thronenden hippologischen Zentrum, das "Pferdeflüsterer" Peter Pfister nach seiner Frau Meggi benannt hat und von dem aus sich einer herrlicher Panoramablick auf die Hügel- und Haubergslandschaft ringsum bietet. Daselbst, in der großen, neu errichteten Reithalle in Hermann-Löns-Straße 11 und dem weitläufigen Außenareal feiert und inszeniert sich das Lahn-Dill-Bergland am 5. Oktober selbst - am "Tag der Region".
Sinn und Zweck dieser nunmehr im 16. Jahr umgesetzten und bundesweit Entsprechung findenden Initiative ist es, Charakteristika, Stärken, Vorteile und Chancen regionalen Lebens zu betonen und dessen Handels-, Handwerks- und Wirtschaftskraft zu fördern. Auf die ernährungs- und gourmet-technische Ebene reduziert: Warum mit Szechuanpfeffer verhunzte, in Mandarinenschalen eingelegte frittierte Seepferdchen von zweifelhafter fernöstlicher Herkunft, wieso mariniertes Kängurusteak in Kiwi-Soße und mit Akaziensaat-Dressing, wenn der Pflaumenhonig, das Backhausbrot, das Putenschnitzel oder die Wildbratwurst von nebenan nicht nur besser schmecken, sondern auch gesünder sind. Von den kürzeren Wegen zwischen Erzeuger und Endverbraucher und der damit deutlich besseren Ökobilanz mal ganz zu schweigen.
Der "Tag der Region" hat, fernab jedweder Heimattümelei, auch eine Identität stiftende Note und vereinigt Vielfalt, Tradition, Fortschritt und lokale Authentizität. Er bietet Landwirten, Handwerkern, Vereinen, Initiativen, Verbänden und Betrieben zudem eine Plattform, bringt lokale Direktvermarkter und Konsumenten zusammen. Wobei der kulturelle Aspekt keinesfalls ausgespart bleibt. Das Motto in diesem Jahr lautet übrigens „Aus Liebe zur Region- denken, handeln und genießen". Was hindert uns eigentlich daran?
Das Ganze ist ein gemeinsames Baby der Region Lahn-Dill-Bergland, der Gemeinde Eschenburg sowie der Landkreise Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf, für das Landrat Wolfgang Schuster und seine Hinterländer Amtskollegin Kirsten Fründt die Paten- bzw. Schirmherrschaft übernommen haben. Eröffnet wird der ereignisreiche Tag am 5. Oktober um 10 Uhr mit einem ökumenischen Erntedank-Gottesdienst in der Reithalle. Da nach geht's in die Vollen.
Mehr als hundert Aussteller und Akteure sind mit von der Partie und präsentieren ein breit gestreutes Sortiment an Produkten: Handarbeiten, Pflegeartikel, Spielzeug, Korb- und Haushaltswaren, Taschen, Schmuck, Kunst. Geflochtenes, Gebatiktes, Gestricktes, Geschnitztes, Gemeißeltes, Gedrechseltes, Geschweißtes. Die regionalen Spezialitäten, Gaumenfreuden und Zungenkitzler, fangen bei der erwähnten Wildbratwurst sowie leckerem Schafskäse an und hören beim Obstbrand noch lange nicht auf. Das umfangreiche Speisenangebot ist vorwiegend regional orientiert und wird durch ein reich bestücktes Kuchenbuffet der Landfrauen ergänzt.
Ein begleitendes Bühnen und Kinderprogramm, eine ausgedehnte Kräuter- Wildpflanzen-Exkursion, Eulenbasteln sowie ein Segway-Parcours, Edelsteinschürfen, Mundartbeiträge, Trachtentanz und Jonglage sind weitere Punkte. Der Nationale Geopark Westerwald-Lahn-Taunus präsentiert die geologischen Besonderheiten der Region, empfehlenswerte Ausflugsziele zeigt der Naturpark auf und hält auch kostenloses Informationsmaterial, Wander- und Radkarten bereit. Der Eintritt ist (natürlich) frei.
Das ist aber nur die Spitze des berühmten Eisbergs. Mittelhessenweit gibt es im Rahmen der Kampagne mehr als 30 dezentrale Veranstaltungen, die sich alle dem Ziel unterordnen, das regionale Profil zu schärfen. Der Auftakt des Aktionsreigens erfolgte am vergangenen Wochenende in Greifenstein-Beilstein, im und um das Landhaus „Hui Wäller“. Zu den Gästen zählten auch Hessens Umweltministerin Priska Hinz, Regierungspräsident Lars Witteck und Landrat Wolfgang Schuster.
Das Vertrauen in regionale Produkte sei in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, stellte die Ministerin bei dieser Gelegenheit fest. Die Nähe regionaler Anbieter fördere auch das Wir-Gefühl. Nicht zuletzt in den Ballungszentren bestehe große Nachfrage nach ökologischen Qualitätswaren „made auf dem Land“. Allerdings fehle es momentan noch an funktionierenden Vertriebswegen, um den Bedarf zu befriedigen.
Andererseits: Obwohl die Verbraucher zusehends auf Distanz zu Massentierhaltung und industrieller Lebensmittelfertigung gingen, hätten es die alternativen Erzeugnisse doch nach wie vor schwer am Markt, merkte der RP an. Der Griff ginge noch viel zu oft in die Regale mit den Billigprodukten
der Discounter.
Einen Ökobetrieb „wie aus dem Bilderbuch“ nahmen die Besucher in Folge ins Visier: den Milchschafhof „Wendeline“ im Beilsteiner Ortsteil Wallendorf. 20 ostfriesische Mutterschafe und 28 Lämmer sind das blökende Betriebs-Kapital von Martina Blötz und Hilmar Koch. Seit 30 Jahren vermarkten sie von hier aus Schafskäse, Fleisch und Wolle.
Bürgerreporter:in:Jürgen Heimann aus Eschenburg |
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